Praemium Imperiale vergeben | | Sophie Calle in ihrem Studio in Paris, Mai 2024 | |
Die Gewinner*innen des diesjährigen Praemium Imperiale stehen fest. Der mit jeweils 15 Millionen Yen, derzeit rund 95.000 Euro, dotierte „Nobelpreis der Künste“ der Japan Art Association geht in diesem Jahr an Sophie Calle, Doris Salcedo, Shigeru Ban, Maria João Pires und Ang Lee. „Der Praemium Imperiale vermittelt mit seiner diesjährigen Auswahl von Künstlerpersönlichkeiten die produktive, gewohnheitssprengende Kraft der Kunst im Zusammenleben der Menschen, die Kunst und Leben unmittelbar verbindet, Perspektiven aufweist, Grenzen versetzt und Tabus bricht“, so Klaus-Dieter Lehmann, internationaler Berater der Japan Art Association und Präsident des Goethe-Instituts a.D., bei der Bekanntgabe der Preisträger im Japanisch-Deutschen Zentrum in Berlin.
Sophie Calle, 1953 in Paris geboren, ist eine der führenden Konzeptkünstlerinnen Frankreichs. In Fotografien, Videos, Installationen und Texten erforscht sie das Leben anderer und ihr eigenes. Sie lässt Betrachter ihrer Kunst über Eigen- und Fremdwahrnehmung reflektieren. Die 1980 entstandene „Suite Vénitienne“ dokumentiert ihre heimliche Verfolgung eines Mannes bis nach Venedig. In verschiedenen Verkleidungen fotografierte sie ihn und machte sich Notizen über seine Aktivitäten. Zwischen 1999 und 2000 hielt Calle mit „Exquisite Pain“ über Fotografie und Text den Schmerz ihres Liebeskummers fest. Heute, da viele Menschen ihr Leben über die sozialen Medien öffentlich machen, kann Sophie Calle als ihrer Zeit voraus eingeordnet werden, auch wenn ihrer Ansicht nach die sozialen Medien in der aktuellen Form unerkannte Verfolgungen und Recherchen erschweren.
Die kolumbianische Bildhauerin und Installationskünstlerin Doris Salcedo, 1958 in Bogotá geboren, thematisiert Krieg, Vertreibung und Verbrechen. In ihren empathischen Installationen verleiht sie dem Leid der Opfer eine Stimme. Ihre Werke bestehen aus Alltagsmaterialien wie Holzmöbeln, Kleidung und Blumenblättern als Metaphern für Gewalt und Verlust und basieren auf Recherchen und Interviews mit Opfern. Ihre 2007 in der Londoner Tate Modern ausgestellte Installation „Shibboleth“ nutzte markante Risse im Boden, die für die gesellschaftlichen Folgen von Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus standen. Das 2018 geschaffene „Fragmentos“ erinnert an das Ende des Bürgerkriegs in Kolumbien, der zwischen Guerillas, Milizen, den revolutionären Streitkräften der FARC, Regierungstruppen und Drogenkartellen herrschte. So bestehen die 1.296 Kacheln, die in der Ausstellungshalle in Bogotá verlegt wurden, aus 37 Tonnen eingeschmolzener Waffen, die FARC-Kämpfern freiwillig abgaben. Weibliche Opfer sexueller Gewalt im Rahmen des Bürgerkriegs hämmerten das geschmolzene Metall der Waffen zu den Fliesen.
Der japanische Architekt Shigeru Ban, Jahrgang 1957, hat die Architektur mit seiner Designsprache und Materialinnovation revolutioniert. Neben der Architektur ist die Katastrophenhilfe sein Lebenswerk: Mit dem Voluntary Architects’ Network engagiert er sich für menschenwürdige Flüchtlingsunterkünfte auf der ganzen Welt. Die 1944 in Lissabon geborene Pianistin Maria João Pires gilt als Poetin am Klavier. Kompositionen von Schubert, Chopin, Mozart und vielen mehr interpretiert sie mit beeindruckender Zartheit und Dynamik. Weltweit engagiert sie sich in sozialen Projekten für gemeinschaftliches Musizieren. Ang Lee zählt zu den erfolgreichsten Regisseuren der Welt. Er setzt sich bildgewaltig mit Entwicklungen von Menschen in ihren Zeitläuften und Gesellschaften auseinander. Mit großer Intensität schildert er Emotionen, Erwartungen, Spannungen und Konfrontationen im Leben mit Filmen wie „Sense and Sensibility“ von 1995, „Brokeback Mountain“ von 2005 oder dem Oscargewinner „Life of Pi“ von 2012.
Außerdem hat die Japan Art Association den „Grant For Young Artists“ an das Komunitas Salihara Arts Center in Jakarta vergeben. Diesen mit 5 Millionen Yen, derzeit rund 32.000 Euro, verbundenen Nachwuchspreis erhält das Center für die Förderung von Vielfalt und experimenteller Kraft in der interdisziplinären Auseinandersetzung mit Kunst, die für das erste private Kulturzentrum Indonesiens programmatisch ist. Jährlich werden mehr als 100 Veranstaltungen wie Festivals, Theater- und Tanzaufführungen, Konzerte, Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und Diskussionen organisiert. Das Zentrum steht für die freie Entfaltung künstlerischer und intellektueller Ressourcen und ist bekannt für seine Förderung junger Talente. |