Rebell der Moderne: Maurice de Vlaminck in Potsdam | | Maurice de Vlaminck, Kanalboot, 1905/06 | |
Das Museum Barberini in Potsdam widmet sich aktuell dem Werk Maurice de Vlamincks und präsentiert in Kooperation mit dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal fast 100 Jahre seit der letzten Retrospektive eine neue Überblicksschau zum Schaffen des Fauvisten in Deutschland. Ausgangspunkt der von Anna Storm und Daniel Zamani kuratierten Ausstellung mit 73 Werken bilden die Gemälde im Bestand beider Häuser. So erwarb August Freiherr von der Heydt bereits 1911 ein Stillleben Vlamincks auf dem Pariser Herbstsalon, 1912 und 1913 folgten weitere Werke; zur Sammlung von Hasso Plattner, die seit 2020 dauerhaft im Museum Barberini zu sehen ist, gehören neun Gemälde. Daneben konnten sie auf Leihgaben aus Privatsammlungen und renommierten Museen zurückgreifen, unter anderem aus der Tate Modern in London, dem Museo nacional Thyssen-Bornemisza in Madrid, dem Centre Pompidou und dem Musée d’Orsay in Paris, dem Van Gogh Museum in Amsterdam, dem Museum Folkwang in Essen, der Staatsgalerie Stuttgart oder dem Metropolitan Museum of Art in New York.
Was 1905 im Saal 7 des Herbstsalons in Paris zu sehen war und vom Kritiker Louis Vauxcelles sogleich als „fauve“, als „wild“, bezeichnet wurde, war die Geburtsstunde der Moderne. Mit ihren farbgewaltigen, ganz auf Ausdruck und Emotion ausgerichteten Werken begründeten Henri Matisse, André Derain, Kees van Dongen und Maurice de Vlaminck die erste Avantgarde-Strömung des 20. Jahrhunderts. Die ungemischten Farben, der ungestüme Pinselstrich und die abstrahierende Formensprache waren ein Schock für das französische Kunstpublikum. Obwohl als Kollektiv wahrgenommen, einte die Maler kein Manifest; dennoch verband sie die Ablehnung aller bisheriger Kunstauffassungen und das Bekenntnis zur völligen Freiheit des Künstlers. Der Autodidakt Maurice de Vlaminck, der bisher als Geiger, Radrennfahrer, Boxer und Autor hervorgetreten war, pflegte das Selbstbild als „Wilder“. Indem er die Farben rein und teilweise direkt aus der Tube auf die Leinwand aufbrachte, folgte er seinem Vorbild Vincent van Gogh und hielt bevorzugt Landschaften entlang der Seine in pastosem Malduktus und leuchtend kräftigen Tönen fest.
Bereits ab 1906 verzichtete Maurice de Vlaminck auf diese explosive Farbigkeit, wählte ein gedämpfteres Kolorit und orientierte sich zunehmend am Werk Paul Cézannes. In den darauffolgenden Jahren fand sein Schaffen internationale Beachtung: 1912 nahm er mit sechs Werken an der legendären Ausstellung des Kölner Sonderbunds teil, im selben Jahr zeigte ihn Herwarth Walden in seiner Berliner Galerie „Der Sturm“, im Jahr darauf war er in der New Yorker Armory Show vertreten. Der Erste Weltkrieg war für ihn dann eine Zäsur. Persönlich desillusioniert, griff Vlaminck auf eine zunehmend dunklere Farbpalette zurück, seine Landschaften und Stillleben aus der späteren Schaffenszeit wirken düster, beinahe unheimlich. Im Zuge nationalsozialistischer Kulturpolitik wurde auch sein Werk als „entartet“ verfemt und aus dem Bestand deutscher Museen entfernt. Dennoch und trotz deutlicher Distanzierung in jüngeren Jahren von Militarismus und Nationalismus trat Maurice de Vlaminck im November 1941 auf Einladung der deutschen Propagandastaffel eine Reise nach Deutschland an. Im Anschluss veröffentlichte er zwei Artikel, in denen er die nationalsozialistische Kunst- und Kulturpolitik unverhohlen anpries. In einem weiteren Text polemisierte er gegen die Avantgarde in Frankreich. Der frühere Künstler-Rebell, der sich als Anarchist und Revolutionär verstand, wurde zum reaktionären Polemiker und einem Ankläger der Moderne. Auch diese Seite kommt in der Potsdamer Schau nicht zu kurz.
Die Ausstellung „Maurice de Vlaminck. Rebell der Moderne“ ist bis zum 12. Januar 2025 zu sehen. Das Museum Barberini hat täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt regulär 16 Euro, am Wochenende 18 Euro, ermäßigt 10 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist er frei. Der Ausstellungskatalog aus dem Prestel Verlag kostet im Museum 39,90 Euro, im Buchhandel 45 Euro.
Museum Barberini
Humboldtstraße 5-6
D-14467 Potsdam
Telefon: +49 (0)331 – 23 60 14 499 |