 |  | Stanislaw Kubicki, Der Heilige und die Tiere III, um 1932 | |
Stanislaw Kubicki macht sich auf dem Kunstmarkt rar. Einschlägige Datenbanken mit Auktionsergebnissen listen aus den vergangenen zwei Dekaden gerade einmal bis zu 60 Positionen des 1889 im nordhessischen Ziegenhain geborenen deutsch-polnischen Malers, Dichters und Schriftstellers. Ein größeres Konvolut an Zeichnungen und Arbeiten auf Papier schwappte im Juni 2015 bei K & K Auktionen in Heidelberg erfolgreich über das Auktionspult. Malerische Hauptwerke aus dem Nachlass seiner Familie stehen erst seit dem vergangenen Jahr zum Verkauf, alle im Berliner Auktionshaus von Irene Lehr. Dabei gehörte Kubicki, der schon 1942 während der Kriegswirren wohl in Warschau starb, in der Weimarer Republik zur Avantgarde der Berliner Kunstszene und zum Programm von Herwarth Waldens renommierter Galerie „Der Sturm“. Das schlägt sich heutzutage auch im Wert seiner Bilder nieder. So schwang sich sein Gemälde „Der Heilige und die Tiere III“, in dem Kubicki um 1932 sein lyrisch-mystisches Weltverständnis durch stakkatohafte kurze Pinselstriche und prismatisch aufgebrochene Strukturen darlegte, bei Irene Lehr von 120.000 Euro zum neuen Kubicki-Spitzenpreis von 170.000 Euro auf.
Auch das zweite Werk Stanislaw Kubickis platzierte sich bei Irene Lehr gewinnbringend. Aus den 40.000 Euro für seinen noch weiter abstrahierten, prismatisch zerlegten und rot „Blühenden Kaktus“ wurden in Berlin 125.000 Euro. Seine Frau Margarete Kubicka beteiligte sich am 28. Oktober mit zwei bunten Aquarellen ebenfalls an der Auktion: während die auf Hände und Steine konzentrierte dynamische „Steinigung des Stephanus“ von 1927/28 von 3.000 Euro auf 6.500 Euro zulegte, fiel die philosophische Durchgangsszene „Der Mensch öffnet und verstellt sich das Offene (Gefahr)“ um 1950 auf 3.000 Euro zurück (Taxe 4.000 EUR). Dennoch kann Irene Lehr auf ihre mit gängigen, aber auch häufig ausgefallenen Positionen bestückte Versteigerung zufrieden zurückblicken: die Verkaufsrate lag wie schon gewohnt bei außerordentlich hohen 95 Prozent, der Bruttoumsatz bei knapp 2,75 Millionen Euro, und der Kubicki-Rekord blieb nicht der einzige der Veranstaltung. Auch bei Peter Graf verschob sie die Messlatte ein schönes Stück nach oben. Dafür war das exzeptionelle Werk „Über’s malen nach der Arbeit“ aus dem Jahr 1968 verantwortlich. Neben der Befragung der eigenen Existenz verhandelt der 1937 in der DDR geborene Künstler darin auch das Zeitgeschehen jener Jahre mit einer Andeutung auf den Prager Frühling, der auch den Bürgern in der DDR zunächst Hoffnung auf einen politischen Umschwung machte. Dieses sowohl persönliche, als auch staatstragende Gemälde war mit 8.000 Euro günstig bewertet und kletterte letztlich auf 76.000 Euro.
