| | in der Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“ | |
Unvermittelt führt der Weg in die Hölle. Mit stämmigem Spielbein und krallenarmiertem Fuß erdrückt der Teufel ein kauerndes Liebespaar. Von kräftiger Gestalt und mit zahnbestückter Krone, Dreizack und weit ausschwingenden Fledermausflügeln hoch aufragend bewehrt, dominiert er das Geschehen im rechten Teil eines Triptychons, das Wilhelm von Schadow und seine Schüler um 1850 für das Düsseldorfer Landgericht schufen. Inspiriert von Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ verlieh der Maler dem Satan menschliche Züge, wobei der durchdringende Blick Spielraum für Interpretationen bietet. Vor dem großformatigen Ölbild liegt ein mit Vanitas-Symbolen farbig bemalter sowie mit biblischen Versen beschrifteter Eichenholzsarg für Ernestina Friderica von Stockhausen aus dem Jahr 1766. Nachdem jahrhundertelang Tote in Leinentüchern begraben wurden, setzte sich mit der Reformation die Bestattung in maßgefertigten Särgen durch. Sie wurden nunmehr als kunstvolle, dem gesellschaftlichen Stand angemessene letzte Ruhestätten des Leibes betrachtet.
Bereits der Prolog zur Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“ im Düsseldorfer Museum Kunst Palast verdeutlicht die Bandbreite und Dimensionen eines Themas, das zwar die gesamte Kunstgeschichte durchzieht, aber in den Museen kaum eine Präsenz entfaltet. Dies führte Felix Krämer, den Direktor des Hauses, auf der Pressekonferenz zum etwas übertriebenen Statement, dass dies „die erste Ausstellung zum Thema Horror in einem Museum weltweit“ sei. Basis des Projekts bildet eine Kooperation des Museums Kunst Palast mit dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt und dem Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, die die Schau im Anschluss zeigen. Alle drei Institutionen haben ihren Fundus auf einschlägige Sujets durchforstet und dann in einem zweiten Schritt die historischen Aspekte mit ausgeliehenen zeitgenössischen Positionen kongenial verbunden.
Auf dieser Grundlage stellte die Kuratorin Westrey Page rund 120 Exponate verschiedener Genres zusammen, darunter Mode, Musik, Film, Installationen, Plastiken, Fotografien oder Gemälde. Sie zeigen das weite Spektrum von fantastischen Dämonen der Renaissance, die oft ein sündiges Verhalten der Menschen anmahnen, über den Tod romantisierende, von Ruinen und tiefen Schatten durchdrungene Werke aus dem 19. Jahrhundert bis hin zu Horrorfilmen des 20. Jahrhunderts. Speziell junge Künstler*innen sehen in den genderübergreifenden Mischwesen oder grotesken Körper Anzeichen für Tod und Unheil und beziehen teilweise ökologische und politische Facetten in ihre Werke ein. Der stark variierende Parcours aus weiten, dunklen, mit schwarzen Stoffbahnen ausgekleideten Sälen über enge Zonen bis hin zu „White Cubes“ unterstützt die verschiedenen Sichtweisen, die nicht nur mit gruseligen Schockeffekten behaftet sein, sondern auch morbide, exzessive oder ästhetische Schönheiten zum Ausdruck bringen können.
Zu Beginn demonstrieren Werke des Schweizer Stimmungsmalers Arnold Böcklin, wie sehr er sich von Fabeln oder Legenden für seine symbolhaften unheimlichen Landschaften leiten ließ, die sich mit Tod und Sterblichkeit beschäftigen. Exemplarisch steht dafür ein 1876 entstandenes Gemälde des greisen Fährmanns Charon, der die Toten mit einem Boot in die Unterwelt bringt. Bereits um 1826 illustrierte der Berliner Romantiker Carl Blechen eine „Dämonische Landschaft“, in der er einen dramatischen Moment aus Carl Maria von Webers gerade vollendeter Oper „Der Freischütz“ interpretierte: listig und heimtückisch versucht der Teufel in einer unheilvollen Landschaft die Gewehrkugel seines Schützen Max zu steuern. Die Gemälde umschließen ein in dieser Zeit gefertigtes Trauerkleid mit Reifrock als Hinweis auf die mit dem Ableben von Personen seinerzeit verbundenen strengen gesellschaftlichen Normen und Moden. Kostspielige Materialien, teure mattschwarze Farbstoffe waren neben der Trauerbezeugung auch ein Hinweis auf moralische Werte und Standeszugehörigkeit.
