 |  | Luigi Querena, Venedig. Ein Blick auf den Canal Grande vom Palazzo Cavalli-Franchetti mit Santa Maria della Salute in der Ferne, 1867 | |
Im Wiener Dorotheum bestreiten die Venedig-Veduten regelmäßig den Auftakt der Auktion „Gemälde des 19. Jahrhunderts“. So war es auch diesmal. Doch während sonst schon hier der Hammer häufig auf Auktionspult schlug, blieben diesmal die Gebote reihenweise aus, weder bei Giuseppe Bernardino Bisons biedermeierlichem Blick in den Canal Grande mit dem Palazzo Grimani nach 1814/15 für 90.000 bis 110.000 Euro, noch bei Luigi Querenas belebter Ansicht des Molo San Marco vor dem Palazzo Ducale mit der Ponte della Paglia aus dem Jahr 1881 für 60.000 bis 80.000 Euro oder bei Carlo Grubacs’ effektvoll beleuchtetem nächtlichem Fest auf dem Canal Grande vor der Ca’ d’Oro bei Mondschein nach der Befreiung der Stadt von der habsburgischen Fremdherrschaft trotz reduzierter Preisvorstellung von 110.000 bis 140.000 Euro. Fehlanzeige auch bei den niedrig bewerteten Venedig-Ansichten. Lediglich Querenas sonniger Tag im Canal Grande mit dem neugotischen Palazzo Cavalli-Franchetti am Ponte dell’Accademia und Santa Maria della Salute in der Ferne schlich sich wenig später zur unteren Schätzung von 70.000 Euro beinahe geräuschlos davon.
Nach dieser anfänglichen Durststrecke ging es am 24. Oktober in Wien erstmal verhalten los. Hugues Merles biblische Erzählung „Esther vor Ahasveros“ aus dem Jahr 1875, die das Bild der Frau in makelloser Schönheit zum Thema hat, verabschiedete sich als erste Position schon bei 55.000 Euro (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Wladyslaw Czachorskis junge elegante Dame samt Blumenkorb vor einer Bergkulisse, die etwas unmotiviert als „Junge Blumenverkäuferin“ ausgewiesen wurde, kam nicht über ihre untere Schätzung von 120.000 Euro hinaus, ebenso wie Giovanni Sottocornolas kleine „Pfirsichverkäuferin“ von 1888, die hinter ihrem Stand eingenickt ist, über die ihre von 30.000 Euro. Während Frédéric Soulacroix’ „L’élégante“ im sonnengelben Seidenkleid schon bei 11.000 Euro hinter dem Vorhang verschwand (Taxe 15.000 bis 18.000 EUR), konnte Vicente Palmaroli González’ Sommerfrischlerin mit Fernglas „An der Uferpromenade“, die sehnsüchtig von einem jungen Herrn angestarrt wird, die in ihre gesetzten Hoffnungen mit 15.000 Euro mehr als erfüllen (Taxe 12.000 bis 13.000 EUR). Auch Friedrich von Amerlings nachdenkliches idealisiertes „Italienisches Mädchen“ ließ sich bei 26.000 Euro nicht lumpen (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR).
Der Franzose François Guiguet hatte sich ebenfalls der Weiblichkeit verschrieben und fand seine Modelle häufig in seinem Familienkreis. In der Versteigerung war er mit acht Gemälden und Zeichnungen vertreten, von denen sechs weggingen, mit einem liebreizenden einfachen Mädchen an einem schlichten Esstisch, das gedankenverloren zum Betrachter blickt, für 15.000 Euro an der Spitze (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Die Gemälde, bei denen es im Dorotheum einmal richtig durch die Decke ging, konnte man an einer Hand abzählen. So rauschten die vier jungen Damen, die Ulisse Caputo „In der Oper“ etwas gelangweilt und abgelenkt der Aufführung in ihrer Loge beiwohnen ließ, von 20.000 Euro auf 48.000 Euro. Eine noch bessere Preisentwicklung verzeichnete Richard Karlovich Zommer mit seiner Menschenmenge vor der Sher-Dor-Madrasa in Samarkand, die gebannt einem Redner lauscht. Das diesmal lediglich mit Männern besetzte Gemälde kletterte von 15.000 Euro auf 90.000 Euro, ein nicht allzu häufig erzielter Preis für den 1866 in München geborenen Maler. So hoch ging es bei Ludwig Hans Fischer und seiner stimmungsvollen „Dämmerung über dem Taj Mahal“ nicht hinaus; dennoch konnte sich der Österreicher über 21.000 Euro freuen (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Doch nicht alle Orientalisten stießen auf Gegenliebe. So musste Alphons Leopold Mielich mit seinem farbenfrohen „Teppichhändler“ wieder den Heimweg antreten (Taxe 70.000 bis 90.000 EUR).
