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Mannheim feiert die Geburt der Neuen Sachlichkeit vor 100 Jahren und blickt damit auch auf gesellschaftspolitische Strömungen der Gegenwart

Klare Konturen in schwierigen Zeiten



Max Beckmann, Christus und die Sünderin, 1917

Max Beckmann, Christus und die Sünderin, 1917

Als Mitte 1925 der Mannheimer Kunsthallendirektor Gustav Friedrich Hartlaub die bahnbrechende Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“ präsentierte und damit einer aktuellen Strömung einen einprägsamen Namen verlieh, rückte er pointiert Gemälde von Max Beckmann in den Fokus. Hartlaub war bei seinem Ansinnen, signifikante Zeiterscheinungen aufzuspüren, zum Schluss gekommen, Beckmann als größten lebenden Maler zu klassifizieren und ihn daher mit vierzehn Gemälden umfassend vorzustellen. Dazu billigte er ihm das Talent zu, diverse Varianten der Neuen Sachlichkeit zu verschmelzen, obgleich dessen Zugehörigkeit zu dieser Strömung in der Fachwelt umstritten war. Auch jetzt nach 100 Jahren ist der Maler in der Jubiläumsschau der Kunsthalle Mannheim mit sieben prägnanten Werken vertreten.


Im Auftaktsaal hat Kuratorin Inge Herold Beckmanns noch stark im Expressionismus verhaftetes Gemälde „Christus und die Sünderin“ von 1917 prominent platziert. In einer grauen Farbskala schwungvoll skizziert, tritt der barfüßige Christus mit den Gesichtszügen des Verlegers Reinhard Piper mittig vor die farblich betonte, kniende Sünderin in der Erscheinung von Minna Beckmann-Tube, während sich rechts verächtlich ein Mann abwendet und links drohende Personen zurückgehalten werden. Auch dieses Bild, das die Kunsthalle Mannheim 1919 für 4.000 Reichsmark erworben hatte, hing in der Schau von 1925, fiel aber 1937 der Aktion „Entartete Kunst“ zum Opfer. Heute gehört es zum Bestand des Saint Louis Art Museum. Die meiste Aufmerksamkeit erregte bei Hartlaubs legendärer Schau allerdings das benachbart angeordnete, von George Grosz 1925 geschaffene Porträt des Schriftstellers Max Herrmann-Neiße. In einem ungefilterten Realismus illustrierte Grosz die von einem Buckel gezeichnete, kleinwüchsige Person, zusammengesunken und schwermütig distanziert, zugleich aufmerksam beobachtend. Die Hände als Werkzeuge des Künstlers und Schriftstellers sind besonders ausdrucksstark akzentuiert. Das Bild des Freundes gilt heute als Höhepunkt neusachlicher Porträtmalerei.

Begleitet werden die beiden einführenden Meisterwerke von Dokumenten zur historischen Schau, die ab 1923 geplant und 1925 realisiert werden konnte. Zwischen dem 14. Juni und dem 13. September 1925 kamen lediglich 4405 Besucher, eine zwar anerkennende Resonanz, aber kein Publikumserfolg. Damals umfasste die Präsentation 132 Werke von 32 Künstlern, von denen aufgrund mangelnder Dokumentation heute nur 112 belegbar sind. Sieben Arbeiten gelten als zerstört, zwanzig als verschollen oder nicht auffindbar. Weitere zwanzig konnten bislang nicht identifiziert werden. Hartlaubs Ausstellungskonzept war bestimmt von der Zwei-Flügel-Theorie: Er teilte die Werke in veristische Bilder eines links gerichteten Flügels in der Form eines „neuen Naturalismus“ und einen rechten im Sinne eines „neuen Klassizismus“ ein, wobei er Beckmann als verbindend ansah.

Gegen Ende des Jahres 1925 zog die Mannheimer Ausstellung dann nach Dresden und Chemnitz weiter. Im Anschluss wurde die Wanderschau nicht mehr unter Mannheimer Regie in Erfurt, Dessau, Halle, Jena und Essen gezeigt, was die breite Wahrnehmung einer neuen Gegenständlichkeit verstärkte. Durch viele Ankäufe prägte Hartlaub dann nachhaltig die Sammlungsentwicklung der Mannheimer Kunsthalle. Viele angekaufte Werke der Neuen Sachlichkeit wurden später als entartet gebrandmarkt und aus dem Bestand entfernt; Hartlaub selbst wurde 1933 seines Amtes enthoben.

Die aktuelle Rückblende am historischen Ort konzipierte Inge Herold nicht als Nachstellung, sondern erweiterte sie kritisch in über ein Dutzend Themenblöcke mit insgesamt 233 Werken von 124 Künstler*innen. Darunter waren 24 Arbeiten bereits in der Auswahl vor 100 Jahren zu sehen. Heute sind 21 Künstlerinnen hinzugekommen; seinerzeit war keine einige Frau mit dabei. Als weiterer Aspekt kommt der Blick über die Grenzen hinzu, auf den Hartlaub seinerzeit verzichtete.

