Christian Marclays Uhr-Film in Stuttgart  |  | Christian Marclay, The Clock, 2010 | |
Es sei eine tranceähnliche Erfahrung, fast halluzinogen; man könne Dinge sehen, die nicht da sind. So äußerte sich die britische Schriftstellerin Zadie Smith, als sie Christian Marclays Video „The Clock“ gesehen hatte. Nun präsentiert das Kunstmuseum Stuttgart erstmals in Deutschland die 24 Stunden-Filminstallation, die
2011 auf der Biennale von Venedig den Goldenen Löwen erhielt. Die Jury würdigte die Arbeit damals als „Meisterwerk“. Sie sampelt Tausende von Filmausschnitten, die Uhren abbilden oder auf Zeit Bezug nehmen: von Turmuhren über Armbanduhren und klingelnde Wecker bis hin zu Sonnenuhren und Pendeluhren sowie Szenen, in denen Menschen sich einander die Uhrzeit mitteilen. Im Kunstmuseum Stuttargt ist „The Clock“ in einem speziell nach den Vorgaben des Künstlers gestalteten Raum zu sehen.
Über einen Zeitraum von drei Jahren suchten Christian Marclay und seine sechs Assistenten nach geeignetem Filmmaterial. Marclay schnitt diese sorgfältig und raffiniert zu einer 24stündigen Montage zusammen. Minute um Minute, Sekunde um Sekunde erfasst „The Clock“ einen ganzen Tag in Filmbildern. Dabei ist die Zeit im Film mit der realen Zeit im Ausstellungsraum synchronisiert. Die Anordnung der Handlungs- und Dialogfragmente im Film erfolgt nicht zufällig. Marclay bearbeitete die Szenen so, dass sie eine kohärente Erzählstruktur bilden.
Trotz der überwältigenden Fülle an Handlungs- und Dialogfragmenten, die „The Clock“ nacheinander in der Montage zusammenbringt, ist es Marclay gelungen, ein einheitliches, rhythmisches Erzähltempo zu etablieren. Nie entsteht der Eindruck von Diskontinuität. Das verbindende Grundnarrativ der Zeit spannt dichte Bögen. Jede Minute, die auf der Leinwand vergeht, besitzt das Potenzial für abwechselnd spannende, tragische oder romantische Erzählungen. Zudem ehrt das Werk das Kino und dessen Akteure. Marclay suchte Material aus allen Filmepochen, -stilen und -genres, darunter Szenen aus Quentin Tarantinos „Pulp Fiction“ oder Sam Mendes’ „American Beauty“, aus Western, Kriegsfilmen, Musicals, Hollywood-Klassikern und B-Movies, in Farbe oder Schwarzweiß.
Der 1955 in Kalifornien geborene Christian Marclay lebt und arbeitet in London. Seit über 40 Jahren untersucht er in seinen Arbeiten die Beziehungen zwischen bildender Kunst und Audio-Bildkulturen. Er setzt diese Themen in Collagen, Skulpturen, Installationen und Filmen visuell um.
Die Ausstellung „Christian Marclay: The Clock“ läuft bis zum 25. Mai. Das Kunstmuseum Stuttgart hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, am Freitag zusätzlich bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Am 17. Mai ist der Film durchgehend am Stück von 10 Uhr an zu sehen.
Kunstmuseum Stuttgart
Kleiner Schlossplatz 1
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