Wien erinnert an Gertie Fröhlich | | Gertie Fröhlich mit Cape, 1970 | |
Gertie Fröhlich war Malerin, Textilgestalterin, Netzwerkerin, Galerieninitiatorin, Grafikerin und Freundin zahlreicher Künstler*innen. Nun widmet ihr das Museum für Angewandte Kunst in Wien die erste umfassende Retrospektive und will in ihr „Gesamtkunstwerk“ eintauchen. Die Kuratorinnen Kathrin Pokorny-Nagel und ihre Tochter Marieli Fröhlich stellen die im Mai 2020 verstorbene Künstlerin als eine der zentralen Figuren in der Avantgarde der Nachkriegskunst vor und geben in fünf Kapiteln einen Einblick in wesentliche Stationen und Themen ihres Lebens. Unter dem Titel „Schattenpionierin“ präsentieren sie die gesamte Bandbreite ihres Œuvres – von den Plakatentwürfen über die Malereien bis hin zu ihren Wandteppichen.
Die 1930 in der Slowakei geborene Gertie Fröhlich musste 1944 mit ihrer Familie emigrieren und kam nach Oberösterreich. Zunächst studierte sie an der Kunstgewerbeschule Graz bei Rudolf Szyszkowitz und wechselte dann nach Wien zu Albert Paris Gütersloh an die Akademie der bildenden Künste. Abseits der vorherrschenden Abstraktion bestärkten beide Professoren sie, an der gegenständlichen Kunst festzuhalten. So entwickelte Fröhlich ihren eigenen Stil, der von Mythologie, Geschichte, Volkskunst und handwerklicher Ikonografie geprägt war. Mit ihrer poetischen und allegorischen Bildsprache schuf sie eine neue Art metaphysischer Malerei.
Entscheidend für Fröhlich war die Begegnung mit Otto Mauer, dem kunstbegeisterten Wiener Domprediger, den die junge, umtriebige Studentin auf die vor der Auflösung stehende Neue Galerie von Otto Kallir aufmerksam machte. Damit begann eine der wichtigsten Initiativen zeitgenössischer Kunst in Österreich: 1954 eröffnete Mauer die Galerie St. Stephan, die seit 1964 als Galerie nächst St. Stephan bis zum heutigen Tag existiert. Gertie Fröhlich fungierte dabei als Kuratorin und Programmgestalterin der ersten Jahre unter der Bezeichnung „Sekretärin“ und brachte etwa für die Weihnachtsaustellung 1955 Markus Prachensky, Arnulf Rainer, Josef Mikl und Wolfgang Hollegha erstmals zusammen. Ihre legendäre Wohnung in der Sonnenfelsgasse, die Fröhlich zugleich als Atelier nutzte, wurde zum Treffpunkt für viele Kreative aus verschiedenen Disziplinen. So gaben sich bei ihr unter anderem Raimund Abraham, Christine de Grancy, Valie Export, Hans Hollein, Martin Kippenberger, Kurt Kocherscheidt, Kiki Kogelnik, Friederike Mayröcker, Hermann Nitsch, Helmut Qualtinger, Karl Schwarzenberg oder Michel Würthle und ihre jeweiligen Lebenspartner Markus Prachensky, Peter Kubelka und Al Hansen die Klinke in die Hand.
Für Kubelkas und Peter Konlechners 1964 gegründetes Österreichisches Filmmuseum gestaltete Gertie Fröhlich rund zwanzig Jahre lang zahlreiche, zum Teil international preisgekrönte Plakate. André Heller lud sie 1987 mit über 30 anderen Künstler*innen zur Teilnahme an seinem multidisziplinären Künstlerpark „Luna Luna“ nach Hamburg ein. Dort präsentierte Fröhlich performative Kunst in einem mythologisch gestalteten, interaktiven Stand und wurde mit ihren essbaren Eat-Art-Lebkuchen bis in die USA bekannt. Auch ihre größten Werke sind in der Wiener Ausstellung zu sehen. Wilhelm Holzbauer vermittelte ihr Mitte der 1970er Jahre einen Auftrag für das kirchliche Bildungshaus St. Virgil in Salzburg. Fröhlich schuf dafür textile Wandbehänge, die Episoden der Heiligen Schrift unter Nutzung mythischer Figuren, bevölkert von Frauen, Naturelementen und Tieren, neu erzählen.
Die Ausstellung „Gertie Fröhlich. Schattenpionierin“ läuft bis zum 3. März 2024. Das MAK hat dienstags von 10 bis 21 Uhr, mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 15 Euro, ermäßigt 12 Euro; jeden Dienstag ab 18 Uhr nur 7 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren ist der Besuch frei.
MAK – Museum für angewandte Kunst
Stubenring 5
A-1010 Wien
Telefon: +43 (0)1 – 711 360 |