Wiederaufgetauchte Claudel-Skulptur für Millionenbetrag versteigert  |  | Camille Claudel, L’age mur (La jeunesse et l’âge mûr), 1899 | |
Vor mehr als 100 Jahren war Camille Claudels Bronze „L’age mur“ das letzte Mal zu sehen. Am Sonntag wechselte dieses Hauptwerk der französischen Bildhauerin im Auktionshaus Philocale in Orléans nach einer langen Bieterschlacht von zwanzig Minuten für 3,1 Millionen Euro netto den Besitzer. Der Schätzwert für diese in nur wenigen Exemplaren vorliegende Arbeit lag bei 1,5 bis 2 Millionen Euro. Die Skulptur war ein Zufallsfund. Matthieu Semont, der Eigentümer von Philocale, entdeckte die Arbeit im Rahmen einer Erbschaftsinventur in einer seit über fünfzehn Jahren verlassenen Pariser Wohnung. Das Werk befand sich wohl seit 1930 im Besitz der selben Familie.
Camille Claudel schuf das Modell für die Bronze im Jahr 1899. Das Thema der Statuette ist der Lebenszyklus, wie auch der ursprüngliche Titel „La jeunesse et l’âge mûr“, die „Jugend und das reife Alter“, verdeutlicht. Zu sehen sind drei Personen, wobei die nackte kniende junge Frau nach der Hand des deutlich älteren, fortschreitenden Mannes greift. Der ebenfalls nackte Mann mit abgehärmten Gesichtszügen entfernt sich und wird von der dritten Gestalt mitgezogen. Diese ältere Frau ist vermutlich die Schicksalsgöttin Klotho, die den Lebensfaden durchschneidet. Eine vorangegangene Version der Skulptur entstand 1893, nachdem sich Camille Claudel von ihrem Lehrer und Liebhaber Auguste Rodin getrennt hatte, was sie in eine finanzielle und emotionale Krise stürzte. Daher kann „L’age mur“ auch als Sinnbild für ihre gescheiterte Beziehung verstanden werden.
Ab etwa 1905 offenbarten sich bei Camille Claudel zudem Symptome einer psychischen Erkrankung, die dazu führte, dass sie viele ihrer eigenen Werke zerstörte. Es ist dem Galeristen Eugène Blot, der auch Gießer war, zu verdanken, dass das Gipsmodell 1907 in verkleinerter Form in Bronze gegossen wurde. Er ließ fünf Exemplare von „L’age mur“ herstellen, drei davon sind weiterhin verschollen. Der Guss Nr. 3 befindet sich im Musée Camille Claudel in Nogent-sur-Seine; bei den Versionen im Rodin-Museum und dem Musée d’Orsay handelt es sich um spätere Güsse. Die nun verkaufte Arbeit mit der Gussnummer 1 war zuletzt 1907/08 in einer Ausstellung der Galerie von Eugène Blot öffentlich zu sehen. Sie erzielte nun das zweithöchste Auktionsresultat für ein Kunstwerk aus der Hand Claudels, übertroffen nur von ihrer ebenfalls bewegten Skulptur „La valse“ von 1892, die 2013 bei Sotheby’s in London auf 4,5 Millionen Pfund kam. |