Eine Tischdecke der Beatles in Frankfurt | | Tischtuch der Beatles und Joan Baez, 1969 | |
Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt verzeichnet einige Neuzugänge, zu denen ein von den Beatles und Joan Baez mit Zeichnungen versehenes Tischtuch gehört. Die weiße Baumwolldecke erzählt von einer Episode aus der Bandgeschichte der Beatles. Das Tuch mit Autogrammen und Zeichnungen der britischen Band und der amerikanischen Folk-Sängerin entstand vor dem letzten offiziellen Konzert der Beatles am 29. August 1966 im Candlestick Park in San Francisco. Die Umkleideräume des Football- und Baseball-Stadions dienten den Musiker*innen zum Speisen. Während sie am Tisch in der Umkleidekabine saßen und darauf warteten, auf die Bühne zu treten, malten John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr und Joan Baez ihre Porträts, Gesichter, Augen und undefinierbaren Wesen auf das Tischtuch und setzten ihre Autogramme darunter. Joe Vilardi, dessen Firma die Musiker*innen verpflegte, hängte die bemalte Decke nach dem Konzert in sein Schaufenster. Kurze Zeit später wurde sie gestohlen und war lange Jahre verschollen. Mehr als 50 Jahre später erhielt Michael Vilardi, Joe Vilardis Enkel, einen Anruf aus Texas von einer Person, die das Tischtuch besaß, nachdem ein Familienangehöriger es in den 1970er Jahren als Ersatz für eine Schuld erhalten hatte. Das Tischtuch wurde dem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben, der es im Jahr 2022 versteigern ließ. Nun ist es in Frankfurt gelandet.
Neben der Tischdecke, die ab Ende Februar in der Schau „Elementarteile“ zu sehen ist, gehören zu den Neuzugängen auch der Seidenvorhang „Warum Frauen gerne Stoffe kaufen, die sich gut anfühlen“ von Olaf Nicolai, der „Mirror Chair“ von Kai Linke und eine Henkelkanne mit Deckel des Frankfurter Architekten und Entwerfers Ferdinand Kramer von 1923/24. Sie war Teil eines Ensembles aus Kochtopf, Milch- und Teekanne, einem Kohlekasten und Kamingerät. Kramer gestaltete die Kanne aus Kupfer, Eisenblech oder Messing für den Frankfurter Metallbaubetrieb Emil Graf. Hierbei folgte er seinen Prinzipien der Langlebigkeit, der schlichten Form, günstigen Materialien und einer wertigen Herstellung. Die Zielgruppe waren Käufer*innen, die sparsam mit ihrem Geld umgehen und sich dennoch geschmackvoll einrichten wollten. Mit seinen einfachen und praktischen Gegenständen für den kommunalen Wohnungsbau Frankfurts sowie einzelnen Gebäuden steht Ferdinand Kramer für eine demokratische Gestaltungsmoderne am Main.
Eher Kommentar und weniger Nutzgegenstand ist Kai Linkes „Mirror Chair“. Der in Frankfurt lebende Designer geht bei seinen Gestaltungslösungen vielfach von den Eigenschaften des Materials aus: gießfähig, biegsam oder fest, spiegelnd, opak oder transluzent. So weisen seine Entwürfe häufig über die Funktion hinaus auf den semantischen Charakter von Dingen. Der „Mirror Chair“ besteht aus zwei miteinander verschmolzenen Monobloc-Plastik-Stühlen. Einerseits ist das Objekt als Stuhl gut erkennbar, andererseits kann er als solcher nicht mehr genutzt werden, ein Niederlassen auf der Sitzfläche ist unmöglich.
Jüngster Neuzugang ist Olaf Nicolais farbintensiver Seidenvorhang „Warum Frauen gerne Stoffe kaufen, die sich gut anfühlen“, den er 2010 in Crimmitschau, einem Zentrum der sächsischen Textilproduktion im 19. Jahrhundert, weben ließ. Der Titel zitiert in freier Übersetzung eine Studie von Elias Smith aus dem Jahr 1937, die sich mit dem Verhalten von Konsumentinnen beim Kauf von Stoffen beschäftigt. „Elias Smith“ ist ein Pseudonym, das der Soziologe Paul Felix Lazarsfeld nach seiner Emigration in die USA annahm. Mit Marie Jahoda und Hans Zeisel verfasste er die erste Langzeitstudie über die Folgen von Arbeitslosigkeit im 20. Jahrhundert: „Die Arbeitslosen von Marienthal“, die als Meilenstein in der Entwicklung der empirischen Sozialforschung. Sie diente Nicolai für sein Netz von Referenzen, das vom Untergang der Textilindustrie über die Entwicklung von Bedürfnissen der Konsument*innen bis hin zu psychologischen Studien über die taktile Wahrnehmung von Stoffen reicht. |