| | Die Anhaltische Gemäldegalerie im Schloss Georgium hat für Besucher wieder geöffnet | |
Unter den deutschen UNESCO-Welterbestätten steht das im Jahr 2000 aufgenommene Gartenreich Dessau-Wörlitz flächenmäßig an der Spitze. Das 142 Quadratkilometer große Landschaftskunstwerk mit seinen ausgedehnten Parks, Schlössern und Kleinarchitekturen entstand zwischen 1765 und 1800, als Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau fast das gesamte Gebiet seines Fürstentums durch ein umfassendes Programm mit einer „Landesverschönerung“ aufwertete. Unter Einbeziehung bestehender Anlagen konzipierte dessen Freund, der Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, zielgerichtet eine offene Landschaftsgestaltung nach englischem Vorbild. Inspiriert von Bildungsreisen der beiden nach England, Frankreich und Italien stieg der Kleinstaat zur Geburtsstätte des Landschaftsgartens, des Klassizismus und der Neugotik in Deutschland auf. Die Vielfalt stilistischer Varianten in der Architektur, erlesene Sammlungen und ständig wechselnde Natureindrücke mit Weideflächen, Flüssen, Seen und Wäldern sind das Aushängeschild Anhalts. Der einst souveräne, vom Haus der Askanier regierte Kleinstaat existierte von den Anfängen im beginnenden 13. Jahrhundert bis 1918. Heute besteht er als Teil des Bundeslandes Sachsen-Anhalt weiter, das sich mit Verve und Behutsamkeit den immensen Anforderungen stellt, die eine Bewahrung und Weiterentwicklung des Welterbes bedürfen.
Mit drei neu eröffneten Orten rückt die Region nun verstärkt in den Fokus kunsthistorischer Ziele. Seit einem halben Jahr kann erstmals seit 2012 wieder das Schloss Georgium besichtigt werden. Zwischen 1780 und 1784 ließ es Prinz Johann Georg von Anhalt, der jüngere Bruder des Fürsten Franz, in einem weitläufigen Park am nördlichen Stadtrand von Dessau nach Plänen von Erdmannsdorff errichten. Als Vorbild diente der Idealentwurf eines Landhauses in einem Architekturtraktat von Nicolaus Goldmann. Die Längsseiten des auf rechteckigem Grundriss errichteten Baus werden von toskanischen Pilastern, Mittelrisaliten und Dreiecksgiebeln gegliedert. Im Rahmen der Umwidmung zum Witwenwohnsitz wurde das als Sommerresidenz genutzte, kompakte Landhaus im Jahr 1893 um zwei Seitenflügel ergänzt und damit die Wohnfläche mehr als verdoppelt. Bis 1944 lebten hier Mitglieder der fürstlichen Familie. Seit 1959 dient es als Ausstellungsort der Anhaltischen Gemäldegalerie. Gar nicht so hohe 15,5 Millionen Euro kostete nun die Sanierung und ausstellungsgerechte Herrichtung des frühklassizistischen Baus.
Grundstock der Gemäldesammlung bildet der reiche Bestand der kunstbegeisterten Prinzessin Henriette Amalie von Anhalt-Dessau (1720-1793). Im Jahr 1927 mündeten Bestrebungen, Schätze öffentlicher und fürstlicher Hand in einem zentralen Kunstmuseum zusammenzufassen, in die Gründung einer Anhaltischen Gemäldegalerie. Deren überwiegend aus fürstlichem, aber auch anderen Provenienzen zusammengesetzten Bestände sind auf Werke Alter und Neuerer Meister vom 15. bis zum 19. Jahrhundert konzentriert und gehören zu den künstlerisch bedeutendsten in Mitteldeutschland. Zunächst im Dessauer Palais Reina vom ersten Direktor Ludwig Grote nach kunsthistorischen Kriterien eingerichtet, fand die Sammlung nach der Zerstörung des Gebäudes, Auslagerungen und Kriegsverlusten im Georgium ein festes neues Domizil.
Aus dem reichen Bestand von 1800 Gemälden wählte der aktuelle Museumsdirektor Ruben Rebmann 270 Gemälde für die neue Dauerausstellung aus. Von der einstigen Pracht der Repräsentationsräume im Erdgeschoss kündet heute lediglich noch der mit antiken Büsten bestückte Rundsaal im Erdgeschoss. Größter Raum ist der einstige Festsaal, in dem sich heute Porträts Anhalter Fürsten versammeln. Neben Wilhelm von Kügelgen oder Wilhelm von Schadow ist vor allem der berühmte Porträtmaler Johann Friedrich August Tischbein hier vertreten. Dessen Darstellung der Erbprinzessin Christiane Amalie von Anhalt-Dessau mit ihren drei Kindern zeugt von seinem anmutigen, in der Nachfolge Anthonis van Dycks ausgebildeten Stil.
In dem einst privat genutzten Obergeschoss setzt sich der über 21 Räume verlaufende Parcours chronologisch fort. Zu den frühesten Werken zählt das von einem Nürnberger Meister geschaffene Doppelbildnis des Berthold Tucher und Christina Schmidtmayer aus dem Jahr 1484. Bei den Gemälden deutscher und niederländischer Meister aus der Zeit um 1500 und Porträts des 16. Jahrhunderts steht Lucas Cranach d.Ä. im Mittelpunkt. Dessen als „Dessauer Fürstenaltar“ tituliertes Marienretabel, das auf den Seitenflügeln die Stifter Friedrich den Weise und Johann den Beständige von Sachsen zeigt, zählt zu den Hauptwerken des Meisters und des Museums. Daneben kommt Cranach noch mit einer „Mystischen Verlobung der heiligen Katharina“ und mit zwei Flügeln eines Marienaltares zu Zug, auf dem die Heilige Familie mit Engeln und die Erziehung der Jungfrau Maria zu sehen sind. Bedingt durch verwandtschaftliche Verbindungen zu den Oraniern gehören viele Werke holländischer Maler zum Bestand, so etwa Blumenstillleben von Balthasar van der Ast, detailverliebte winterliche Vergnügungen auf gefrorenen Gewässern von Hendrick Avercamp aus den Jahren um 1610 oder den nach 1613 gemalten „Einzug in die Arche Noah“ von Jan Brueghel d.Ä.
In den allzu niedrigen, einst dem Personal zugewiesenen kleinen Räumen im zweiten Obergeschoss finden sich Bilder des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu den aparten Werken gehören beispielsweise eine im romantisch verklärten Stil gehaltene Version des Kreuzganges im Dom zu Halberstadt von Carl Georg Hasenpflug aus dem Jahr 1849 oder Jakob Philipp Hackerts italienische Landschaftsdarstellung mit der Villa Albani bei Rom von 1779. Eine der ersten bürgerlichen Frauen in der malenden Kunst, Caroline Bardua, fertigte 1839 ein realitätsnahes Porträt des von Krankheit gezeichneten und befreundeten Malerkollegen Caspar David Friedrich an. Dagegen setzte Hans Thoma 1892 symbolistisch und etwas zu liebreizend einen Sämann in Szene. In den 1920er und 1930er Jahren erwarb die Galerie Werke von Dessauer Bauhausmeistern, wovon exemplarisch das 1925 entstandene abstrakte Bild „Schwere Fläche“ von Wassily Kandinsky hervorzuheben ist, das der Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ entgangen ist.
Aus den Fenstern schweift der Blick auf die umliegenden romantischen und klassizistischen Parkbauten wie der Orangerie, dem teilrekonstruierten Küchengebäude oder dem heute für die Museumspädagogik bereit stehenden Blumengartenhaus. Dahinter erhebt sich der zentrale Kuppelbau des 1894 bis 1898 nach Plänen des Berliner Baumeisters Franz Heinrich Schwechten errichteten Mausoleums als Gedächtniskapelle der Herzöge von Anhalt. Schwechten lehnte sich dabei eng an die von Andrea Palladio um 1570 entworfene Villa Rotonda an. Der zur Zeit noch in der Restaurierungsphase befindliche Monumentalbau, ein Wahrzeichen Dessaus, ist der letzte Großbau des Hauses Anhalt und setzt einen weithin sichtbaren Akzent im Stadtbildpanorama.
Gewürdigt wird heuer auch der Baubeginn des Schlosses Luisium vor 250 Jahren. Ab 1774 ließ Fürst Leopold III. Friedrich Franz das „Kleine Landhaus“ als Geschenk für seine Gemahlin Fürstin Luise, geborene von Brandenburg-Schwedt, errichten. Der würfelförmige, sparsam dekorierte Backsteinputzbau in hellem Ockerton mit bekrönendem Belvedere gilt als typisch für Erdmannsdorffsche Architektur. Im Inneren überwiegen kleine, auf private Wohnfunktionen zugeschnittene Kabinette mit anmutigen, von pompejanischen Vorbildern inspirierten Wandmalereien und klassizistischen Stuckaturen. Den prachtvoll ausgestalteten Festsaal im Erdgeschoss gliedern grüne Stuckmarmor-Pilaster an den Wänden.
Auch das bis 1927 in Privatbesitz befindliche Luisium liegt in einem Harmonie verströmenden, 14 Hektar großen Park, der sich in die Elbauenlandschaft kongenial einfügt. Zahlreiche Sichtbeziehungen ergeben sich vom Schloss aus zum neugotischen Gestüt, weiteren Kleinarchitekturen und der bemerkenswerten Kirche St. Bartholomäi in Dessau-Waldersee. Der 1722 von Fürst Leopold I. gestiftete Dankvotivbau ist eine schlichte protestantische Saalkirche mit eingestellten Emporen, die um 1817 den markanten Westturm mit dem Obelisken an der Spitze erhielt. Im Erdgeschoss ließ Fürst Leopold III. Friedrich Franz ein Mausoleum für seine 1811 verstorbene Gemahlin Luise einrichten und wurde nach dem eigenen Ableben 1822 hier ebenfalls beigesetzt. Sehenswert sind die altarartig zusammengesetzten, mit grauschwarz geflammtem Stuckmarmor und Porträtmedaillons verkleideten Sarkophage sowie das darüber angeordnete weiße Marmorrelief mit der Darstellung der „Drei Frauen am Grabe Christi“ des Hofbildhauers Friedemann Hunold.
Immer wieder ein lohnenswertes Ziel ist der Wörlitzer Park mit dem Schloss, das als Gründungsbau des deutschen Klassizismus gilt. Zu dem Ensemble gehört auch das frisch sanierte Haus der Fürstin Luise, das ihr seit 1790 als Rückzugsort diente. In dem neugotischen Bau wurde gerade die Dauerausstellung „Das ganze Land ein Garten“ eröffnet, die das gesamte Gartenreich des 18. Jahrhunderts vorstellt, ein idealer Einstieg für den Besuch des UNESCO-Welterbes.
Die Öffnungszeiten sind der Webseite www.gartenreich.com zu entnehmen. Zu empfehlen ist die viele Leistungen und kostenfreie Eintritte beinhaltende WelterbeCard www.welterbecard.de. |