Robert Irwin gestorbenRobert Irwin ist tot. Der US-amerikanische Installations- und Lichtkünstler starb gestern in Kalifornien. Er wurde 95 Jahre alt. Das teilte die Pace Gallery in New York mit, die Irwins Kunst erstmals 1966 ausstellte. Galerist Arne Glimcher, mit dem Irwin beinahe 60 Jahren eng verbunden war, würdigte sein Schaffen als tiefgreifende künstlerische Erfindung, die Licht und Raum als Schlüsselelemente nutzen. Damit habe sich Irwin einen Ruf als visionäre Figur an der Spitze der „Erlebniskunst“ erworben, die sich als dynamischer Prozess der Interaktion zwischen dem Werk und dem Betrachter versteht. „In unserer 57jährigen Freundschaft haben seine Arbeit und seine Philosophie meine Wahrnehmung erweitert, meinen Geschmack geprägt und mich erkennen lassen, was Kunst sein kann“, so Glimcher weiter.
Robert Irwin, geboren 1928 im kalifornischen Long Beach, studierte zwischen 1948 und 1954 am Otis Art Institute, am Jepson Art Institute und am Chouinard Art Institute in Los Angeles und begann seine künstlerische Laufbahn als Maler mit abstrakt-expressionistischen Werken. Doch schon bald tauchten Zweifel an der Zulänglichkeit des Tafelbildes als Abbild der Realität auf. Fortan arbeitete Irwin mit Plexiglas, transluzenten Stoffen, farbig getönten Gelen, reflektierenden Oberflächen und Leuchtstoffröhren, mit denen er Rauminstallationen gestaltete, und gehörte damit zu den Pionieren der kalifornischen „Light and Space“-Bewegung, zu der ab den 1960er Jahren noch Larry Bell, John McCracken, James Turrell und Doug Wheeler zählten.
Damit löste sich Robert Irwin von der Leinwand, deren Begrenzung und Größe er einengend fand, und suchte nach einer Verbindung seiner Arbeiten mit deren Umgebung. Als Folge gab er 1970 sein Atelier auf und damit auch die Idee von einer durch ihre Objekthaftigkeit definierten Kunst. Seine Kunst hatte sich der der Erscheinung, dem Phänomenalen, verschrieben und bezog die Betrachter*innen als konstituierendes Element mit ein. Von da an realisierte Irwin Installationen, die er als „site-conditioned“ bezeichnete. Anders als Arbeiten, die zwar auf einen spezifischen Ort Bezug nehmen, in ihrer Rezeption als Kunstwerk jedoch immer souverän bleiben, nahmen seine Installationen erst mit dem sie umgebenden Raum und den dort vorherrschenden Konditionen ihre jeweilige Erscheinung an und waren nicht auf einen anderen Ort übertragbar.
Vor allem die Beziehungen zwischen Licht, Raum und Wahrnehmung reizten Robert Irwin immer wieder zu neuen künstlerischen Untersuchungen heraus. „Den Blitz in einer Flasche fangen“ war die Lieblingsmetapher für sein Tun. Seine erste permanente Museumsinstallation war „1° 2° 3° 4°“, die er 1997 für das Museum of Contemporary Art in San Diego schuf. Zehn Jahre später wurde er mit „Light and Space III“ für das Indianapolis Museum of Art beauftragt und ordnete in einem mehrstöckigen Museumsraum Leuchtstoffröhren in einem unregelmäßigen Raster an, das von halbtransparenten Stoffbahnen flankiert wurde. Arbeiten in zahlreichen weiteren Museen folgten.
Irwin zog es auch in die Natur, wo er große Landschaftsgestaltungen realisierte, die erste 1997 für die Central Gardens am J. Paul Getty Center in Los Angeles. Die größte stellte er 2016 für die Chinati Foundation im texanischen Marfa fertig. Seine monumentale architektonische Intervention „untitled (dawn to dusk)“, die ein ehemaliges Armeekrankenhaus neben dem Museum mit langen Korridoren, dunklen Zimmern und hellen Fensterschlitzen sowie deren Licht- und Schattenspiel einbezieht, umfasst sowohl die Innen-, als auch den Außenraum mit arrangierten Grasflächen, Bäumen und einem Meer aus Steinstelen und reagiert auf die westtexanische Landschaft, die Tages- und Jahreszeiten und das Wetter.
Irwins Arbeiten befinden sich vor allem in amerikanischen Museen; in Europa ist er unter anderem im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid oder im Louisiana Museum of Modern Art im dänischen Humlebæk vertreten. Für das Kraftwerk Berlin entwickelte Robert Irwin zwischen Dezember 2021 und Januar 2022 die Installation „Light and Space (Kraftwerk Berlin)“, sein bis dato größtes Werk in Europa, mit weißen und blauen Leuchtstoffröhren, die auf einer raumhohen zweiseitigen Wand angebracht waren und ein abstraktes flirrendes Lichtmuster in das ehemalige Industriegebäude warfen. |