Im Auf und Ab der Käuferlust
Bei zwei weiteren Werken drang die Auktion mit jeweils 120.000 Euro in die Sechsstelligkeit vor. Während Otto Dix für seine halbnackte, kaum mehr erotische „Sphinx“ von 1925 mit überdimensionierten Hängebrüsten einen deutlichen Abschlag um 60.000 Euro hinnehmen musste, freute sich Franz Radziwill über einen Zuwachs von 30.000 Euro, der seinem magisch-realistischen, unheimlich-bedrohlichen Gemälde „Die große Arngast“ von 1965 mit der nicht mehr existenten Insel im Jadebusen galt. Dagegen musste sein frühes stimmungsvolles Winterbild „Vogel am vereisten Fenster“ von 1928 bis zum Nachverkauf warten, um bei 30.000 Euro erlöst zu werden (Taxe 40.000 EUR). Bei dem Beckmann-Schüler Karl Tratt war die Nachfrage gleichfalls ambivalent. So verbesserte sich sein noch näher an seinem Lehrer orientierter „Ausblick aus dem Fenster“ der Städelschule von 1929 auf 14.000 Euro (Taxe 6.000 EUR), sein experimenteller Blick auf den „Frankfurter Hauptbahnhof“ um 1927 macht sich schon bei 9.000 Euro davon (Taxe 10.000 EUR).
Die hohe losbezogene Zuschlagsquote war nicht zuletzt den oft günstigen Bewertungen sowie den Zuschlägen am Limit oder im Nachverkauf geschuldet. Das erfuhren bei der modernen Kunst etwa noch Christian Rohlfs’ charakteristisches Stillleben „Begonien in einer Schale“ von 1926 bei 12.000 Euro (Taxe 18.000 EUR), Gustav Klimts intime Bleistiftzeichnung „Freundinnen sitzend“ von 1903/04 bei 18.000 Euro, Alberto Giacomettis dichtes Liniengeflecht auf der Kugelschreiberzeichnung „Im Wohnzimmer in Stampa“ von 1958 mit der nähenden Mutter Annetta bei 19.000 Euro (Taxe je 20.000 EUR) oder Erich Heckels kantiger Farbholzschnitt „Männerbildnis“ von 1919 bei 20.000 Euro (Taxe 30.000 EUR). Heckels weiteres Selbstbildnis „EH“, ein schwarzweißer Holzschnitt von 1917, legte auf niedrigem Niveau hingegen von 1.500 Euro auf 2.800 Euro zu. Bei Lovis Corinths spontanem Aquarell des winterlichen Walchensees im Schnee von 1923 stoppten die Gebote schon bei 26.000 Euro (Taxe 30.000 EUR), ebenso bei Gerhard Marcks’ klassisch inspirierter Bronze der „Stehenden Gewandfigur“ bei 12.000 Euro (Taxe 15.000 EUR).
Die Unbekannten punkten
Die Sammlerschaft suchte eher nach dem Ungewöhnlichen und griff dann beherzt zu, so bei einigen Arbeiten der Neuen Sachlichkeit. Aimé Barrauds spätes Selbstbildnis „L’Atelier“ von 1951 beim Malen mit Palette reüssierte für 16.000 Euro (Taxe 6.000 EUR), ebenso wie das charmante Kinderbildnis „Claus“ des völlig unbekannten Malers Benjamin Godron aus dem Jahr 1926 bei 9.500 Euro (Taxe 800 EUR) oder Georg Scholz’ ein Jahr jüngeres „Portrait eines Studenten“, hinter dem ein gewisser Carl Schwarz mit fast schon pinocchiohaft auskragender Nase im Profil steht, bei 25.000 Euro (Taxe 6.000 EUR). Mit seiner Gouachestudie zweier kosmischer Figuren am Fluss von 1915 gesellte sich August Babberger bei 4.500 Euro gewinnbringend hinzu (Taxe 1.500 EUR), ebenso Josef Eberz mit seiner expressiven „Heidelberger Kreuzigung“ von 1914 bei 20.000 Euro (Taxe 18.000 EUR) und vor allem Adolf Erbslöh mit seinem ruhigen „Winter“-Blick auf verschneite Dächer einer Stadt von 1910 bei 74.000 Euro (Taxe 25.000 EUR). Ernst Mollenhauers spätexpressionistische bäuerliche Landschaft „Nach Sonnenuntergang“ von 1959 konnte ihren Wert auf 7.000 Euro verdoppeln, ebenfalls fast Wilhelm Schnarrenbergers gekippte Perspektive auf der Leinwand „Karierte Decke und Stillleben“ von 1949 auf 7.500 Euro. Auch Rolf Nesch ließ sich mit seiner 1924 in Kirchner-Manier gemalten „Schweizer Landschaft mit See“ bei 34.000 Euro nicht lumpen (Taxe 20.000 EUR), genauso Christoph Voll mit seinem farbintensiven Aquarell „Mönch und Nonne“ von 1921, ein Reflex auf seine traumatischen Erinnerungen in einem katholischen Waisenhaus im Bayrischen Wald, bei 13.000 Euro (Taxe 5.000 EUR).
