Essen präsentiert Industriefotografin Ruth Hallensleben  |  | Ruth Hallensleben, Rolleiflexbau, 1950 | |
Bereits der Titel der Schau „Bilder im Auftrag. Fotografien von Ruth Hallensleben 1931-1973“ gibt deutlich zu verstehen, dass es in der aktuellen Ausstellung des Essener Ruhr Museums nicht um Schnappschuss- oder Gelegenheitsfotografie geht. Ruth Hallensleben arbeitete über 40 Jahre als freie Auftragsfotografin vornehmlich für Industrieunternehmen, was den Charakter ihrer Aufnahmen maßgeblich prägt. Ein Großteil ihrer Kunden stammte aus dem Ruhrgebiet. Das bewegte die Kulturstiftung Ruhr im Jahr 1986 dazu, für 145.000 Deutsche Mark ihren Nachlass zu erwerben, der 1989 in den Bestand des Fotoarchivs des Ruhrlandmuseums, des heutigen Ruhr Museums, überging. Mit rund 40.000 Negativen und Abzügen stellt dieser Korpus den Nukleus dieses Sammlungsbereichs dar. Im Rahmen einer Ausstellungsserie zu bedeutenden Fotografinnen des Ruhrgebiets wählte die Kuratorin Stefanie Grebe nun 120 Bilder für eine Überblickschau zu Hallensleben aus, ergänzt von Monitorprojektionen, Kontaktbüchern und Firmenschriften. Um die überbordende Fülle in ihrer Vielschichtigkeit vorzustellen, gliederte Grebe die Exponate griffig in 14 Kapitel, die unter Begriffen wie „Industrie“, „Landschaft“, „Reise“, „Werbung“, „Porträts“, „Reportagen“, „Theater“ oder „Rüstung“ wesentliche Betätigungsfelder und Charakteristika im Schaffen von Hallensleben zusammenfassen.
Geboren 1898 in Köln und 1977 ebendort verstorben, begann die zuerst als Kindergärtnerin ausgebildete Ruth Hallensleben im Jahr 1930 eine Lehre im Kölner Fotoatelier Gropp. Schon 1934 eröffnete sie ein eigens Studio, das sie bis 1973 von der NS-Zeit über die Wiederaufbauphase bis hin zum beginnenden Strukturwandel betrieb. Im von Männerarbeit dominierten Ruhrgebiet betätigte sie sich dabei in einem auch Frauen offenstehenden Sektor. Porträts bekannter Persönlichkeiten leiteten den Ausstellungsparcours ein, gefolgt von Kinder-, Pflanzen- oder Tiermotiven, die sie über Bildagenturen gegen Honorar vertrieb. Durchgängiges Merkmal ihres Schaffens waren jedoch Auftragsbilder von Firmen, Konzernen, Institutionen oder Zeitschriften wie etwa „Das Werk“, mit denen sie über Jahrzehnte in Kontakt blieb. Systemübergreifend stand die heile Welt der Auftraggeber im Fokus. Die Aufnahmen waren inszeniert, Maschinen dienten als Kulissen, die kollektive Werksgemeinschaft wurde herausgestellt.
Eigene Themen verfolgte Ruth Hallensleben nicht, denn sie verstand sich als Handwerkerin, nicht als Künstlerin. Folglich prägte ihr Werkschaffen ein dokumentarisch-sachlicher Stil. Idealisierend erfasste sie Ordnung und Präzision in einem neusachlichen Duktus. Dies gilt selbst für Dokumentationen des Wiederaufbaus des Kölner Doms oder Reisefotografien. Die ab den 1960er Jahren einsetzende Automatisierung mit schwindendem handwerklichem Charakter verlangte dann neue Strategien der Inszenierung, denen Hallensleben nicht mehr gerecht wurde. Leere, Kälte und Monotonie charakterisieren Fotos aus jenen Jahren. Nach ihrem Ableben gelangten viele ihrer Bilder in den Kunsthandel. Durch das Fehlen des Verwertungszusammenhangs gewannen die Arbeiten nun an Autonomie. Ab den 1980er Jahren auf vielen Ausstellungen präsent, erzielen ihre Bilder auf Auktionen heute Preise von wenigen hundert Euro bis hin zu einigen tausend Euro.
Die Ausstellung „Bilder im Auftrag. Fotografien von Ruth Hallensleben 1931-1973“ läuft bis zum 24. August. Das Ruhr Museum hat täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 5 Euro, ermäßigt 4 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schüler und Studierende unter 25 Jahren ist er frei. Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen, der im Museum 29,95 Euro kostet.
Ruhr Museum
Gelsenkirchener Straße 181
D-45309 Essen
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