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Marktberichte |
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Das Berliner Auktionshaus Grisebach lässt bei der Kunst des 19. Jahrhunderts die Romantik hochleben und setzt auf Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge Die Grandezza der Zeichnung
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| | Philipp Otto Runge, Bildnis des Bruders Jakob Runge, 1801 | |
Es gibt viele Gattungen in der Bildenden Kunst und auch bei den Arbeiten auf Papier unterschiedliche Medien. Immer wieder faszinierend für Forscher und Sammler sind Zeichnungen, seien es solche, die die Genese eines Bildes oder eines Baus verdeutlichen, Skizzen, mit denen der Künstler Karikaturen von Zeitgenossen aus einer Laune heraus anfertigt, oder aber Studien von Gesehenem auf Reisen. Das Spektrum ist groß, ebenso die Ausführung, etwa nur als rasches Gekritzel oder die detailreiche Ausarbeitung einer Dekoration oder einer Figur, mal als zartes Aquarell, mal als monochrome Arbeit mit Bleistift in Graunuancen oder Schwarz mit Kohle oder der pudrige Charakter, der manchen Pastellwerken zu eigen ist. Ein Jeder wird mal über eine Zeichnung stolpern, die ihn in ihren Bann schlägt. Ein reiches Konvolut an Zeichnungen offeriert nun Grisebach in seiner Auktion zum 19. Jahrhundert, und Freunde der deutschen Romantik können sich gleich über zwei berühmte Namen freuen: Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge.
Höhepunkt des Angebots ist Friedrichs „Karlsruher Skizzenbuch“ von 1804. Das Kleinod ist eines von sechs Skizzenbüchern des Malers, die noch erhalten sind. Es wird zwar im Katalog mit der „Kunst des 19. Jahrhunderts“ vorgestellt, ersteigern kann man es am 30. November aber erst ab 18 Uhr bei den „Ausgewählten Werken“. Als Trost können Liebhaber von Caspar David Friedrichs Schaffen ein hübsches Aquarell mit der ruhigen „Alten Elbbrücke bei Meißen“ bereits ab 15 Uhr für 200.000 bis 300.000 Euro oder eine rasche „Wolkenstudie in bergiger Landschaft“ in Bleistift um 1803 für 50.000 bis 70.000 Euro ergattern. Fernab vom Landschaftlichen bewegt sich Philipp Otto Runges „Bildnis des Bruders Jakob Runge“ von 1801 in schwarzer und weißer Kreide auf braunem Papier. Das schöne Werk des im Profil verewigten Bruders mit einem beseelten Blick in die Ferne bei meisterhaft atmosphärischem Einsatz der Kreide wurde 2010 erstmals bei einer Schau zum Maler in der Hamburger Kunsthalle der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Portraitzeichnung besticht mit ihrem intimen Stimmungsgehalt und den fein ausgearbeiteten weichen Zügen Jakob Runges und geht mit 250.000 bis 350.000 Euro an den Start.
Neben diesen zwei meisterlichen Zeichnungen im sechsstelligen Bereich betritt auch ein romantisches Bild von Friedrich Nerly auf diesem Niveau das Parkett. Der gebürtige Erfurter wurde vor allem für seine Ansichten Venedigs geschätzt. Um 1838 als Studie auf Papier gemalt, schimmert in seinem „Blick auf Venedig von den Öffentlichen Gärten aus“ die Stadtsilhouette der Serenissima mit den Kuppeln von San Giorgio Maggiore, Santa Maria della Salute und dem Glockenturm von San Marco in zarten Fliedertönen vor der Abendröte des Himmels. Der Blick von den Giardini Pubblici öffnet sich auf das blau-gelbe stille Wasser, in dem Segelschiffe ankern und ihre Masten hoch in den Himmel recken. Die hohe Qualität der Ölstudie bereichert die Tatsache, dass der Traummoment aus dem Nerly-Nachlass des Angermuseums in Erfurt stammt, was nun zu 100.000 bis 150.000 Euro führen soll.