Als Zeichner machten Peter August Böckstiegel mit seinem Portrait von Elise Becker, Gattin des Bielefelder Mäzens Heinrich Becker, bei 2.800 Euro (Taxe 750 EUR) und Otto Griebel mit seinem zart aquarellierten, nachdenklich hockenden Frauenakt von 1926 bei 2.700 Euro auf sich aufmerksam (Taxe 1.000 EUR). George Grosz notierte für seine Tusche-Karikatur „Hochzeitsnacht“, auf der die beiden SPD-Politiker Friedrich Ebert und Gustav Noske als frisch angetrautes Paar beim Liebesspiel im Bett zu sehen sind, gute 5.400 Euro (Taxe 5.000 EUR). Ernst Ludwig Kirchner war mit mehreren Zeichnungen aus der Sammlung G.F. Büchner vertreten, die zwischen 16.000 Euro für einen mit wenigen Linien ausformulierten „Liegenden Mädchenakt“ von 1908/09 (Taxe 12.000 EUR) und 2.000 Euro für eine Balletttänzerin bei der Garderobe um 1911 erwirtschafteten (Taxe 3.000 EUR). Otto Muellers statisch „Sitzender Mädchenakt“ in brauner Kreide aus den späten 1920er Jahren verzeichnete 15.000 Euro (Taxe 6.000 EUR). Kleine Ghosties von Lyonel Feininger machten sich 1955 auf einem aquarellierten Tuscheblatt zur „Brautschau“ und zu 21.000 Euro auf (Taxe 9.000 EUR).
Nachkriegskunst mit Wehmutsfaktor
Aus der Nachkriegszeit gab es einige triste Stadtveduten, darunter Max Radlers neusachlicher Blick in eine kaum belebte, frei erfundene „Kleinstadtstraße“ von 1950 mit der Landshuter Martinskirche als Fluchtpunkt für 6.000 Euro (Taxe 5.000 EUR), Walter Kohlhoffs 1959 gemalte, fast menschenleere Straße an der „Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche“ für 1.500 Euro und Dieter Kraemers aus der Perspektive gefallene „Berliner Landschaft mit Schlagbaum“ von 1962 für 900 Euro (Taxe je 750 EUR). Entdeckerfreude wurde bei der Berliner Malerin Brigitte Krüger wach, die 1979 früh verstarb und heute völlig vergessen ist. Ihre 1976 in einem neusachlich distanzierten Stil in den Blick genommene Gaststätte „Zum letzten Taler“, ein abbruchreifes Haus mit schwarzen Fensterhöhlen in Berlin, verzehnfachte mit 3.000 Euro ihre Schätzung. Max Peiffer Watenphuls elegische Palastfassade mit zwei Gondeln auf einem Kanal in Venedig von 1954 gesellte sich schon bei 10.000 Euro hinzu (Taxe 15.000 EUR).
Aus den grafischen und keramischen Arbeiten Pablo Picassos ragten seine linienbetonte schwarzweiße erotische Lithografie „Le jeu du Taureau“ von 1954 für 7.500 Euro (Taxe 5.000 EUR) und der farbbetonte kraftvolle Linolschnitt „Le vase de fleurs“ von 1959 für 21.000 Euro heraus (Taxe 12.000 EUR). Aus Frankreich nahm etwa noch Pierre Soulages mit seiner schwarz-braunen rhythmischen Balkenstruktur der „Lithographie no. 14“ von 1964 für 16.500 Euro teil (Taxe 15.000 EUR). Während Hans Uhlmann in seiner bei 15.000 Euro taxgerecht übernommenen Bronze „Verwandlung“ von 1948/49 noch auf organisch-amorphe Wachstumsformen setzte, ging er zehn Jahre später bei seiner stählernen „Gruppierung“, die 22.000 Euro einspielte, mit Dreiecken zu einer geometrischen Abstraktion über (Taxe 20.000 EUR). Ungegenständlich blieb es im Bildhauerischen mit Lynn Chadwicks zackiger Bronze „Spilt IV“ von 1964/65 für 15.000 Euro, im Malerischen mit Alexander Calders Gouache „Striped crescent moon“ von 1965 mit Kreis-, Spiral- und Kreuzformen für 30.000 Euro jeweils zu den unteren Erwartungen.
