Politischer Surrealismus in München  |  | Victor Brauner, Totem de la subjectivité blessée II (Totem der verwundeten Subjektivität II), 1948 | |
Das Münchner Lenbachhaus fragt nach den politischen Ambitionen des Surrealismus. Dazu versammeln die Kuratoren Stephanie Weber, Adrian Djukic und Karin Althaus Texte, Fotografien und Kunstwerke von zahlreichen Protagonisten der internationalen Kunstbewegung, wie Manuel Álvarez Bravo, Victor Brauner, Claude Cahun, Erró, Eugenio Granell, John Heartfield, Jindrich Heisler, Dora Maar, René Magritte, André Masson, Lee Miller, Joan Miró, Yves Tanguy, Toyen und Remedios Varo. Unter dem Titel „Surrealismus + Antifaschismus“ will die Schau demonstrieren, dass der Surrealismus als Bewegung nicht nur von künstlerischen Zielen geleitet wurde, sondern auch von dezidiert gesellschaftspolitischen. „Die Wirklichkeit war für die Surrealist*innen ungenügend: Sie wollten die Gesellschaft radikal verändern und das Leben neu denken“, so die Erkenntnis der Ausstellungsmacher, die sie parallel zur Ausstellung in einem dokumentenreichen Ausstellungskatalog wissenschaftlich untermauern.
Die Ausstellung beginnt dort, wo der Surrealismus seinen Ausgang nahm, im Paris der 1920er Jahre. Die Gruppe von Künstlern um den Schriftsteller André Breton positionierte sich in Werken und Texten etwa gegen die Unterdrückung von Aufständischen in den französischen und spanischen Kolonien Nordafrikas. Zeitgleich ging in Europa der Geist des Faschismus um, der in Spanien mit der Diktatur Francos früh Realität wurde. Pablo Picasso engagierte sich, wie viele andere Exilanten, enorm politisch. In München sind zwei grafische Bilderserien mit dem Titel „Francos Traum und Lüge“ von 1937 zu sehen, die auf aktuelle Begebenheiten in Spanien rekurrieren. Im selben Jahr zerstörten deutsche Bomber die spanische Stadt Guernica, was Picasso sofort in seinem berühmten gleichnamigen Gemälde verarbeitete. Gezeigt wurde das Riesengemälde noch 1937 im Spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris.
Streit gab es eigentlich immer unter den Surrealisten. Die Ausstellung nennt ihn eines der verbindenden Elemente der Gruppe. Anschaulich wird dies im Pamphlet „Nom de dieu!“, das von der französischen Widerstandsgruppe „La Main à plume“ herausgegeben wurde. Darin wird polemisch gegen Paul Éluard und seine Nähe zur Kommunistischen Partei, Georges Batailles verschwurbelten Mystizismus und Raoul Ubacs Mitarbeit an einer kirchlichen Zeitschrift gewettert. Ein spannendes Kapitel der Schau ist das Schicksaal deutscher Surrealisten, die aus Nazi-Deutschland nach Frankreich flohen und nach dem Überfall der Wehrmacht als „feindliche Ausländer“ interniert werden. So sitzen im Sommer 1940 plötzlich Max Ernst, Hans Bellmer, Lion Feuchtwanger und Wols gemeinsam in einem Internierungslager in Les Milles in der Nähe von Aix-en-Provence. Den Künstlern war es gestattet, im Lager zu zeichnen, und so begann Wols, der zuvor ausschließlich fotografisch gearbeitet hatte, hier erstmals mit dem Stift zu arbeiten.
Die Ausstellung „Aber hier leben? Nein danke. Surrealismus + Antifaschismus“ läuft bis zum 2. März 2025. Das Lenbachhaus hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr sowie an Silvester bis 15 Uhr geöffnet. Geschlossen bliebt an Heiligabend. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre ist er frei. Begleitend erscheint eine Anthologie mit wissenschaftlichen Texten, die im Handel 54 Euro kostet.
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau
Luisenstraße 33
D-80333 München
Telefon: +49 (0)89 – 233 320 00 |