Bella Italia & La douce France
Für weniger gefüllte Brieftaschen, die gerne eine malerische Erinnerung an Venedig hätten, eignet sich Jean Antoine Théodore Gudins Ölbild der „Rialtobrücke in Venedig“. Das berühmte goldene Licht der Lagunenstadt erstrahlt von hinten über die Häuserwand am Canal Grande, den Gondeln und kleine Segler befahren. Der feine Himmel in zartem Goldgelb über Weiß zu Azurblau hat seine Pendants in den weißen, energischer gemalten Segeln der Schiffe auf dem dunklen Wasser (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Wen es nach mehr Sonne und Licht in der winterlichen Monaten dürstet, der wird bei Carl Georg Anton Graebs „Italienischem Kloster am Meer“ ein heiteres, lichtdurchflutetes Aquarell mit Palmen in einer friedvollen Atmosphäre für 3.000 bis 4.000 Euro finden. Carl Johann Spielter zog es 1880 auf die Insel Capri, wo er unter kräftigem Sonnenschein weiße Häuser an einem Hang entdeckte (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Abwechslung vom Meer erlaubt Heinrich Reinholds lockere Ölstudie einer sommerlichen Berglandschaft, in der die grauen Klippen wie Zähne aus dem Grün des Waldes und der Sträucher schief herausragen. Sanfte geschwungene Hügel und ein vereinzelter Festungsturm lassen diesen Ausschnitt der „Landschaft oberhalb von Subiaco“ reizvoll erscheinen (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR).
Von dem reisefreudigen Lorenz Adolf Schönberger liegt ein Skizzenbuch vor, in dem er zwischen 1817 und 1825 seine vielfältigen Impressionen von Rom und der Umgebung auf 43 Blättern niederlegte (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Eine flache französische Ebene mit weitem hellblauem Himmel und reifen Weizenfeldern, in denen ein Maler die Szene en plein air festhält, legte 1843 Charles-François Daubigny in seinem „Peintre à son Chevalet, Auvers“ nieder. Daubigny dürfte in diesem Frühwerk seinen Studienkollegen Jean-François Millet mit feinfühliger Lichtmodellierung der Farbe eingefangen haben (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Das Motiv des arbeitenden Künstlers beim Naturstudium in der Landschaft könnte Théodore Rousseau, ein Kollege Daubignys aus der Schule von Barbizon, in eine aufragende Hügelgegend verlegt haben, wobei die Felsen riesig in lockerer Malweise aus dem Boden brechen. Für die „Felswand mit zeichnendem Künstler“ sind 30.000 bis 40.000 Euro vorgesehen.
Deutschsprachige Lande
In seinem Atelier mit großem Fenster und Schiller-Büste portraitierte sich Friedrich Pecht in Rückenansicht beim Malen eines Figurenbildes (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Louis Gurlitt hinterließ um 1840 eine weite Landschaft aus Jütland als unvollendete malerische Skizze (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR). Carl Maria Nicolaus Hummel versuchte sich um 1850 an alpinen Bergen und wurde mit seiner Studie ebenfalls nicht fertig (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Als Schweizer war Alexandre Calame die heimische Bergwelt vertraut. In seinem Gemälde „Gorge de montagnes éclairées au soleil couchant“ tauchte er um 1840 die fast schneefreie Unteraaralp des Berner Oberlands in eine warme Stimmungslandschaft (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Genau zu verorten ist Anton Radls freundliches und präzis um 1820 gemaltes „Löwendenkmal bei Bad Abbach“ an der Donau vor den Toren von Regensburg (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Intensives Blau und saftiges Grün in breiten Strichen definieren Wilhelm Trübners „Aussichtsplatz am Starnberger See mit Boskett“ von 1912 (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR).
