 |  | Hans Reiser, Deckelhumpen, Augsburg um 1560 | |
Die beiden Kataloge zum Kunsthandwerk bei Lempertz sind wieder prall gefüllt. Besonders die Silberofferte gehört zur umfangreichsten und qualitätvollsten, die der deutsche Auktionshandel derzeit zu bieten hat. Museal wird es gleich zu Beginn mit einem Deckelhumpen der Renaissance, den der Augsburger Meister Hans Reiser um 1560 mit Darstellungen der Göttinnen Venus, Diana und Pallas Athene nach Stichvorlagen von Virgil Solis in Medaillons auf der leicht konischen Wandung, mit graviertem Beschlagwerk und Fruchtgebinden aufwändig gestaltet hat. Hierfür sind 70.000 bis 80.000 Euro vorgesehen. Die folgenden Silberwaren datieren dann schon in die späte Renaissance, etwa ein Nürnberger Birnpokal mit Rollwerk zwischen Lambrequins und Blumen sowie einem figürlichen Schaft in Form eines Weinstocks mit Holzfäller von Lorenz Ott um 1603/09 für 20.000 bis 24.000 Euro oder Akeleipokal mit ausgeprägten Buckeln und großem Schmeck als Bekrönung, den sein Nürnberger Kollege Hans Beutmüller wenige Jahre später schuf. Mit 25.000 bis 28.000 Euro notiert er nur etwas höher.
Silber
In diese Preiskategorie reihen sich noch ein Rostocker Deckelhumpen mit Diamantbuckeln von Peter Quistorp um 1620/30, Heinrich Mannlichs ausladende Augsburger Schauplatte mit einem qualitätvoll getriebenen vielfigurigen Gastmahls des Belsazar von 1688/89 oder ein umfangreiches Reise-Necessaire mit verschiedenen Deckeldosen und Kristallflakons, einem Rasierpinsel, einer Bartbürste aus Bein sowie mehreren Klappmessern von unterschiedlichen Meistern ein, die Martin Guillaume Biennais um 1800 in eine ovale Holzkassette eingepasst hat (Taxe je 25.000 bis 30.000 EUR). Der große vergoldete Ratspokal des Marktgerichts Pyrbaum in der Oberpfalz trägt sowohl das gravierte Stadtwappen als auch das Wappen der Reichsfreiherren von Wolfstein. Im Deckelinneren findet sich eine geätzte Auflistung der Pyrbaumer Richter, Kämmerer und Schöffen. Der Pokal entstand in den 1660er Jahren in der Nürnberger Werkstatt von Reinhold Riel (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR). Und auch im Empire wird es mit einem vergoldeten, knapp 60 Zentimeter hohen Girandolenpaar noch einmal teurer, für das sich die beiden Augsburger Goldschmiede Johann Alois Seethaler und Friedrich Ernst Dassdorf 1824/25 zusammengetan haben (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR).
Aber nicht nur Silberwaren aus Deutschland konnte Lempertz für die Auktion am 17. November akquirieren, auch das europäische Ausland ist gut vertreten, etwa mit dem Rigaer Meister Heinrich Leyse d.J., der eine hochbarocke Deckelkanne auf Kugelfüßen mit einem fein gravierten Allianzwappen und den Deckel mit einem Paar, großen Fruchtgebinden und Amoretten als Zeugen der Liebe geschmückt hat (Taxe 22.000 bis 25.000 EUR). Die Kanne steuert eine italienischen Privatsammlung bei, die weitere interessante Silberobjekte enthält, darunter ein großes Weihwasserbecken mit Madonnendarstellung des römischen Meisters Antonio Politi um 1730 (Taxe 13.000 bis 15.000 EUR) oder eine auf das Jahr 1770 datierte, spätbarocke Messgarnitur im Lederfutteral seines römischen Mitstreiters Giuseppe Bartolotti (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR).
Nach Frankreich geht es mit einem Girandolenpaar des Empire samt geflügelten Löwen, Palmettendekor und Pharaonenmasken des in Paris tätigen Marie-Joseph-Gabriel Genu um 1800 (Taxe 13.000 bis 16.000 EUR), nach England mit einem Paar schlichterer Queen Anne-Leuchter von John Barnard I aus dem Jahr 1705 (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR) und nach Amsterdam mit einem Steuerpaar, bei dem Johannes Schiotling 1783 mit Festons, Schleifen und Porträtmedaillons auf eine klassizistische Formensprache zurückgriff (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Auch modernes Silber kommt zu seinem Recht, etwa vier Arts & Crafts-Leuchter der Firma James Dixon & Sons aus Sheffield von 1905/09, vier elegant zurückgenommene Salieren von Emil Lettré aus den 1920er Jahren (Taxe je 3.000 bis 4.000 EUR) oder die vergoldete quadratische Monstranz mit Bergkristallbesatz des Kölners Wilhelm Nagel von 1978 (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR).
