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Marktberichte |
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Das Auktionshaus Ketterer hat sich zum 70jährigen Firmenjubiläum wieder an die Spitze der deutschen Versteigerer katapultiert und kann gegen den internationalen Abwärtstrend Umsatzzuwächse verbuchen Tanzlaune in München
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| | Ernst Ludwig Kirchner, Tanz im Varieté, 1911 | |
Robert Ketterer hat es wieder einmal geschafft. Sein „Evening Sale“ mit ausgewählten Werken von der Moderne bis zur Gegenwart verlief fulminant, spülte gut 40,8 Millionen Euro brutto in die Kassen des Münchner Auktionshauses und hat damit den Umsatz gegenüber der Vorjahresauktion um rund ein Drittel gesteigert. Erstaunlich ist das schon; kämpft der internationale Kunstmarkt aktuell doch eher mit einem Abschwung und muss seine Unternehmenszahlen oft nach unten korrigieren. Auktionshauschef Robert Ketterer versteht das Ergebnis daher als Sensation und eine Bestätigung der internationalen Anerkennung von Ketterer Kunst: „Wir müssen uns vor den großen Häusern nicht verstecken.“ Mit dem Halbjahresergebnis aller vier Versteigerungen und der Onlineauktionen in Höhe von 54 Millionen Euro brutto konnte Ketterer die deutsche Konkurrenz deutlich auf die hinteren Plätze verwiesen und erreichte als einziger Zuschläge jenseits der Millionengrenze.
Dafür waren im Juni einige Spitzenwerke der Moderne verantwortlich, die laut Nicola Gräfin Keglevich, Senior Director bei Ketterer, früher ausschließlich in London präsentiert worden wären. Nach ihren Worten spiegelt dies den aufkommenden Trend wider, dass Kunstliebhaber nach Alternativen zum Londoner Markt suchen. Und hier will Ketterer mitmischen. Das gelang in München eindrucksvoll mit Ernst Ludwig Kirchners nach 80 Jahren in einer deutschen Privatsammlung wiederentdecktem „Tanz im Varieté“. Die warmen Rosa- und Rottöne waren der Wissenschaft bisher unbekannt, da die Dokumentation des Gemäldes aus dem Berliner Nachtleben des Jahres 1911 nur in Schwarz-Weiß-Fotografien vorlag. Da der Kulturgutschutz nicht griff und eine Ausfuhr aus Deutschland möglich war, engagierte sich bei dem mit 2 bis 3 Millionen Euro veranschlagten Highlight vor allem die Schweizer Stiftung Im Obersteg, die sich gegen einen Telefonbieter bei 5,8 Millionen Euro durchsetzen konnte. Vielleicht wäre er noch länger im Rennen geblieben, wenn Robert Ketterer seine 5,9 Millionen Euro entgegen dem bisherigen Bieterrhythmus akzeptiert hätte. So aber stieg er düpiert aus. Der „Tanz im Varieté“ wird daher der Öffentlichkeit im Kunstmuseum Basel erhalten bleiben.
Kirchner überzeugte dann noch mit seiner Pastellzeichnung einer dynamisch sich drehenden „Kabarett-Tänzerin“ um 1908/09 bei 180.000 Euro (Taxe 180.000 bis 240.000 EUR), dem ganzfigurigen, charaktervollen Portrait von Leon Schames, dem Sohn seines Frankfurter Kunsthändlers Ludwig Schames, von 1922 bei 400.000 Euro und zu diesem Wert mit den kraftvoll konturierten, intensiv farbigen Akten „Im Wald“ von 1910 sowie mit dem flächig abstrahierten Aktbild „Nacktes Mädchen auf dem Diwan“ von 1924 (Taxe je 400.000 bis 600.000 EUR). Lediglich Kirchners menschenleere „Fehmarnlandschaft“ aus dem Jahr 1913, gekennzeichnet vom expressiven Duktus und der starken Dynamik der Berliner Jahren, verharrte mit 260.000 Euro unter der Mindestschätzung von 300.000 Euro.