Caspar David Friedrichs „Karlsruher Skizzenbuch“, das schon zu Lebzeiten Friedrichs oder kurz danach in die Hände seines engen Künstlerfreundes Georg Friedrich Kersting übergegangen ist und seither von dessen Nachfahren in Karlsruhe bewahrt wurde, ist das erste Buch dieser Art, das auf dem Kunstmarkt zum Verkauf steht. Vergleichbare Exemplare befinden sich im Nationalmuseum in Oslo und im Kupferstich-Kabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. In ihm hielt Friedrich Eindrücke seiner Streifzüge durch die Dresdner Umgebung zwischen dem 25. April und dem 1. Juni 1804 fest. Der Erneuerer der deutschen Landschaftsmalerei nutzte besagtes Büchlein immer wieder als Motivreservoir für seine Gemälde, so etwa die knorrigen und teils laublosen Eichen, die er in wichtigen Werken wie dem „Hühnengrab mit Schnee“ von 1806 oder in der rund drei Jahre jüngeren „Abtei im Eichwald“ aufgriff. Christina Grummt, Werkverzeichnisautorin für Friedrichs Handzeichnungen, würdigt das „Karlsruher Skizzenbuch von 1804“ als Meilenstein in Friedrichs zeichnerischem Werk. Es werde die Forschungen um den berühmtesten deutschen Romantiker deutlich beflügeln und bereichern. Interessenten dürfen sich somit auf ein spannendes Kaufereignis gefasst machen, das einen Zuschlag von 1 bis 1,5 Millionen Euro auslösen soll.
Portraits und Figurenreigen
In den Historismus geht es bei einer Figurenstudie mit zwei Herren samt beeindrucken gelockten Rokokoperücken, mit der Anton von Werner 1886 das heute zerstörte Wandgemälde „Krönung Friedrichs III. von Brandenburg zum König Friedrich I. in Preußen“ vorbereitete (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR). Preußisch bleibt es mit Franz von Lenbachs später Ölskizze des von ihm häufig wiedergegeben Konterfeis zu Otto von Bismarck. Charmanter erweist sich sein fast monochrom gelbgoldenes Portrait einer jungen Frau, vermutlich Lida Mitchel Fenton, von 1893 (Taxe je 5.000 bis 7.000 EUR). Für denselben Schätzwert steigt eine skizzenhafte Portraitstudie einer Frau von Max Klinger in kurzen Pinselzügen ins Rennen um die Gunst der Bier ein. Eher ein Schatten mit hohen Stiefeln und Dreispitz ist Edouard Vuillards flüchtige Pinsel- und Federzeichnung „Acteur en costume (Coquelin Cadet)“ um 1892 (Taxe 1.800 bis 2.400 EUR).
Der Realist Adolph von Menzel gestaltete eine Kreidestudie zu Heinrich von Kleists Schauspiel „Der zerbrochene Krug“, die dann 1877 als Holzschnitt erschien. Das Blatt zeigt die „Frühstückspause“ von Dorfrichter Adam, der Gerichtsinspektor Walter gerade ein Glas Wein einschenkt (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). 1890 malte Fritz von Uhde eine einsame blonde Frau mit Korb an einem schneebedeckten Feldweg. Der Realist kolorierte den Schnee kunstvoll in zarten Rosa-, Blau- und Gelbnuancen und kontrastierte ihm mit dem dunklen bleiernen Himmel. Der kaum sichtbare Heiligenschein lässt hier die schwangere Muttergottes erahnen, die am „Heiligen Abend“ schwermütig dem heiligen Joseph nachblickt, der noch auf der Suche nach einer Herberge ist (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR).