Im weiteren Verlauf passiert man eine Reihe von Vitrinen modischer Kleidung, die die Funktion einer persönlichen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer Gruppe erfüllen soll. Haute Couture-Designer ließen melancholische Schönheit oder schaurige Geschichten in ihre Kollektionen einfließen, etwa im Jahr 2018 Thom Browne. Der amerikanische Modeschöpfer bezog sich in seiner Frühjahrskollektion auf ein von Salvador Dalí und Elsa Schiaparelli 1938 entworfenes Skelettkleid und stellte eine eigene Kreation vor, in der aus funkelndem Perlen anatomisch korrekt ein Knochengerippe hervortritt. Der historische Look wurde später eine wichtige Inspiration für den „Gothic Stil“. Der Leipziger Fotograf Erasmus Schröter ließ sich vom jährlichen „Wave-Gotik-Treffen“ der „Schwarzen Szene“ in seiner Heimatstadt inspirieren und stellte in großformatigen Porträts vor neutralem Hintergründen die Kleidung der Teilnehmer als Instrument nicht-normativer Selbstinszenierung in den Vordergrund.
Künstliche Knochen, Zähne, Totenköpfe, Monster, Körperteile, unheimliche Landschaften oder die Lederpeitsche sind Sujets, derer sich ab den 1990er Jahren die Designer von Accessoires bedienen. Von den makabren Motiven mit düsteren Anspielungen, die für eine subversive Haltung in der Fashion-Industrie, aber auch gleichzeitig für deren Kommerzialisierung stehen, zeugt eine vielgestaltige Auswahl. Dann erkunden Gemälde der in den USA geborenen, heute in Frankfurt lebenden Malerin Eliza Douglas Objekte der Subkultur oder Fotografien des Amerikaners Peter Beste die Black Metal-Szene in Norwegen auf eine direkte, für viele sicherlich abstoßende Weise. Seine Bilder aus der Serie „True Norwegian Black Metal“ zeugen von einer Bewegung, die sich von christlichen Werten abgewandt und heidnische Praktiken übernommen hat.
Als grundlegende Stilprinzipien werden ab dem späten 20. Jahrhundert Horrorszenen in diversen Musikgenres verwendet, bis heute hier Tod und Teufel als Mittel eingesetzt, um Tabuthemen anzusprechen und sich gegen herrschende Normen zu stellen. Blut und esoterische Symbolik, mysteriöse Landschaften oder Fabelwesen prägen so auch einschlägige Albumcovers, bevor Filmplakate die neuen Strategien von Filmemachern zu zunehmend atmosphärischen Elementen im 21. Jahrhundert visualisieren. Die letzten Säle widmen sich der bildenden Kunst, in denen Horrorszenarien als Instrument des Widerstands gegen politische Machtkonstellationen oder Umweltzerstörungen dienen. Der US-Amerikaner Max Hooper Schneider entwarf motorisierte bakterielle oder virale Konstrukte, die auf Fossilien aus dem Eozän tanzen. Gregor Schneider und Via Lewandowsky rücken das Sterben subtil mit schwarzem Humor in ein unromantisches, leicht amüsantes Licht, verzerren dabei die Realitäten und dringen in Grenzbereiche des Skulpturalen vor. In der Auswahl fehlt die Belgierin Berlinde de Bruyckere nicht, deren zwischen Schönheit und Abscheu vibrierende Plastiken die Schranken zwischen Sein und Nichtsein aufheben.
Am Schluss wird es ungemütlich. Die Besucher*innen müssen achtsam mit großen Schritten über einen Haufen zerbrochener Möbel, Lumpen und gebrauchter Matratzen schreiten. Für „Tod und Teufel“ hat der Leipziger Künstler Stefan Vogel eine raumgreifende Installation entwickelt, bei der Chaos und Zerstörung in einem Innenraum Fragen nach Identität, Veränderung, Zwängen oder Auslöschung häuslicher Bindungen aufwerfen. Horror gibt es auch im trauten Heim. Doch so ganz ohne aktive Teilnahme des Publikums geht es bei Kunstausstellungen heute nicht mehr. Vor dem Haus wartet eine Geisterbahnfahrt auf die Museumsbesucher*innen, um sie konkret in Horrorszenen eintauchen zu lassen, die hoffentlich manche ernsthaften Hintergründe nicht ganz in Vergessenheit geraten lassen.
Die Ausstellung „Tod und Teufel. Faszination des Horrors“ ist bis zum 21. Januar 2024 zu sehen. Das Museum Kunst Palast hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 12 Uhr, ermäßigt 9 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist er frei. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der im Museum 29,80 Euro, im Buchhandel 42 Euro kostet. |