Auf neuen Kunstwegen
Beliebt waren Jiri Hilmars aus positiven und negativen Strukturen gebildeten „Optischen Reliefs“, so seine schwarz-weiße serielle Reihung „Obsah 022/971“ von 1971 bei 16.000 Euro (Taxe 8.000 EUR) oder seine gefaltete und collagierte „Anwachsende Struktur“ von 1974 bei 17.000 Euro (Taxe 6.000 EUR). Auch Hartmut Böhms weißes Op-Art-Objekt „Quadratentwicklung“ von 1972 drang für 4.200 Euro von der planen Ebene in den Raum vor (Taxe 3.500 EUR). Rolf Glasmeier suchte in dieser Zeit nach neuen Gestaltungselementen und fand sie in Gegenständen eines Kaufhaussortiments. Mit Lichtschaltern, Mausefallen, Antennen, Fenstergriffen oder Papierrollenhalterungen schuf er seine „Kaufhaus Objekte“. Sieben von ihnen listete der Katalog und wurde sie alle los, wobei sein Objekt mit metallischen Fenstergriffen auf schwarzer Spanplatte bei 4.000 Euro am besten abschnitt (Taxe 5.000 EUR). Walter Giers entfernte sich 1972 mit seiner elektronischen Klang- und Lichtstele „Trio“ desgleichen weit von den üblichen Gattungen der Kunst und hatte mit dieser funktionstüchtigen „Musikmaschine“ bei 2.400 Euro Erfolg (Taxe 1.500 EUR).
Einer der Hauskünstler bei Irene Lehr ist Gerhard Altenbourg, der diesmal acht Losnummern zur Verfügung stellte, angeführt von den 9.500 Euro für sein schemenhaftes, enigmatisches Aquarell „Büste im Begriff, hinfällig zu werden“ aus dem Jahr 1960 (Taxe 7.000 EUR) und den 11.000 Euro für seine ebenfalls kleinteilig ziselierte, aber weitaus buntere Ansicht eines „Bergklosters“ von 1955 (Taxe 12.000 EUR). Weitere Maler aus der DDR redeten in der Auktion ein Wörtchen mit, so Eberhard Göschel mit einer silbrig braunvioletten Landschaftserinnerung von 1986 bei 11.000 Euro (Taxe 6.000 EUR), Hans-Hendrik Grimmling mit seinem gequälten Figurenverschnitt „Kleine Nachtstudie“ in Rot auf schwarzem Grund von 1981 bei 4.600 Euro (Taxe 800 EUR), Clemens Gröszer mit seinem an der Neuen Sachlichkeit geschulten „Stillleben mit venezianischer Maske“ von 2006 bei 9.000 Euro (Taxe 4.000 EUR), Otto Möhwald mit seinem vor einer weiten Landschaft einsam stehenden Rückenkat aus dem Jahr 1993 bei 5.200 Euro (Taxe 2.000 EUR) oder Volker Stelzmann mit seiner städtischen Figurenszene „Die Schlinge“, einer Studie von 2007 zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, bei 18.000 Euro (Taxe 10.000 EUR). Zu den Vertreter des Kritischen Realismus zählt der 1945 in Radebeul geborene Klaus Vogelgesang, was man seiner nicht gerade zimperlichen Zeichnung „An der Mauer“ mit barbusiger, energischer Frau, debil blickendem Hund und aggressivem Mann auch sofort ansieht. Das großformatige, fast 1,5 Meter im Quadrat messende Blatt von 1977 stieg von 1.500 Euro auf 8.200 Euro.
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |