| | Kasper König mit Sigmar Polkes „Meisterwerk als Ramsch versteigert“ | |
Als Kasper König 2008 über die Art Cologne streifte und fasziniert vor Sigmar Polkes Gemälde „Meisterwerk als Ramsch versteigert“ stehen blieb, hörte er zufällig, wie ein Sammler beim Galeristen Erhard Klein nach einem Rabatt für die unansehnliche Arbeit fragte. Empört darüber kaufte König dem Sammler das Bild kurzerhand vor der Nase weg. Die Ironie der Szene war geradezu himmelschreiend. Polkes gemalte Kritik an der Kunstwelt und sein beißend-ironischer Kommentar zum Ausverkauf gesellschaftlicher Werte war ausgerechnet vor ebenjenem Kunstwerk Wirklichkeit geworden. Kasper König schätzte Polkes pointiertes Gemälde außerordentlich. Immer wieder staunte er darüber, wie Polke die Erwartungen an „hohe Kunst“ und deren Präsentation dekonstruierte. Kurator und Künstler verband eine lebenslange Hassliebe. Eine geplante Retrospektive im Museum Ludwig, das König zwölf Jahre lang leitete, wurde von Polke kurzerhand bis in die Zeit nach Königs Ruhestand vorschoben. „Meisterwerk als Ramsch versteigert“ zeugt von der ausgesuchten Qualität der Werke aus Königs Sammlung. Für 30.000 bis 50.000 Euro sucht Polkes hintergründiges „Meisterwerk“ nun bei Van Ham nach einem neuen Verehrer.
Am 1. und 2. Oktober versteigert das Kölner Auktionshaus die in über 60 Jahren zusammengetragene Kunstsammlung des legendären Ausstellungsmachers und Museumsdirektors, zunächst in einer Auswahl der 60 besten Stücke. Tags darauf folgen noch einmal 190 Werke, die König vielfach von den Künstlern selbst geschenkt wurden. Eine besonders enge Freundschaft verband König mit dem japanischen Künstler On Kawara, mit dem er in den 1960er Jahre in direkter Nachtbarschaft in New York lebte. Auf Anregung von König begann On Kawara ab 1968 damit, jeden Tag zwei Postkarten mit demselben Motiv seines Aufenthaltsortes an Freunde, Familienmitglieder oder Bekannte zu schicken. Zwei Jahre zuvor hatte der Künstler bereits mit seiner Serie der „Date Paintings“ begonnen, die vom Künstler zerstört wurden, sollten er sie am angegebenen Tag nicht vollendet haben. Eines dieser besonders frühen „Date Paintings“ übergab On Kawara an König, es entstand am „MAY 7, 1967“. Heute soll die 33 auf 44 Zentimeter große rote Leinwand mit dem damals tagesaktuellen Artikel der New York Times zum Vietnam-Krieg zwischen 500.000 und 700.000 Euro einbringen. Ein zweites Werk aus On Kawaras Reihe erreichte König am 21. November 2003 als Geschenk zu seinem 60. Geburtstag. 200.000 bis 300.000 Euro werden für diese äußerst persönlichen Geburtstagsgrüße in dunklem Grau fällig werden.
Neue Fragen, neue Kunst
Ebenfalls direkt vom Künstler selbst erhielt Kasper König Richard Artschwagers „Handle I.“ von 1962, eine reduzierte wie wirkmächtige Arbeit, die vehement den Diskurs um den Begriff der Skulptur in den 1960er Jahren verbildlicht. Zusammengesetzt zu einem Rechteck aus Elementen eines geschliffenen Handlaufes aus Holz, definiert sich das Werk als Skulptur, jedoch wird die „Skulptur“ gleichsam wie ein Gemälde an der Wand hängend installiert (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Artschwager der 1971 in Königs New Yorker Wohnung zog, blieb zeitlebens mit dem Deutschen verbunden. 1987 realisierte Artschwager für die Skulptur Projekte Münster seine erste Betonskulptur im öffentlichen Raum. Mit 50.000 bis 70.000 Euro fallen die Erwartung für „Handle III (Diptych)“ von 1980 wesentlich erschwinglicher aus. Gleiches gilt für die Installation „Portrait I“ aus dem Jahr 1962, in der Artschwager ebenfalls Kunst und Möbeldesign miteinander kombiniert (Taxe 80.000 bis 100.000 EUR).
Zu den frühsten Ausstellungsprojekten, an denen Kasper König mitwirkte, zählt eine Schau mit Skulpturen und Zeichnungen von Claes Oldenburg, die 1966 im Moderna Museet Stockholm stattfand. Oldenburgs „Ghost Wardrobe for M. M.“ aus der Sammlung König war 1967 in der Sidney Janis Gallery in New York zu sehen. Gegenläufig zu Marilyn Monroes allgegenwärtiger Präsenz in der Popkultur der 1950er und 1960er Jahre inszeniert Oldenburg die Schauspielerin darin als eine flüchtige, leere Form und Hülle. Mindestens 100.000 Euro dürften für die vierteilige Installation aus Kleiderstange, Bügeln, Schnüren und zwei Stilettos aus Metall aufzurufen sein. Im Anschluss an die Oldenburg-Schau kuratierte König in Stockholm eine Ausstellung mit Werken von Andy Warhol. Zeitlebens begeistert von der künstlerischen Radikalität der Pop Art, gelang es König 2011 ein Spätwerk Warhols, das Schriftbildnegativ „Somebody wants to Buy Your Apartment Building!“ von 1985/86, zu kaufen. Bei Van Ham kommt es nun für 100.000 bis 150.000 Euro zum Aufruf.
Surreale Pop Art
William Nelson Copleys „Lady be good“ von 1953 hatte einen besonderen Platz in der an Highlights nicht armen Sammlung von Kasper König. „Dem Bild wohnt eine gewisse Unschuld und Naivität inne“, sagte König einmal über den liegenden Akt. „Das Bild handelt vom männlichen Blick, aber es schließt den weiblichen Blick keineswegs aus“, so König weiter. „Lady Be Good“ kann eine eindrucksvolle Ausstellungshistorie aufweisen. Es hing in fast allen Copley-Retrospektiven, unter anderem im Centre Pompidou in Paris, im Museum Frieder Burda in Baden-Baden und in der Fondazione Prada in Mailand (Taxe 70.000 bis 90.000 EUR). Von William Nelson Copley kommt außerdem ein comicartig-surrealistisches Gemälde mit der Überlappung mehrerer kleiner Szenen von 1956 zum Aufruf (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR) sowie die pinkfarbene Acrylmalerei „Happy Birthday“ mit einer barbusigen weiblichen Figur von 1974, die keinesfalls weniger subversiv-plakativ daherkommt (Taxe 30.000 bis 50.000 EUR).
Ähnlich provokativ und knallig ist die Kunst von John Wesley. Typisch für ihn ist neben der surrealen Motivwahl seine Verschränkung von Sexualität und Pop-Kultur. In dieser Hinsicht paradigmatisch ist das Gemälde „Ohne Titel (Donald Duck)“ von 1969 aus Königs Kollektion, auf dem ein zufrieden lächelnder Akt eben Disneys Comic-Figur gebiert (Taxe 60.000 und 80.000 EUR). Während die Bekanntschaft zwischen Kasper König und dem in Los Angeles geborenen Maler auf einen Atelierbesuch des Kurators bei der Malerin Jo Baer, Wesleys Frau, zurückging, lernte er Dan Graham 1967 in New York kennen, der wenig später seine ersten Videoarbeiten als Gastdozent am kanadischen Nova Scotia College of Art and Design in Halifax realisieren konnte, wo auch König als Associate Professor für Kunstgeschichte lehrte. Die undatierte fotografische Arbeit „Sunset to Sunrise“, bestehend aus 136 C-Prints mit Aufnahmen eines Himmels, basiert auf einer in Halifax realisierten gleichnamigen Videoarbeit von 1969 (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR).
Von der Westkunst bis zum Romantiker Friedrich
Zu den besonders wegweisenden Ausstellungen, die Kasper König organisiert hat, zählt die Kölner Schau „Westkunst“ von 1981. Darin zu sehen waren unter vielen anderen die ersten Arbeiten von Thomas Schütte, der damals gerade einmal 26 Jahre alt war. Schütte ist vor allem für seine vielseitigen Skulpturen, Installationen und architektonischen Modelle bekannt. Seine „Rote Girlande“ von 1979 aus roten Stoffdreiecken hing dereinst im Kuratorenbüro der „Westkunst“-Ausstellung (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Ein entsprechendes Gegenstück von Schütte aus schwarzem Stoff wird aktuell im New Yorker Museum of Modern Art gezeigt. Schüttes Westkunst-„Modell 1:50“ von 1980 aus Karton und Balsaholz ist eines seiner frühesten architektonischen Arbeiten (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR). Zu den kleinen aber feinen Schmankerl der Sammlung zählt Schüttes kleine signierte Zeichnung „Fête de Tête“ von 1989, die König mit einem Gruß des Künstlers geschenkt wurde (Taxe 300 bis 500 EUR).
Für den ein oder anderen sicherlich überraschend, ist Kasper Königs Begeisterung für den großen deutschen Romantiker Caspar David Friedrich. Königs Liebe zu Friedrich entbrannte in New York, wo er dem Galeristen Heiner Friedrich begegnete, als dieser eine Mappe mit Zeichnungen des Malers dabeihatte. Eine Waldstudie um 1811 begeisterte König aufgrund konzeptioneller Assoziationen und Zahlenangaben, die Friedrich bei der farblichen Umsetzung des Lichteinfalls dienten, auf Anhieb (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR). Außerdem umfasst Königs Sammlung auch Caspar David Friedrichs Abzug der nur in wenigen Exemplaren erhaltenen Radierung „Die Brandstätte“. Vor den Ruinen eines niedergebrannten Hofes geben sich zwei Personen ihrer Trauer und Erschöpfung hin. An einem schiefen Restpfeiler lehnt ein Mann, gebeugt und auf einen Stock gestützt, während eine Frau weinend niedersinkt. Der Druck feiert die Trauer und Ohnmacht des Menschen angesichts der Naturgewalt (Taxe 12.000 bis 20.000 EUR). Für König war die Kunst zeitlebens auch ein Vehikel, um große Menschheitsfragen zu diskutieren. Wie ausgeprägt und bedingungslos er diesen Diskurs führte, bezeugt die von ihm hinterlassene Kunstsammlung.
Die Auktion „The Kasper König Collection – His Private Choice“ beginnt am 1. Oktober ab 18 Uhr und wird am 2. Oktober um 14 Uhr fortgesetzt. Der Katalog ist unter www.van-ham.com abrufbar. |