Porzellan und Fayencen
Ein Höhepunkt beim Porzellan ist die seltene frühe Meißner Kaffeekanne aus Böttger-Steinzeug nach einem Modell von Johann Jakob Irminger und mit einer bemerkenswert gut erhaltenen floralen Lackbemalung, die dem Dresdner Hoflackierer Martin Schnell um 1710/15 zugeschrieben ist (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Bei den Hausmalern tut sich Ignaz Preissler aus Kronstadt hervor, der ein umlaufend kanneliertes Koppchen samt Untertasse um 1720/25 jeweils am Rand mit einer Miniaturlandschaft in Schwarzlot staffiert hat (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Die Chinoiserien auf einer zeitgleich entstandenen Meißner Kaffeekanne werden dem bekannten Manufakturmaler Johann Gregorius Höroldt zugewiesen (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR), die auf einer rund zehn Jahre jüngeren Ecuelle samt Unterteller seinem Kollegen Christian Friedrich Herold (Taxe 9.000 bis 10.000 EUR). Für eine prachtvolle Deckelterrine mit Blumenkohl-, Spargel- und Erbsenschotenknauf aus dem Tafelservice für Heinrich Graf Brühl zeichnete der Meißner Modelleur Johann Friedrich Eberlein um 1742/43 verantwortlich (Taxe 14.000 bis 16.000 EUR). Und auch Johann Joachim Kändler meldet sich zu Wort, der sich Ende 1741 ein Pilgerpaar ausdachte, das wohl noch 1742 ausgeformt und mit blauen Kleidern bemalt wurde (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR).
Aber auch andere Porzellanfirmen spielen in der Auktion eine wichtige Rolle. Da ist zunächst die kurmainzische Manufaktur Höchst, die das nach ihrem umtriebigen Maler Andreas Philipp Oettner benannte Tee- und Kaffeeservice für zwei Personen zur Verfügung stellt. Der Künstler, der unter anderem für die Manufakturen in Ludwigsburg, Frankenthal, Fürstenberg, Höchst oder Wien tätig war, ist einer der wenigen Porzellanmaler mit einem so deutlich individuell geprägten Duktus und eigenen Sujets, dass die von ihm gestalteten Stücke leicht zu erkennen sind. Oettner spezialisierte sich etwa auf „Watteau-Szenen“, ersetzte aber die höfischen Figuren durch kindliche Personen mit einem ganz bestimmten drolligen Gesichtsausdruck, so auch in der Mitte der 1760er Jahre bei dem neunteiligen Tête à tête (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Simon Feilner erstellte um 1753 für Höchst das Modell eines „Kussleuchters“, auf dem sich ein junges Schäferpaar zuneigt und zum Küssen ansetzt (Taxe 8.000 bis 9.000 EUR).
Ein Tafelservice mit Früchten und Blumen weist in die Frankenthaler Manufaktur. Es wurde vermutlich für den Berner Gesandten und Salzintendanten Johannes von Jenner entwickelt und gehört heute zum Bestand der Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim. Die bei Lempertz vorhandenen Serviceteile sind etwas schlichter bemalt und entsprechen eher dem Zeitgeist der 1780er Jahre (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Die Porzellanmanufaktur Nymphenburg stellt mehrere prachtvoll mit Blumen und Schmetterlingen wohl von Joseph Zächenberger um 1760/70 bemalte Platten aus dem Umkreis des Münchner Hofservices für Schätzpreise zwischen 4.000 und 8.000 Euro zur Verfügung, die Porzellanmanufaktur Gotha ein seltenes Solitaire mit zarten Blumenbouquets und purpurfarbenem Vermicelli-Dekor an den Schultern (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR). Mit einem von Joseph Nigg 1832 signierten farbleuchtenden Blumengemälde auf Porzellan geht es schließlich noch in die Kaiserliche Manufaktur nach Wien (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Zudem hat Lempertz den zweiten Teil der Fayence-Sammlung Jürgen Baur aus Köln im Programm. Sein Schwerpunkt lag bei Fayencen aus dem schlesischen Proskau, die sich etwa mit mehreren Walzenkrügen samt figürlichen Darstellungen um 1.000 Euro oder mit einer Kaffeekanne samt Nelke um 1800 für 600 bis 800 Euro präsentieren.
Kunstkammerobjekte
Am Nachmittag folgt bei Lempertz die Versteigerung der Kunstkammerobjekte. Schon das erste Position des zweiten Katalogs lässt aufhorchen: ein früher italienischer Majolika-Krug, ein „boccale“ wohl aus der Emilia-Romagna vom Ende des 15. Jahrhunderts mit dem zentralen Profilportrait eines jungen Edelmannes, der ehemals zur Sammlung des Prinzregenten Luitpold von Bayern gehörte (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). In die rheinische Renaissance um 1600/10 datiert ein reich mit Arabesken, Blumenvasen, Vögeln, Blüten, Bandwerkranken und zwei Karyatiden verzierter Überbauschrank aus der Kölner Werkstatt Melchior von Rheidts (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Drei Stücke aus Limoges mit Maleremail en grisaille folgen, eine Pierre Reymond zugeschriebene Kanne mit dem biblischen Motiv „Moses und die eherne Schlange“ (Taxe 45.000 bis 50.000 EUR), sein etwa zeitgleich 1560 entstandener Monatsteller „Dezember“ und der mit dem Monogramm „I.C.“ signierte Monatsteller „Juni“ (Taxe je 20.000 bis 25.000 EUR). In einer Kunstkammer macht sich auch ein skandinavischer Elfenbein- und Wurzelholzpokal ausnehmend gut, der wohl im 17. Jahrhundert in Norwegen gedrechselt wurde (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR).