Auch heute müssen sich die Besucher darauf gefasst machen, keine freudige, sondern stimmungsmäßig eine eher ernste, trübselige Ausstellung zu sehen. Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und dessen wirtschaftliche und soziale Folgen hinterließen ihre Spuren. Armut und politische Auseinandersetzungen beherrschten den Alltag. Nur kurz war die Phase der Stabilisierung ab 1924 bis 1929, die als „Goldene Zwanziger“ tituliert werden. Als Vertreter der sozialkritischen Kunst trat besonders Otto Dix in Erscheinung. Als schonungsloser Porträtist verewigte er Kriegsversehrte, Prostituierte und Verlierer der Gesellschaft. Dix’ schon 1925 gezeigter „Arbeiterjunge“ von 1920 verströmt wie nahezu alle Bilder die flirrende, eigentümliche Melancholie, die sich wie ein Schleier über alle Kunstwerke legt.

Damals wie heute überwiegen Menschenbilder die Auswahl. Emotionslos im Gesichtsausdruck, ein ins Leere gerichteter Blick sowie eine erstarrte, passive Körperhaltung dominieren die Personendarstellungen. Das Bild der Frau ist geprägt von der Phase der Emanzipation und der verstärkten Teilhabe am Berufsleben oder an sportlichen Aktivitäten. Kurzhaarfrisur, Anzug, Krawatte und Zigarette markieren ihre neuen Rollen, während allerdings der Großteil mit bedrückenden Lebensrealitäten zu kämpfen hatte. Tanz, Musik und vor allem der aus Amerika herüberschwappende Jazz beförderten die Auflösung alter Rollenmuster. Besonders das bronzene Selbstbildnis von Renée Sintenis aus dem Jahr 1926 im spezifisch androgynen Habitus verkörpert den Typus der so genannten „Neuen Frau“. Weitere Abschnitte widmen sich den Stillleben, deren für Trostlosigkeit stehende Objekte kühl den Zeitgeist spiegeln. An der Stelle luxuriöser Schnittblumen treten kratzbürstige Kakteen oder Gummibäume. Prosperierender Wohnungs- und Industriebau, technischer Fortschritt, Handel und neue Verkehrsinfrastruktur wie U-Bahnen oder das Automobil fanden ebenso Eingang in die Welt der Malerei. Das von Carl Grossberg im Jahr 1928 festgehaltene Torhaus der Berliner Avus führt dies exemplarisch vor Augen.

Erfreulicherweise wird die Neue Sachlichkeit als globales Phänomen vorgestellt. Pablo Picassos „Leserin“ von 1920, eine Leihgabe aus dem Pariser Centre Pompidou, steht für den neoklassizistischen Stil des Malers. In Italien breitete sich die „Pittura metafisica“ aus, deren geometrische und flächenbetonte Formensprache mit starken Schattenbildungen und magisch-geisterhafter Wirkung etwa Alexander Kanoldt in seiner Ansicht von San Gimignano von 1922 inspirierte. Neben Beispielen aus der Schweiz, den Niederlanden, Österreich, Frankreich oder Großbritannien nutzten in Amerika die „Präzisionisten“ wie Charles Sheeler, Charles Demuth, Louis Lozowick oder Georgia O’Keeffe sachliche Motive zur Herausbildung einer kulturellen Identität. Krisen und soziale Einschnitte spiegeln sich besonders in den von Leere, Sinn- und Ziellosigkeit geprägten, filmisch beflügelten Sujets von Edward Hopper, dessen „Fenster bei Nacht“ von 1928 aus dem Museum of Modern Art in New York den Weg nach Mannheim fand.

Um 1930 verlor die Neue Sachlichkeit an Kraft und nahm romantische Züge an. Den formalen und thematischen Wandel vermitteln unter anderem Bilder von Otto Dix, der sich altmeisterlicher Malerei zuwandte, oder Landschaften von Georg Schrimpf, die eine Rückbesinnung auf die Romantik verinnerlichen. Das politische Klima des aufkommenden Nationalsozialismus beförderte den Wandel hin zu idealisierten, heroischen Leitmotiven unter Einbeziehung von Blut und Boden, rassischer Gesundheit, der Rolle der Frau als Mutter und Ernährerin und damit Tendenzen, die im Gegensatz zur thematischen Grundhaltung der Neuen Sachlichkeit standen. Repräsentanten des rechten Flügels passten sich nach 1933 überwiegend den neuen Verhältnissen an, während Vertreter des linken Flügels mehrheitlich ins Exil gingen. Nur Relikte neusachlicher Formen überlebten in Landschafts-, Familien- oder Bauernbildern des Dritten Reichs in Verbindung mit einer Neigung zur Pathetik und zum Monumentalen. Erweitert um eine digitale Komponente, die Werke und Komponenten der Ursprungsschau vor Augen führt, bietet die nunmehrige Jubiläumsausstellung – stilistisch, motivisch und thematisch weit aufgefächert – einen Blick ins Zeitgeschehen von damals und öffnet somit die Augen für Herausforderungen der Gegenwart.

Die Ausstellung „Die Neue Sachlichkeit. Ein Jahrhundertjubiläum“ ist noch bis zum 9. März zu sehen. Die Kunsthalle Mannheim hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 20 Uhr, jeden ersten Mittwoch im Monat bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis beträgt 14 Euro, ermäßigt 12 Euro. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen, der im Museumsshop 40 Euro kostet.

Kontakt:

Kunsthalle Mannheim

Friedrichsplatz 4

DE-68165 Mannheim

Telefon:+49 (0621) 29 36 423

Telefax:+49 (0621) 29 36 412

E-Mail: info@kuma.art

Startseite: www.kuma.art



05.02.2025

Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Hans-Peter Schwanke

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