Trauer um Michael Ruetz | | Die Akademie der Künste trauert um ihr Mitglied Michael Ruetz | |
Michael Ruetz ist tot. Der 1940 geborene Fotograf starb am 2. Dezember in seiner Heimatstadt Berlin mit 84 Jahren. Das teilte die Akademie der Künste in Berlin mit, die Ruetz 1998 in ihre Reihen aufgenommen hatte. Hier war er von 2016 bis 2018 Stellvertretender Direktor der Sektion Film- und Medienkunst. Harf Zimmermann, Fotograf und Mitglied dieser Sektion, beschreibt Ruetz, die sich beide über den Fotografen und gemeinsamen Freund Arno Fischer kennengelernt hatten, in seinem Nachruf als „Solitär in der Fotografie“, als „einzigartigen Mensch in meinem Leben“. Ruetz sei kritisch, neugierig, belesen, aufmerksam, streitbar, wenn nötig, und ein kluger Redner und Autor gewesen. „Über Alters- und Herkunftsunterschiede hinweg verband uns die Überzeugung, mit unseren Fotos etwas von Belang schaffen zu wollen, gültige Bilddokumente, ja dies genau genommen sogar zu müssen. Michaels fotografische Auseinandersetzung mit der Zeit ist gnadenlos dokumentarisch, dabei von künstlerischer und geistiger Noblesse“, so Zimmermann. Sein schriftlicher und fotografischer Nachlass wird vom Archiv der Akademie der Künste betreut.
Michael Ruetz studierte in Freiburg, München und Berlin Sinologie, Japanologie und Publizistik. Mit dem russischen Einmarsch 1968 in der Tschechoslowakei begann seine journalistische Karriere, die ihn zunächst als Bildjournalist zum „Stern“ führte. In der Beschäftigung mit der Studentenbewegung der 68er-Generation schuf er ikonische Bilder, die ihn weltweit bekannt machten. Er arbeitete dann für internationale Zeitschriften und Magazine. Im Auftrag des Stern bereiste er die DDR, unter anderem während der Weltfestspiele der Jugend 1973 und des 1. Mai 1974. Zudem fotografierte Michael Ruetz die Akteure und Liquidatoren des Prager Frühlings. In weiteren Reportagen berichtete er über Griechenland zur Zeit der Militärdiktatur, von Chile nach dem Wahlsieg Salvador Allendes und vom Unabhängigkeitskrieg des westafrikanischen Kleinstaats Guinea-Bissau.
Ab 1974 übernahm Ruetz keine Auftragsarbeiten mehr, sondern realisierte ausschließlich Buchproduktionen aufgrund eigener Ideen. In seiner Arbeit als freier Fotograf konzentrierte er sich auf wenige Themen, die er in Langzeitbeobachtungen vertiefte. Seine letzte große Ausstellung „Poesie der Zeit. Michael Ruetz – Timescapes 1966–2023“, die bis Anfang August in der Akademie der Künste zu sehen war, widmete sich dem Wandel von Lebenswelten. Michael Ruetz’ Werke wurden international ausgestellt und vielfach ausgezeichnet, so 1969 mit dem Deutschen Design-Preis, 1979 mit dem Otto-Steinert-Preis oder 1981 mit dem Villa Massimo-Preis. Im Mai 2002 wurde er durch den französischen Kulturminister Jean-Jacques Aillagon in den „Ordre des Arts et des Lettres“ aufgenommen.
Das Thema seines Lebens, so scheint es im Rückblick, sei die Vergänglichkeit gewesen, so Harf Zimmermann: „Das Fotografierte, gleich ob Ding oder Mensch, fährt auch nach dem Klick des Auslösers damit fort, seine Gestalt zu ändern – zum Guten, zum Schlechten, zum Überraschenden, zum Erwartbaren – die Zeit schreitet fort. Zeit sei vielleicht gleichzusetzen mit Gott, so ähnlich hat er es formuliert, und dass sie möglicherweise sogar der einzig zu akzeptierende Gottesbegriff sei. Schwer zu akzeptieren, dass seine Zeit nun abgelaufen ist.“ |