Ruth Erdt feiert den Zürcher Vorort Schwamendingen | | Ruth Erdt, K12. Ein Randbezirk von Zürich, 2013 | |
In der Kunsthalle in Zürich ist am Wochenende die Schau „K12 Schwamendingen“ mit Fotografien von Ruth Erdt angelaufen. Die Fotografin, die Anfang der 1990er in den Vorort im Norden Zürichs zog, der 1934 von der Stadt eingemeindet wurde und 1971 zum „Kreis 12“, kurz K12, ernannt wurde, präsentiert etwa 5.000 Bilder aus ihren insgesamt 60.000 Fotos von Schwamendingen. Die Langzeitstudie über den Ort, der in der Südanflugschneise des nahe gelegenen Flughafens Kloten liegt und von der vielbefahrenen Autobahn A1 durchschnitten wird, ist auch eine Würdigung der Menschen, die hier leben und arbeiten, und zeigt Schüler*innen, Rentner*innen, Kinder, Häuser, Personen in der Freizeit, Hunde oder Kühe auf der Weide.
Schwamendingen ist in der Schweiz für sein „Chilbi“ bekannt, ein Quartierfest Anfang September mit ortsansässigen Vereinen, Raclette, Zelten oder Volksfestbuden. Aus dem Zürcher Vorort stammen etwa der Rapper Bligg, die Fernsehmoderatorin und Schauspielerin Viola Tami oder der Nationalfußballspieler Ricardo Rodríguez. Ruth Erdt legt auch die Schattenseiten von K12 offen, so etwa die umweltzerstörende Autobahnschneise und das damit verbundene Großbauvorhaben: die seit Jahrzehnten von der Bevölkerung geforderte, 450 Millionen Franken teure Einhausung. Im März 2019 begonnen, wird sie in diesem Jahr fertiggestellt und die Autobahn auf 950 Meter zudecken.
Ruth Erdt berichtet: „In meinen Fotos versuchte ich Schwamendingen immer so aussehen zu lassen, als könnten die Bilder überall sein, in Europa, in der Welt, aber nicht in Zürich, nicht in der Schweiz. Später fing ich an, gezielter zu fotografieren. Immer noch mit der Ausrichtung, eine Art Zuordnung zu verweigern, ob zeitlich oder ortsspezifisch. Thematisch hauptsächlich den Garten, den Wald, Gebäudeabbrüche, Menschen und die Chilbi.“ In einem Bild steht ein junger Mann mit verschränkten Armen und verspiegelter Sonnenbrille vor einem geschlossenen Stand. Es ist ein Foto, das auf jedem Volksfest hätte aufgenommen sein können.
Dann aber habe sie beobachtet, wie die Generation ihres Sohnes den Ort für sich reklamiere, das Vorurteil in Stolz umwandelte und K12 in Songs, Tags und Gesten zelebrierte. Als dann um 2012 Erdts Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Kunst im öffentlichen Raum begann, habe sie den Fokus geöffnet. Es ging darum, anhand von bewusst angelegten Serien einen Dialog aufzubauen: einerseits mit dem Quartier, andererseits aber auch mit vergleichbaren Außenquartieren in europäischen Städten in Hinsicht auf Gentrifizierung, Identität oder tiefgreifende Umbrüche durch bauliche Eingriffe. So findet sich in der Schau auch ein Foto, auf dem auf eine weißgraue Hausmauer das lokalpatriotische Graffiti „K12“ mit einem Ausrufezeichen gesprüht wurde.
Die Ausstellung „Ruth Erdt. K12 – Schwamendingen“ läuft bis zum 19. Januar 2025. Die Kunsthalle Zürich hat dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr sowie donnerstags bis 20 Uhr geöffnet. Das Haus bleibt an Heiligabend, die Weihnachtsfeiertage und an Neujahr geschlossen. Der Eintritt beträgt 12 Franken, ermäßigt 8 Franken. Für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren ist er frei. Die Schau wird von einer 900seitigen Publikation begleitet.
Kunsthalle Zürich
Limmatstrasse 270
CH-8005 Zürich
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