Im 17. Jahrhundert spezialisierten sich jesuitische Priester im westindischen Goa auf die Produktion von synthetischen Bezoare aus Gallensteinen und Haaren, die sie in kunstvollen Behältnissen nach Europa exportierten. Ein italienischer Sammler legte sich gleich mehrere dieser außergewöhnlichen Magensteine zu und will sie nun für bis zu 10.000 Euro wieder loswerden. Auch zahlreiche Totenköpfe gehörten zu seinen skurrilen Vorlieben, darunter ein italienischer Schädel aus weißem Marmor, auf dem noch eine Bischofsmitra sitzt (Taxe 14.000 bis 16.000 EUR). Aber auch weniger abstruse Dinge finden sich in seiner Kollektion, etwa drei feinste Mikromosaikbilder. Ein Blick auf die Wasserfälle von Tivoli, wohl nach einem Motiv von Jakob Philipp Hackert, stammt vermutlich aus dem Atelier von Giacomo Raffaelli, dem Erfinder der Mikromosaiktechnik (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR). Seinem römischen Konkurrenten Gioacchino Barberi wird eine Wildschweinjagd nach einer Zeichnung des böhmischen Tiermalers Johann Wenzel Peter zugeschrieben (Taxe 45.000 bis 50.000 EUR). Und wohl nach einem Gemälde von Ippolito Caffi schuf ein unbekannter Mosaikkünstler Mitte des 19. Jahrhunderts eine abendliche Ansicht der Engelsburg und des Vatikans über dem Tiber bei Sonnenuntergang (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Auch das mit 110.000 bis 130.000 Euro am höchsten bewertete Los des Tages gehört in diesen Sammlungszusammenhang: eine große skulpturale Tischuhr mit dem massiv in Silber getriebenen Gehäuse „Atlas mit Himmelsglobus“ auf rotem Marmorsockel von Alexis Falize aus Paris um 1860.
Uhren und Möbel
Wer sich für Uhren interessiert, kann noch auf eine ebenfalls museale Augsburger Säulenuhr von David Buschmann um 1660/64 zurückgreifen, bei der sich ein kleiner fliegender Putto um die Säule windet und damit die Zeit anzeigt (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR). Klassischer ist die Pariser Standuhr des Rokoko in einem Gehäuse von Balthazar Lieutaud und mit dem von Julien Le Roy signierten Ziffernblatt. Allerdings stammt nur das Blatt aus der Ursprungszeit, das Uhrwerk und das Pendel wurden im 19. Jahrhundert ersetzt (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Im französischen Rokoko bleibt es mit zwei bewegt floralen bronzenen Wandleuchtern, für die Jean-Claude Duplessis um 1750/60 verantwortlich sein soll. Die Möbel sind meist deutscher Provenienz, darunter eine Mainzer Tabernakelaufsatzkommode mit Bandelwerk-Marketerie um 1720/30 (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR), eine etwas jüngere Dresdner Kommode mit einer Würfelmarketerie aus Palisander und Nussholz (Taxe 16.000 bis 18.000 EUR) oder ein Paar westdeutsche Spieltische mit Papageien, die auf Blütenzweigen sitzen (Taxe 14.000 bis 16.000 EUR).
Einem Mailänder Steinschneider des 17. Jahrhunderts wird ein Pokal aus Bergkristall zugewiesen, der mit feinstem Jagddekor und mythologischen Szenen in Tiefschnitt dekoriert ist (Taxe 30.000 bis 50.000 EUR). Ebenfalls italienischen Ursprungs ist eine gleichaltrige Schraubdose aus Elfenbein, die reich mit mehreren biblischen Szenen, einer kriegerischen Darstellung mit zahlreichen Figuren vor einer Stadtkulisse, einem Wappen mit Männerkopf, sechs Amoretten und zapfenartigen Früchten sowie drei Schriftbändern fein graviert ist (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Diesen Wert sollen auch der Himmels- und der Erdglobus von Matthäus Greuter aus den 1630 Jahren in späteren identischen barocken Gestellen um 1700 einspielen. Mit Objekten aus dem frühen 20. Jahrhundert schließt die Auktion: mit zwei elegant geschwungenen Art Nouveau- Armlehnstühlen aus Buche von Abel Landry um 1906 (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR), mit der bekannte Vase „Jack in the Pulpit“ von Louis Comfort Tiffany in goldgelbem Favrile-Glas (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR) oder mit Sirio Tofanaris silberner Hirschkuh, die sich eben am Hals kratzt (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 17. November um 10 Uhr. Die Besichtigung ist bis zum 15. November täglich von 10 bis 17:30 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.lempertz.com. |