Alexej von Jawlensky beschäftigte sich 1909 ebenfalls mit dem Tanz und verewigte wohl seine Geliebte und spätere Ehefrau Helene als rot gewandete „Spanische Tänzerin“ vor dunkelblauem Hintergrund. Die leuchtenden Farben des expressionistischen Meisterwerks waren der Blickfang für einen Schweizer Bieter am Telefon, der zur unteren Schätzung von 7 Millionen Euro zugriff. Für Alexej von Jawlensky ist es der zweithöchste Preis, der nach dem Portrait „Schokko mit Tellerhut“ für 8,4 Millionen Pfund 2008 bei Sotheby’s in London bisher erzielt wurde, und für Ketterer ein persönlicher Rekord: Das höchste Ergebnis in der 70jährigen Firmengeschichte. Tänzerisch ging es noch mit Georg Kolbe weiter. Seine weit mit ihrem Armen in den Raum ausgreifende Bronzefigur der „Brunnentänzerin“ aus dem Jahr 1922 landete mit 280.000 Euro deutlich über der Schätzung von 120.000 bis 150.000 Euro. Als Bilderhauerin der Moderne war noch Renée Sintenis in der Auktion mit von der Partie. Ihr Bronzeakt „Große Daphne“, ein Sinnbild weiblicher Anmut und Eleganz, erreichte mit 460.000 Euro einen Weltrekord für die Berliner Künstlerin (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR).
Starker Expressionismus
Insgesamt konnte Ketterer auf eine starke Auswahl an Werken des deutschen Expressionismus bauen. Die Künstlergruppe „Brücke“ steuerte etwa noch Karl Schmidt-Rottluffs „Jungen Wald und Sonne“ aus der Sammlung Hermann Gerlinger bei. Das auf Farb- und Kontursignale reduziertes Ölgemälde von 1920 löste ein heftiges Bietgefecht aus, das mit 850.000 Euro die erwarteten 500.000 bis 700.000 Euro übertraf. Mit Gerlinger-Provenienz und ebenfalls günstiger als vor zwei Jahren trat erneut Schmidt-Rottluffs „Sitzende im Grünen“ von 1910 an, die sich diesmal an der unteren Schätzgrenze von 400.000 Euro behauptete. Hermann Max Pechsteins „Rotes Zelt mit weiblichem Akt“ von 1911 hatte da mehr Glück und tendierte bei 380.000 Euro zur oberen Schätzgrenze. Heinrich Campendonks lebendige und farbenfrohe „Landschaft mit Tieren“, eine Komposition, wie sie für den rheinischen Expressionisten um 1913 charakteristisch ist, lag mit 600.000 Euro wiederum im unteren Bereich der Taxe. Franz Marcs Aquarell „Zwei gelbe Tiere (Zwei gelbe Rehe)“ aus dem Jahr 1912/13 in zarter elegischer Stimmung stieß bei 230.000 Euro auf Gegenliebe, Gabriele Münters soghafte „Straße nach Weilheim“ von 1908 bei 280.000 Euro (Taxe je 200.000 bis 300.000 EUR), ihre freundliche „Staffelsee“-Ansicht von 1932 bei 240.000 Euro (Taxe 150.000 bis 250.000 EUR).
Das älteste Werk der Auktion, die mit einer hohen losbezogenen Verkaufsrate von über 88 Prozent endete, war Pierre-Auguste Renoirs „Jeunes femmes dans un jardin“ von 1895. Die intime impressionistische Gartenszene entstand im Garten des Château des Brouillards in Paris, neben dem Renoir eine Zeit lang lebte, und erhielt einen Zuschlag von 330.000 Euro (Taxe 250.000 bis 350.000 EUR). Mit pastosem Farbauftrag beeindrucken Max Liebermanns Motive aus dem Wannseegarten. Durch Duktus und Licht erzeugte er 1926 bei seinem „Haus mit roten Stauden“ eine Leichtigkeit und eine magische Atmosphäre, die die Käufer zu 560.000 Euro bezauberten (Taxe 400.000 bis 600.000 EUR). Zudem reüssierte Liebermanns „Colomierstraße in Wannsee“ von 1917, ein Paradebeispiel des Impressionismus mit seinen Sonnenflecken unter den dicht belaubten Bäumen des menschenleeren Straßenzugs, bei taxgerechten 230.000 Euro.
Die deutsche Abstraktion der Nachkriegszeit hatte bei Ketterer mit Ernst Wilhelm Nays spielerisch heiterem Scheibenbild „Ene mene ming mang“ aus dem Jahr 1955 bei 550.000 Euro seinen Höhepunkt (Taxe 400.000 bis 600.000 EUR). Aber auch die 110.000 Euro für Hans Uhlmanns scheinbar schwerelos schwebende Schlaufen seiner „Draht-Plastik“ von 1949 (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR) oder die 120.000 Euro für Norbert Krickes vergleichbare, aus einem Stahldraht geformte „Raumplastik Rot“ von 1952 ließen sich gut (Taxe 120.000 bis 150.000 EUR). Seit über 50 Jahren befand sich Konrad Klaphecks Maschinenbild „Die Technik der Eroberung“ in einer süddeutschen Privatsammlung. Die 1965 entstandene Malerei mit ihren beiden Vorhängeschlössern als Sinnbild des erotischen Suchens verdoppelte ihren Wert auf 360.000 Euro. Während sich Günther Ueckers weiße lockere Nagelung „Bewegtes Feld“ von 1964 innerhalb der Erwartung bei 260.000 Euro behauptete, musste sich sein dunkles Nagelbild „Nacht“ von 1986, das die Gegensätze von leichter Bewegung und hartem Material vereint, mit 390.000 Euro begnügen (Taxe 400.000 bis 600.000 EUR).
Günther Uecker trat ein weiteres Mal bei der Auktion in Erscheinung: Gerhard Richter schuf 1964 sein erstes Künstlerporträt von dem Studienkollegen an der Düsseldorfer Kunstakademie. Eine amerikanische Privatsammlung konnte sich das fotorealistische und verwischte Konterfei „Herr Uecker“ erst bei 800.000 Euro sichern (Taxe 450.000 bis 650.000 EUR). Eines der ersten Werke von Georg Baselitz, bei dem er sein Motiv auf den Kopf gestellt hat, ist die „Fingermalerei – Birke“ von 1972. Die Sammler zeigten reges Interesse an diesem für sein Schaffen wichtigen Waldthema, das schließlich für 1,3 Millionen Euro in eine Schweizer Privatsammlung wechselte und damit die obere Schätzung von 1,2 Millionen Euro noch hinter sich ließ.
Kein MeToo mehr
Platz 3 der Zuschlagsliste besetzte Andy Warhols vollständige zehnteilige Grafikfolge der bunten „Flowers“ von 1970, die für 1,5 Millionen Euro in eine Schweizer Privatsammlung verkauft wurde (Taxe 800.000 bis 1,2 Millionen EUR). Hier hätte eigentlich James Rosenquists wandfüllendes Format „Playmate“ von 1966 stehen sollen. Doch die frivole, über fünf Meter breite Leinwand, die Teil der legendären „Playboy“-Aktion „Playmate as Fine Art“ war, scheint mit ihren überdimensionierten nackten weiblichen Brüsten angesichts MeToo heute nicht mehr zeitgemäß (Taxe 1 bis 1,5 Millionen EUR). Da tat sich Allen Jones’ ein Jahr ältere, weitgehend abstrahierte und aufreizende Frauenfigur mit dem „Female Spear“ leichter und platzierte sich bei 160.000 Euro innerhalb des Taxrahmens. Wieder gefragt ist heute die Kunst von William Nelson Copley mit ihrem an Comiczeichnungen erinnernden Konturenstil und den meist gesichtslosen Figuren, so auch seine Barszene „Father, Dear Father, Come Home With Me Now, The Clock in the Steeple Strikes One“ aus dem Jahr 1966, die sich von 80.000 Euro auf 210.000 Euro verbesserte. Aus der nach dem gleichnamigen Roman benannten Werkreihe „Moby Dick“ stammt Frank Stellas abstraktes bemaltes Aluminium-Wandobjekt „The Pequod meets the Rosebud“ von 1991. Ein hessischer Privatsammler behielt bei 260.000 Euro die Oberhand (Taxe 200.000 bis 300.000 EUR).
Für die Internationalität des Ketterer-Programms sprachen auch Werke irisch-britischer Künstler, die sonst eher zu Auktionen nach London abwandern. Auf reges internationales Interesse stieß Henry Moores großformatige Außenskulptur „Working Model for Sheep Piece“. Ein Bieter aus Süddeutschland erhielt erst bei 920.000 Euro den Zuschlag für die bedeutende, organisch amorphe Skulptur aus dem Œuvre des englischen Bildhauers (Taxe 600.000 bis 800.000 EUR). Die architektonische Anordnung der Farbblöcke auf Sean Scullys monumentaler Leinwand „Cut Ground Orange“ ist sowohl harmonisch als auch disharmonisch. Das Werk von 2009 fand für 1 Million Euro einen Käufer aus den USA (Taxe 800.000 bis 1,2 Millionen EUR). Nur an den Rändern der Farbfelder ist die orangefarbene Untermalung bei Scullys „Wall of Light Green Grey“ aus dem Jahr 2008 zu erkennen. Hier stieg der Preis von 400.000 Euro auf 660.000 Euro.
