| | Marianne Brandt, Teeextraktkännchen MT49/ME8, 1924 | |
László Moholy-Nagy pries sie als „meine genialste Schülerin“ und meinte damit Marianne Brandt. Nach einem Malereistudium an der Hochschule für Bildende Kunst und einer anschließenden Bildhauerausbildung in Weimar ging die 1893 in Chemnitz geborene Künstlerin zum Wintersemester 1923/24 an das noch junge Staatliche Bauhaus und trat in die Metallwerkstatt ein. Schnell machte Brandt mit ihren Ideen für Prototypen von Krügen, Gefäßen und Leuchten auf sich aufmerksam, die bis heute zu den Ikonen des Bauhauses zählen. Dazu gehört etwa ihr „Teeextraktkännchen MT49/ME8“, das sie 1924 zu Beginn ihrer Ausbildung am Bauhaus in einer Reduktion auf die Grundformen von Kreis und Kugel entwarf. Das zeitlos schöne Kännchen ging niemals in Serie. Bislang waren acht Ausführungen in verschiedenen Materialien bekannt, die sich allesamt in internationalen Sammlungen wie dem New Yorker Metropolitan Museum, dem British Museum in London oder in der Klassik Stiftung Weimar befinden. Nun kommt ein neuntes Exemplar hinzu, das hundert Jahre nach seiner Entstehung bei Lempertz versteigert wird.
Marianne Brandt experimentierte bei dem Teeextraktkännchen mit unterschiedlichen Werkstoffen. Neben zwei Ausführungen in Silber sind Versionen in der Kupferlegierung Tombak oder in Messing bekannt. Das Kännchen in der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg besteht aus Bronze mit einer Tülle aus Neusilber. Das Stück, das Lempertz nun in seiner Kunstgewerbeauktion offeriert, ist aus Neusilber mit einem Griff und einem Knauf aus ebonisiertem Holz gefertigt. Auch die Provenienz ist von Belang: Brandt schenkte das Kännchen in den 1970er Jahren einer Chemnitzer Freundin, die es an ihre Nachkommen weitergab. Der Briefwechsel der beiden Frauen hat sich im Berliner Bauhaus-Archiv erhalten. Schon 1996 konnte Lempertz eines von Brandts Kännchen für hohe 317.000 D-Mark veräußern. Daran orientiert sich nun die Schätzung von 200.000 bis 250.000 Euro.
Junger und alter Silberglanz
Ein weiteres Objekt aus dem frühen 20. Jahrhundert lässt preislich die Silberpreziosen aus Renaissance und Barock weit abgeschlagen hinter sich: Eine seltene Jugendstil-Kassette von Josef Hoffmann aus der Wiener Werkstätte. Dabei hat der Mitbegründer dieser Künstlergruppe um 1910 lichtdurchlässige Scheiben aus grünbraun marmoriertem Moosachat in eine schmale Silberrahmung mit grafischen Friesen eingesetzt und die komplett silbernen Seitenteile mit einem Palmettendekor überzogen. Auch hierfür wird der Tageshöchstpreis von 200.000 bis 250.000 Euro fällig. Neben bekannten Namen wie Georg Jensen, Emil Lettré oder Henning Koppel tut sich beim Silber des 20. Jahrhunderts eine weitere Gestalterin hervor. Die gefeierte Paula Straus, die unter anderem den Grand Prix der Weltausstellung in Barcelona von 1929 erhielt, als Jüdin 1939 aber mit einem Arbeitsverbot belegt und 1943 in Auschwitz ermordet wurde, war zwischen 1925 und 1933 für die Heilbronner Silberwarenfabrik Bruckmann & Söhne tätig. Hier konzipierte sie einen schlichten ovalen Tafelaufsatz mit zu Gruppen angeordneten Kugelfüßen samt stilisierten Rosetten, der nun für 2.800 bis 3.000 Euro bereitsteht.
Das alte Silber startet am 15. Mai in Köln mit einem wohl süddeutschen Häufebecher der Renaissance auf drei Cherubfüßen, der mit drei gravierten Landsknechtsportraits verziert und in gütlicher Einigung mit den Erben der jüdischen Sammlerin Margarete Oppenheim für 14.000 bis 18.000 Euro angeboten wird. Darauf folgt mit gleicher Bewertung ein prächtiger schlesischer Deckelhumpen mit den Wappen der Familien von Biberaw, Zedlitz und Raab zwischen Fruchtgebinden und Landschaftsdarstellungen, der dem Breslauer Goldschmied Veit Koch um 1610/20 zugewiesen wird. Für einen weiteren musealen Humpen versicherte sich der Nürnberger Meister Johann Eißler der Mitarbeit eines Elfenbeinschnitzers, wohl von Johann Michael Hornung aus Schwäbisch Hall, der für das dramatische Reitergefecht gegen osmanische Krieger auf der Wandung zuständig ist (Taxe 35.000 bis 40.000 EUR). Die Verspieltheit des Rokoko spricht aus einer kleinen Augsburger Terrine, die Emanuel Gottfried Meisgeyer 1767/69 mit ziselierten Blütenranken und einem plastischen Knauf aus gegossenen Früchten und Schoten verzierte (Taxe 9.000 bis 12.000 EUR). Auch der Historismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts meldet sich eindrucksvoll zu Wort, etwa mit einer Prunkplatte aus Bergkristall und Email aus dem 1870er Jahren, eine Spezialität des Wiener Silberschmieds Hermann Ratzersdorfer (Taxe 18.000 bis 24.000 EUR), oder mit einem jagdlicher Tafelaufsatz samt gestrengem heiligem Hubertus, bei dem sich Jean L. Schlingloff aus Hanau um 1903 ebenfalls von Renaissance-Vorlagen inspirieren ließ (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Beim Porzellan herrscht Meißen vor
Anschließend kommt das Porzellan an die Reihe, wobei die Meißner Manufaktur die meisten und wichtigsten Objekte stellt. In die 1730er Jahre datieren etwa eine vierkantige seladongrüne Sakeflasche mit Kakiemondekor in den Reserven, die einst im Japanischen Palais in Dresden stand (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR), eine Vase in Stangenform mit trichterartiger Mündung und bauchiger Mitte, die drei kleine Landschaftsinseln mit Päonienblüten, Reisstrohbündel und Insekten nach asiatischem Vorbild zieren (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR), oder zwei exzentrische bunte Hahnenkannen mit Deckel samt Hasenknauf nach Modellen von Johann Joachim Kändler für jeweils 8.000 bis 10.000 Euro. Ein weiteres Meißner Glanzstück aus den 1730er Jahren ist ein zunächst unscheinbares Vasenpaar mit chinoisem, rein weißem Reliefdekor. Es trägt aber ein seltenes Alchemistenzeichen für Schwefel, weshalb die Erwartung mit 45.000 bis 70.000 Euro angegeben ist.
Nicht zuletzt das technische Können der Porzellanmanufaktur Meißen macht ein etwas jüngerer Dessertteller aus der Mitte 1740er Jahre deutlich. Er ist mit Zweigen, Blättern, Zitronen, Pfirsichen, Reineclaudes, Erdbeeren, einer kleinen Birne, gelben und roten Kirschen, alle in naturalistischer Staffierung, angefüllt und will mit seiner Augentäuschung den Gast an der Tafel zum Zugreifen bewegen (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). In der übrigen Keramikabteilung geht es dann über den europäischen Kunstkreis hinaus. Hier listet der Katalog mehrere ornamentale Fliesen aus der persischen und osmanischen Kultur, als Spitzenstück eine Iznik-Fliese um 1580 mit zentraler Palmette um Blüten und gezackten Blättern in leuchtenden blauen, grünen und eisenroten Tönen, die auch die „Geheime Kammer“ im Harem des Topkapi-Palastes schmückte (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Nach islamischem Vorbild wurde um 1440/50 in einer Töpferwerkstatt von Montelupo bei Florenz ein gotischer Albarello mit einem ungegenständlich ornamentalen, „pseudokufischen“ Muster in Blau bemalt (Taxe 8.000 bis 15.000 EUR). Bei den Fayencen ragt ein früher qualitätvoller Frankfurter Enghalskrug von 1666/93 mit einer umlaufenden geknoteten Tuchdraperie in Purpurcamaieu heraus, an der drei große Stillleben aus Früchten und Blumen hängen (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Die Offerte im zweiten Katalogteil ist bunt gemischt und reicht von einer wohl sächsischen gravierten Bronzeschale des zwölften Jahrhunderts, die um 1947 in der Umgebung von Bautzen ausgegraben wurde und ursprünglich wohl zur Handwaschung diente (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR), bis zu einer konischen Hängelampe von Ercole Barovier, die zwischen 1945 und 1974 mit mehreren Reihen aus stilisierten Glasblumen in Murano produziert wurde (Taxe 1.500 bis 2.000 EUR). Dazwischen tummeln sich etwa noch eine gotische Frontstollentruhe um 1480/1530 aus Eiche, die mit Eisenbändern samt blütenförmigen Enden dicht beschlagen ist (Taxe 13.000 bis 15.000 EUR), das Paar Kerzenleuchter aus Nancy, geschnitzt am Ende des 17. Jahrhunderts aus dem rotbraunen Holz der Steinweichsel in der Art César Bagards (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), oder auch das feine Miniaturbildnis eines älteren Herrn mit Orden von Jean Urbain Guérin aus dem Jahr 1818 (Taxe 1.500 bis 2.000 EUR).
In Frankreich war im frühen 16. Jahrhundert der sogenannte Aeneas-Meister tätig und schuf eine Serie von bisher 82 bekannten Tafeln mit Szenen aus Vergils Epos „Aeneis“ in Emailmalerei. Nun kommt ein 83. hinzu, die die „Pest in Pergamos“ auf Kreta zum Thema hat und wie ihr Pendant aus dem Museum Angewandter Kunst in Frankfurt von einem Quadrat ebenfalls auf die heutige dreieckige Form zugeschnitten wurde (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Im frühen 17. Jahrhundert hat Michel Mann ein vergoldetes Messingkästchen mit vornehmen Damen und Herren unter Arkaden graviert (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR). Über einen rund hundert Jahre jüngeren, kleinen Kulmbacher Daubenkrug von Andreas Haas mit durchbrochen gearbeiteten Blattranken in Zinn für 2.000 bis 3.000 Euro geht es dann zu den Möbeln, die mit einer Mainzer Aufsatzschreibkommode, einem sogenannten Cantourgen, in Nuss- und Nussmaserholz und vergoldeten Messingbeschlägen um 1730/50 (Taxe 15.000 bis 25.000 EUR) und einer Kommode von Nicolas Petit im Stil Transition mit lockerer Blumenzier und Dekorband überzeugen (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR). Als Geschäftsführer der Pariser Roentgen-Niederlassung arbeitete Johann Gottlieb Frost. Ihm wird eine kleine klassizistische Stutzuhr aus dunklem Mahagoni-Holz und vergoldeten Bronze- und Messingapplikationen zugerechnet, die sich an einer Portikusarchitektur orientiert und mit zwei vorgelagerten Halbsäulen auf einer getreppten hohen Basis und einer flachen Galerie mit sechs miniaturhaften Vasenaufsätzen auf dem Architrav ausgestattet ist (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 15. Mai um 10 Uhr. Der Katalog ist im Internet unter www.lempertz.com abrufbar. |