Semiha Berksoy: Gesang und Malerei in Berlin | | in der Ausstellung „Semiha Berksoy. Singing in Full Colour“ | |
Der Hamburger Bahnhof in Berlin zeigt mit „Singing in Full Colour“ aktuell die erste umfassende Retrospektive der Malerin und Opernsängerin Semiha Berksoy in Deutschland. Die von Sam Bardaouil, Till Fellrath, Emily Finkelstein und Agnes Rameder kuratierte Ausstellung präsentiert das über 60 Jahre umspannende künstlerische Schaffen der 2004 verstorbenen Türkin. Sie haben den Fokus auf die Malerei und zentrale Themen Berksoys gelegt, darunter die Verbundenheit zu ihrer Mutter, der Malerin Fatma Saime, und zu türkischen Künstler*innen wie dem Dichter Nazim Hikmet. Zudem stellen sie auch ihre ikonischen Opernrollen sowie ihre Karriere bestimmenden Orte und Ereignisse vor. Die Exponate umfassen mehr als 100 Gemälde und Arbeiten auf Papier sowie über 150 Archivdokumente, Filmausschnitte und Tonaufnahmen, die den Einfluss Berksoys auf die kulturelle Landschaft in der Türkei und darüber hinaus verdeutlichen. Die Retrospektive ist nicht chronologisch geordnet, sondern vermittelt die Verbindung von Oper und bildender Kunst über thematische und stilistische Gruppierung der Werke.
Den Anfang bildet ein Film, der in das Leben der 1910 in Istanbul geborenen Sängerin und Malerin einführt, die in den 1930er Jahren an der Hochschule für Musik Berlin studierte und das Berliner Publikum begeisterte. Begleitend sind historische Foto-, Ton- und Filmaufnahmen als Projektion zu sehen. Vitrinen mit Archivmaterial, Skizzen und frühen expressiven Arbeiten auf Papier illustrieren die Kindheit, Jugend und frühe künstlerische Tätigkeit Berksoys bis zu ihrer Zeit als Opernstar während der 1950er Jahre. Im nächsten bühnenartigen Raum geht es um das Theater. Hier dominieren zwei über zwei Meter hohe Malereien die Szene, die sich ihren Opernrollen widmen, darunter Ariadne, Salome und Tosca. Die Bilder zeigen Berksoy nicht nur in ihren Sängerrollen, sondern sind auch „exemplarische Manifestationen ihrer Konstruktionen des eigenen Selbst und zwar sowohl als Bühnendarstellerin wie auch als bildende Künstlerin“, so die Kuratoren. Dabei thematisierte sie häufig das Weibliche in Gestalt nackter Frauen.
Andere Arbeiten nehmen den persönlichen Bezug in den Blick, darunter insbesondere das Portrait „Annem Ressam Fatma Saime“ von Berksoys Mutter aus dem Jahr 1965. Das auf der diesjährigen Biennale von Venedig ausgestellte Bildnis präsentiert eine Frau ohne Alter mit kunstvollen Locken als frontale Büste. Die stilisierte, schwarz gekleidete Dame mit vereinfachten Gesichtszügen wird von zwei roten Farbschlieren ab Ohrenhöhe begleitet. Das fast totenkopfgleiche Portrait mit einer helleren haloartigen Aussparung auf zartem rosafarbenem Grund steht mit den beunruhigenden, durchgehend schwarzen Augen in einer fremdartigen Beziehung.
Am Ende des Ausstellungsraums ist ein Selbstporträt Berksoys als Ariadne in der Produktion der Berliner Musikakademie von Richard Strauss’ „Ariadne auf Naxos“ aus dem Jahr 1939 zu sehen. Berksoys Karriere hatte ihren Gipfel erreicht; doch der Zweite Weltkrieg zwang die Künstlerin zur Rückkehr in die Türkei. Zeichnungen, Briefe, Skizzen und weitere Dokumente zeichnen den Weg Berksoys nicht nur als interdisziplinäre Künstlerin und öffentliche, sondern auch als private Person nach. Zudem wird der „Semihaismus“ angesprochen, den sie als Performerin auf der Bühne oder privat in ihrem Zuhause auslebte. Als Opernsängerin war Semiha Berksoy bis ins hohe Alter aktiv und sang noch im Jahr 2000 den „Liebestod“ aus Wagners „Tristan und Isolde“ im New Yorker Lincoln Centre. Berksoy starb hochbetragt 2004 in Istanbul.
Die Ausstellung „Semiha Berksoy. Singing in Full Colour“ ist bis zum 11. Mai 2025 zu sehen. Der Hamburger Bahnhof hat dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 20 Uhr und am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Das Haus bleibt an Heiligabend und Silvester geschlossen. Der Eintritt beträgt 16 Euro, ermäßigt 8 Euro. Begleitend zur Ausstellung erscheint eine Ausgabe der Katalogreihe des Hamburger Bahnhofs für 20 Euro.
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