Fausto Zonaro entführte dann zu den Hängen von Üsküdar in Istanbul und positionierte die in den 1850er Jahren errichtete Dolmabahçe-Moschee ins Bildzentrum, was ihm nun 60.000 Euro einbrachte (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Der Italiener war außerdem mit seiner ausgelassen „Coda de Diavolo“, einem beliebten Kinderspiel der italienischen Landbevölkerung, vertreten, das allerding nur 90.000 Euro erreichte (Taxe 100.000 bis 160.000 EUR). Mehr gefragt war Spätklassizismus in Johann Nepomuk Schödlbergers südlicher arkadischer Landschaft von 1809 mit einer Brücke und einer Figurengruppe beim Musizieren für 20.000 Euro (Taxe 18.000 bis 22.000 EUR) oder das biedermeierliche Bildnis des gemütlich blickenden Friedrich Eltz in schwarzer Kleidung von Ferdinand Georg Waldmüller aus dem Jahr 1836 für 32.000 Euro (Taxe 12.000 bis 16.000 EUR). Während Leopold Zinnöggers reiches Blumenarrangement aus Rosen, Tulpen, fliederfarbenen Hyazinthen, Narzissen, Iris, Nelken und Königskrone aus dem Jahr 1838 bei 30.000 bis 40.000 Euro liegenblieb, reüssierte Franz Xaver Petters charmantes Waldbodenstück mit Margeriten, Schlüssel- und Pusteblumen aus dem Jahr 1858 bei 20.000 Euro (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR).
Der gebürtige Kärntner Markus Pernhart, ein Maler der heimatlichen Bergwelt, die er mit hoher Präzision und geografischer Exaktheit abkonterfeite, war der Star der Landschaftsmalerei. Sein weites Rundum-Panorama von der Spitze des Mangart in den Julischen Alpen, das in den 1860er Jahren direkt beim Künstler erworben und nun marktfrisch von einer österreichischen Privatsammlung eingeliefert wurde, sollte mit einer Schätzung von 160.000 bis 220.000 Euro an den Dorotheum-Rekord für Pernhart von 230.000 Euro anknüpfen. Doch auch hier stoppten die Gebote schon am unteren Schätzrand. Einige günstig bewertete böhmische Maler hatten da mehr Erfolg, so Antonín Liehm mit seinem 1858 gemalten Blick auf ein Wehr des Flusses Sasau mit der Burg Ceský Šternberk im Hintergrund bei 14.000 Euro (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR) oder Julius Eduard Marák mit seiner unspektakulären Partie an der Waag von 1865 bei 20.000 Euro (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). Auch Eduard von Grützners typischer feister „Falstaff mit Krug und Glas“ schwang sich von 10.000 Euro zu 16.000 Euro auf; allerdings hatte er 2017 bei Neumeister in München schon einmal 20.000 Euro netto eingefahren.
Dann überzeugte noch der Realismus bei Jozef Israëls’ Familie, die in der spartanischen Stube vor dem Mittagessen betet, zu 38.000 Euro (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Schon dem Impressionismus sind José Mongrells Fischer beim Flicken der Netze neben ihrem Boot am Strand verpflichtet. Doch der Spanier kam nicht über 30.000 Euro hinaus (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Der österreichische Stimmungsimpressionismus, der die Auktion beschloss, lag den Kunden in Wien mehr am Herzen, vor allem die Malerinnen: Tina Blaus sonnendurchflutete frühlingshafte Praterlandschaft, einst im Besitz von Kaiser Franz Joseph, kam auf taxgerechte 90.000 Euro, Olga Wisinger-Florians sommerliche Darstellung eines üppig mit lilafarbenen Glyzinien bewachsenen Laubengangs in Abbazia honorierten die Sammler mit 74.000 Euro (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR), und Lea von Littrows fast schon abstrakt in die Farbe aufgelöste südliche Landschaft an der Adria mit Meerblick zeigte sich mit 55.000 Euro überraschend zugkräftig (Taxe 28.000 bis 35.000 EUR). Doch mit einer losbezogenen Verkaufsrate von 61,5 Prozent rangiert die Auktion 15 Prozentpunkte unter der des Frühjahres, und auch der Nettoumsatz gab von 4,2 Millionen Euro auf 2,2 Millionen Euro deutlich nach.
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |