| | Caspar David Friedrich, Das Große Gehege bei Dresden, 1832 | |
Erst mit 33 Jahren begann Caspar David Friedrich, Ölbilder zu malen. Da lebte der am 5. September 1774 in Greifswald geborene Künstler schon mehrere Jahre in Dresden, wohin er im Oktober 1798 verzogen und bis zu seinem Tod 1840 ansässig war. Die einzigartigen Sammlungen in der Kunststadt sowie die grandiose Naturlandschaft der Umgebung hatten ihn so sehr in den Bann gezogen. Ursprünglich betätigte er sich als Zeichner, Grafiker, Aquarellist und Sepiaspezialist. In Dresden aber sind Experten zufolge alle Ölgemälde entstanden, beginnend mit dem berühmten „Tetschener Altar“ aus den Jahren um 1807/08, auch „Das Kreuz im Gebirge“ genannt, einem Werk, das umgehend heftige Diskussionen auslöste. Dies trug nicht unwesentlich zur Berühmtheit des Malers bei.
Caspar David Friedrichs Gemälde jedoch bestreiten nur den kleineren Teil der aktuellen Jubiläumsschau in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Um dem Zeichner Friedrich eine angemessene Bühne zu geben, teilt sich die Präsentation in zwei große Segmente. Nachdem 1991 in Mannheim die letzte große Ausstellung von Skizzen des Meisters stattfand, stellt nun das Kupferstich-Kabinett im Residenzschloss das grafische Schaffen vor. Der Kuratorin Petra Kuhlmann-Hodick gelang es, anhand von rund 160 Grafiken von und nach Caspar David Friedrich dessen Arbeits- und Denkprozesse offenzulegen, so dass der Rundgang idealerweise hier beginnen sollte. Highlight unter den teils aquarellierten Zeichnungen, Drucken, kalligrafischen Blättern, privaten Dokumenten wie Briefen oder Manuskripten mit zentralen Gedanken zur Kunst ist das jüngst erworbene „Karlsruher Skizzenbuch“. Präsentiert in einer separaten Box, bietet sie nur einer Person die Möglichkeit, die Kostbarkeit zu besichtigen. Die kleine Kladde mit fleckigen angegilbten 20 Blättern und 33 Zeichnungen führte Friedrich von April bis Juni 1804 bei sich. Skizzen daraus von Bäumen, Vögeln, Landschaftspanoramen und Segelbooten sind auch auf Touchscreens abrufbar und geben intime Einblicke in seine Naturerlebnisse.
Ringsum konzentrieren sich fünf Abschnitte auf Arbeitsweisen, Bildfindungen und Themen. Bei aller Fokussierung auf die von ihm als wesentlich empfundenen, über die Realität hinausweisenden Motive sind viele Einzelheiten wie beispielsweise das „Felsentor im Uttewalder Grund“ heute noch genau zu lokalisieren. Wiederholt besuchte Caspar David Friedrich auch heimatliche Gefilde; allein sieben Aufenthalte auf Rügen sind belegt. Besonders die hier entstandenen Skizzen vermitteln durch klare Linien, Konzentration auf Unspektakuläres und niedrig angesetzte Horizonte die für den Künstler charakteristische Weiträumigkeit und Stille. In hingebungsvoller, ja meditativer Verschmelzung mit der Natur legte Friedrich damit zugleich einen mathematisch wie proportionsmäßig genau austarierten Motivschatz an, der schon den strategischen Bildkompositeur und die dem Medium eigene Kraft offenbart.
Hier liegt der Ausgangspunkt für seine malerischen Werke. Nach einem strengen Schema fügte er später in Gemälden die detaillierten Vorlagen aus verschiedenen Zeiten und von unterschiedlichen Orten wie bei einer Collage zu einer neuen Komposition zusammen, zumeist orientiert am „Goldenen Schnitt“. Die so gefertigten Werke sind daher keine Abbildung der Realität. Hier fügt sich die von Georg Friedrich Kersting geschaffene Ansicht des malenden Caspar David Friedrich in seinem überaus kargen, ja fast leeren Atelier recht gut ein. Die Momentaufnahme betont einprägsam die geistige Arbeit des Künstlers. Auch die Urfassung des in vier Varianten erhaltenen Gemäldes von zwei den Mond betrachtenden Personen bereichert die Auswahl im Kupferstich-Kabinett als Verweis auf den politischen Friedrich. Zeitumstände wie Besatzung, Revolution und Bürgerkrieg fließen hier ein, wobei der zunehmende Mond als Ausdruck der Hoffnung und die seinerzeit verbotene altdeutsche Tracht der beiden Männer als Protest und für die Verteidigung der Demokratie zu interpretieren sind.
Im Albertinum legt dann Kurator Holger Birkholz weitere Bezüge und Verbindungslinien offen. Von den 45 Ölgemälden Friedrichs stammen 13 aus dem hauseigenen Fundus, der aufgrund aktueller Forschungsergebnisse um ein Werk reduziert werden musste, welches nun nicht mehr dem Meister zugeschrieben werden kann. Der „Tetschener Altar“, die Gemälde „Der Friedhof“ und „Das große Gehege bei Dresden“ sind nur hier und auf keiner anderen Friedrich-Schau zu bewundern. Letztgenanntes Spätwerk besticht vor allem durch die Flugperspektive in ausgedehnten Linien und mit einem Weitwinkelblick, wobei Caspar David Friedrich hier auf eine den Betrachter in das Bild hineinziehende Rückenfigur verzichtete. Die leuchtende, fast grelle Farbigkeit unter dezidierter Verwendung des emotional aufgeladenen Violett war das Neue in seinen Bildern, ebenso eine formale Reduktion mit vielschichtigen Inhalten.
Um diese Ideen und die Vorbildfunktion Alter Meister zu vermitteln, stellte Birkholz rund 170 Gemälde früherer Jahrhunderte in Petersburger Hängung dialogisch den in fünf in Kabinetten thematisch angeordneten Werken Friedrichs gegenüber und versah die Wände mit einem gebrochenen Schwarzton mit hohem Blau- und Rotanteil, was die Werke zum Leuchten bringt. Caspar David Friedrich übernahm von seinen Vorläufern Motive wie Sonnenuntergänge oder Friedhöfe, Felsformationen oder Staffagefiguren, etwa den auf einem Stock gestützten Bettler aus Arbeiten von Pieter Bout und Adriaen Frans Boudewyns, den er zunächst skizzierte und dann in das Gemälde „Gebirgslandschaft mit Regenbogen“ implantierte. Besonders konkret fand Friedrich Anregungen bei den Malern Jacob van Ruisdael, Salvator Rosa und Claude Lorrain, dessen Lichtstimmungen er in Wucht und Dramatik steigerte. Auch bei den Rückenfiguren orientierte er sich an namhaften Vorbildern bei niederländischen Meistern des 17. Jahrhunderts, die Friedrich in Dresden studierte. Am Beispiel der Themenfelder Religion, Bäume, Farbe und Luft, Politik, Friedhöfe und Rückenfigur wird deutlich, wie er trotz verschiedener Bezugnahmen seine eigene Bildsprache entwickelte und sich von anderen Malern abgrenzte.
In einer begleitenden Kabinettschau im Residenzschloss gewähren numismatische Zeugnisse Einblicke in die Lebensrealität zu Friedrichs Lebzeiten. Wie ist es einzuschätzen, wenn der Maler 160 Taler für ein Gemälde erhielt, und wie verhält sich dies zu den seinerzeit gezahlten Festgehältern und den Kosten fürs Leben? Wieviel Geld führten die Leute damals mit sich? Diese Gesichtspunkte sowie Aspekte der Münz- und Papiergeldherstellung oder zu Ehren des Malers produzierte Medaillen erweitern die Sicht auf das Leben Caspar David Friedrichs, gruppiert um seine Bronzebüste von Christian Gottlieb Kühn.
Die Ausstellung „Caspar David Friedrich. Wo alles begann“ ist im Kupferstich-Kabinett bis zum 17. November, im Albertinum und im Münzkabinett bis zum 5. Januar 2025 zu sehen. Das Albertinum hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis samstags zusätzlich bis 21 Uhr geöffnet, das Kupferstich-Kabinett täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, am Donnerstag zusätzlich bis 21 Uhr, das Münzkabinett täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt beträgt 20 Euro, ermäßigt 17 Euro. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog im Sandstein Verlag erschienen, der im Museum 36 Euro kostet.
Kupferstich-Kabinett und Münzkabinett
Residenzschloss
Taschenberg 2
D-01067 Dresden |