Nach Frankreich ging es mit Pierre Soulages und seinen schwer lastenden Balken auf der Papierarbeit „Brou de noix et encre sur papier“ von 1956, die sich erst bei 300.000 Euro verabschiedete (Taxe 180.000 bis 240.000 EUR). An abstrakt verdichtete Sinneseindrücke aus Venedig erinnert Lucio Fontanas goldgrundiertes „Concetto spaziale“ von 1957 mit seinen roten Glassteinen und den Einstichen in der Leinwand, das mit 380.000 Euro die Erwartung von 180.000 bis 250.000 Euro deutlich übertraf. Ungegenständlich malt auch Katharina Grosse, die 2020 auf großem Format ihre grüngelben Schwünge aufgebracht hat. Die titellose Leinwand, die als Hoch- oder Querformat gehängt werden kann, spielte taxgerechte 170.000 Euro ein. Figurativ wurde es dann bei Neo Rauchs früher Malereicollage „Mal“ von 1994, die eine visuelle, gleichwohl enigmatische Reflexion über das Künstlertum sein will und ihre Strahlkraft bei 130.000 Euro entfaltete (Taxe 90.000 bis 120.000 EUR). Geteilt waren die Reaktionen auf Karin Kneffels Malerei: Während ihr fotorealistisches „Apfel“-Meer von 1999 liegenblieb, konnte sich ihr optisch illusionistischer Rekurs auf die Kunst der Moderne mit Otto Freundlichs Skulptur „Großer Kopf“, den die Nazis 1938 auf das Titelblatt ihres Ausstellungsführers „Entartete Kunst“ setzten, und mit Marc Chagalls „Heiligem Droschkenkutscher“ bei 140.000 Euro durchsetzen (Taxe je 120.000 bis 150.000 EUR).
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. | | Kontakt: Ketterer Kunst Joseph-Wild-Straße 18 DE-81829 München |
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28.08.2024 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Lisa Steeb | |
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Andy Warhol,
Flowers, 1970 | | Taxe: 800.000 - 1.200.000 EURO Zuschlag: 1.500.000,- EURO Losnummer: 52 | | | | | |
Sean Scully, Cut
Ground Orange, 2009 | | Taxe: 800.000 - 1.200.000 EURO Zuschlag: 1.000.000,- EURO Losnummer: 65 | | | | | |
Frank Stella, The
Pequod Meets the
Rosebud (D-19, 1X),
1991 | | Taxe: 200.000 - 300.000 EURO Zuschlag: 260.000,- EURO Losnummer: 57 | | | | | |
Heinrich
Campendonk,
Landschaft mit
Tieren, um 1913 | | Taxe: 600.000 - 800.000 EURO Zuschlag: 600.000,- EURO Losnummer: 35 | | | | | |
Franz Marc, Zwei
gelbe Tiere (Zwei
gelbe Rehe), 1912/13 | | Taxe: 200.000 - 300.000 EURO Zuschlag: 230.000,- EURO Losnummer: 1 | | | | | |
Ernst Ludwig
Kirchner,
Kabarett-Tänzerin,
um 1908/09 | | Taxe: 180.000 - 240.000 EURO Zuschlag: 180.000,- EURO Losnummer: 20 | | | | | |
Gerhard Richter,
Herr Uecker, 1964 | | Taxe: 450.000 - 650.000 EURO Zuschlag: 800.000,- EURO Losnummer: 61 | | | | | |
Georg Baselitz,
Fingermalerei –
Birke, 1972 | | Taxe: 800.000 - 1.200.000 EURO Zuschlag: 1.300.000,- EURO Losnummer: 12 | | | | | |
Max Liebermann, Die
Colomierstraße in
Wannsee, 1917 | | Taxe: 200.000 - 300.000 EURO Zuschlag: 230.000,- EURO Losnummer: 11 | | | | | |
Günther Uecker,
Bewegtes Feld, 1964 | | Taxe: 200.000 - 300.000 EURO Zuschlag: 260.000,- EURO Losnummer: 62 | | | | | |
Alexej von
Jawlensky,
Spanische Tänzerin,
1909 | | Taxe: 7.000.000 - 10.000.000 EURO Zuschlag: 7.000.000,- EURO Losnummer: 38 | | | | | |
Ernst Ludwig
Kirchner,
Männerbildnis L.
Schames, 1922 | | Taxe: 400.000 - 600.000 EURO Zuschlag: 400.000,- EURO Losnummer: 39 | | | | | |
Henry Moore, Working
Model for Sheep
Piece, 1971 | | Taxe: 600.000 - 800.000 EURO Zuschlag: 920.000,- EURO Losnummer: 4 | | |
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