In die mythologische Welt von Richard Wagners Parsifal zog es Hans Thoma 1899 bei seiner „Gralsburg“, die wie ein warm strahlender Fels hoch über dem grünen Tal mit den heranreitenden Gralsritter in roten Mänteln thront (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Das einzig Ritterliche bei Richard Müllers 1925 entstandenem Mädchenakt ist der mit Streitkolben bewaffnete Mann in silbern glänzender Rüstung, der wie so häufig bei dem Dresdner Maler einer seltsamen erotischen Fantasie entspringt (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Genauso bizarr zeigt sich der Symbolist Müller in dem 1926 datierten Gemälde „Fliegender mit Fledermaus“, wo ein nackter Jüngling fliegend einer überdimensionierten Fledermaus folgt und beide hoch über den Wolken einen eigenwilligen Lufttanz aufführen (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Ludwig von Hofmanns stilisierter „Stehender Weiblicher Akt“ auf schwarzem Grund mit Blütengirlanden (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR) bildet ein ruhiges Pendant zu seinen ins Wasser stürmenden „Frauen am Meer“ von 1908 (Taxe 16.000 bis 18.000 EUR).
Die Auktion „Kunst des 19. Jahrhunderts“ beginnt am 30. November um 15 Uhr. Die Objekte können bis zum 28. November täglich von 10 bis 18 Uhr, am 29. November von 10 bis 15 Uhr besichtigt werden. Der Internetkatalog ist unter www.grisebach.com abrufbar. | | Kontakt: Grisebach Fasanenstraße 25 DE-10719 Berlin |
| Telefon:+49 (030) 885 91 50 | Telefax:+49 (030) 882 41 45 | | | E-Mail: auktionen@grisebach.com | | Startseite: www.grisebach.com |
24.11.2023 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/S. Hoffmann | |
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Jean Antoine
Théodore Gudin, Die
Rialtobrücke in
Venedig | | Taxe: 8.000 - 12.000 EURO Zuschlag: 8.000,- EURO Losnummer: 108 | | | | | |
Carl Maria Nicolaus
Hummel,
Alpenlandschaft, um
1850 | | Taxe: 4.000 - 6.000 EURO Zuschlag: 4.000,- EURO Losnummer: 128 | | | | | |
Friedrich Pecht,
Selbstporträt im
Atelier | | Taxe: 4.000 - 6.000 EURO Zuschlag: 7.000,- EURO Losnummer: 122 | | | | | |
Anton von Werner,
Figurenstudien,
1886 | | Taxe: 3.000 - 4.000 EURO Zuschlag: 6.500,- EURO Losnummer: 137 | | | | | |
Alexandre Calame,
Gorge de montagnes
éclairées au soleil
couchant, um 1840 | | Taxe: 30.000 - 40.000 EURO Losnummer: 151 | | | | | |
Heinrich Reinhold,
Landschaft oberhalb
von Subiaco | | Taxe: 20.000 - 30.000 EURO Zuschlag: 22.000,- EURO Losnummer: 114 | | | | | |
Carl Johann
Spielter, Häuser auf
Capri, 1880 | | Taxe: 4.000 - 6.000 EURO Losnummer: 106 | | | | | |
Caspar David
Friedrich,
Karlsruher
Skizzenbuch, 1804 | | Taxe: 1.000.000 - 1.500.000 EURO Zuschlag: 1.450.000,- EURO Losnummer: 10 | | | | | |
Théodore Rousseau,
wohl Felswand mit
zeichnendem
Künstler | | Taxe: 30.000 - 40.000 EURO Losnummer: 116 | | | | | |
Charles-François
Daubigny, Peintre à
son Chevalet.
Auvers, 1843 | | Taxe: 40.000 - 60.000 EURO Losnummer: 115 | | | | | |
Max Klinger,
Porträtstudie
(Penelopé?) | | Taxe: 5.000 - 7.000 EURO Zuschlag: 4.000,- EURO Losnummer: 142 | | | | | |
Edouard Vuillard,
Acteur en costume
(Coquelin Cadet), um
1892 | | Taxe: 1.800 - 2.400 EURO Zuschlag: 1.800,- EURO Losnummer: 155 | | | | | |
Franz von Lenbach,
Porträt einer jungen
Frau (Lida Mitchel
Fenton?), 1893 | | Taxe: 5.000 - 7.000 EURO Zuschlag: 3.000,- EURO Losnummer: 136 | | |
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