 |  | Schon am Eingang überwältigt die TEFAF mit ihrem Blumenschmuck | |
Sie beeindruckt schon beim Betreten der Messehallen: die TEFAF in Maastricht. Es ist der Blumenschmuck, der heuer wie eine gewaltige, doch gleichzeitig gläserne und bunt eingefärbte Glocke über den Besuchern schwebt, zum Fotografieren einlädt und sich im Innern in kleinen Glöckchen fortsetzt. The European Fine Art Fair ist immer noch die weltweit wichtigste Messe für Kunst, Antiquitäten und Design, die 7.000 Jahre Kunstgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart abdeckt. Mit über 270 renommierten Händlern aus rund 22 Ländern möchte sie ein jährlich wiederkehrendes Schaufenster für die besten Kunstwerke sein, die der Markt derzeit bereithält. Neben den traditionellen Bereichen Gemälde Alter Meister und Antiquitäten, die etwa die Hälfte der Messe ausmachen, findet man die moderne und zeitgenössische Kunst, Fotografie, Schmuck und Design des 20. Jahrhunderts immer stärker besetzt. Schon an den beiden Preview-Tagen sah man Museumsdirektoren, Sammler, Stifter und Kuratoren aus der ganzen Welt über die TEFAF schlendern, die sich umschauten und noch völlig ungestört von den Massen auch einige Raritäten mitnahmen. So wurde ein französisches Museum bei der Kunstgalerij Albricht mit der expressiven Winterszene „Drei Mädchen im Schnee“ von George Hendrik Breitner um 1892/94 fündig, und Salomon Lilian veräußerte „Die Jungfrau im Gebet“ von Michael Sweerts für rund 3,5 Millionen Euro an eine niederländische Stiftung.
Seit den ersten Messetagen wird der Wiener Kunsthandel Wienerroither & Kohlbacher von Fernsehteams umlagert. Die Inhaber sind immer wieder aufgefordert, die Geschichte der Wiederentdeckung eines Frühwerks von Gustav Klimt zu erzählen, dass das letzte Mal 1928 gezeigt wurde. Es handelt sich um das ungewöhnliche Porträt des aus dem heutigen Ghana stammenden Prinzen William Nii Nortey Dowuona, den Klimt 1897 bei einer der damals beliebten Völkerschauen in Wien auf seine Leinwand bannte. Ein Ehepaar kam in die Galerie und legte dem Assistenten ein Foto des stark verschmutzten Bildes vor, das so lange als verschollen galt. Der junge Mann schickte die beiden weg, doch einer der Inhaber, der das Gespräch mitgehört hatte, lief hinterher. Ein Spurt der sich gelohnt hat, denn nun ist das Werk marktfrisch zum ersten Mal auf der TEFAF zu sehen und nach der Restaurierung und einem Restitutionsvergleich mit den Erben der ehemaligen jüdischen Besitzerin Ernestine Klein für 15 Millionen Euro zu haben. Wienerroither & Kohlbacher wurden außerdem bereits eine Zeichnung von Lyonel Feininger und ein Gemälde von Koloman Moser los.
Die Galerie Skarstedt mit Niederlassungen in New York, London und Paris holte wieder einmal einen Schlitten von Joseph Beuys mit Filzdecke, Taschenlampe und Fettklumpen sowie das bekannte Beuys-Porträt von Andy Warhol hervor. Aus Frankfurt war die Kunsthändlerin Petra Rumbler mit einigen hochkarätigen druckgrafischen Werken angereist, darunter zwei kleinen Arbeiten von Rembrandt van Rijn, die direkt den Besitzer wechselten. Außerdem offeriert sie acht Blätter mit Bäumen von Georg Baselitz, die an dessen erste Versuche zur Technik der Kaltnadelradierung im Studium erinnern. Pablo Picassos Muse und zweite Ehefrau Jacqueline Roque zieht gleich zweimal die Aufmerksamkeit auf sich, einmal bei der William Weston Gallery aus London, wo eine Farblithografie aus dem Jahr 1956 mit dem melancholischen Profil Jacquelines mit einem roten Punkt versehen ist. Dann tritt sie prominent noch bei Landau Fine Art in Erscheinung, wo ihr Gemälde auf 50 Millionen US-Dollar geschätzt wird. Weston hat außerdem bereits Andy Warhols schönes Blatt „Flowers – Hand-Coloured – Composition VII“ von 1974 oder Sonia Delaunays abstrakte farbleuchtende Kreiskomposition „Poesies de Mots Poesies de Couleurs“ von 1962 abgegeben.
Das auf dieser besonderen Kunstmesse auch ungewöhnliche Werke gehandelt werden, beweist die Terrakottafigur eines Panzernashorns namens „Clara“, das 1741 in die Niederlande kam und dann durch eine siebzehnjährige Ausstellungstour durch Europa zu großer Berühmtheit gelangte, bis es 1758 in London verstarb. Es war das erste Rhinozeros, das in Gefangenschaft jahrelang überlebte. Das Rijksmuseum in Amsterdam erwarb die Skulptur auf der TEFAF beim Kunsthandel Mehringer aus München, um damit seine Sammlung zu Darstellungen der „Clara“ zu vervollständigen. Die fünfzig Zentimeter große und ausdrucksvolle Plastik in einer naturalistischen Ausführung wird dem 1722 geborenen niederländischen Arzt und Naturforscher Petrus Camper zugeschrieben, der sich im Alter von 50 Jahren dann auch noch der Bildhauerei widmete.
Der Handschriftenspezialist Jörn Günther aus Basel gab ein vom Meister der Schöffen von Rouen und Robert Boyvin gemeinsam illuminiertes spätmittelalterliches Stundenbuch mit einem veröffentlichten Preis von 300.000 Euro an einen niederländischen Privatsammler ab. Thomas Coulborn & Sons aus den englischen West Midlands erfreuten sich eines lebhaften Gedränges auf ihrem Stand und fanden für mehrere Werke Interessenten, darunter für ein Paar schlichte englische Stühle aus Nussbaumholz mit auffällig floralem Bezug um 1730, ein Paar barocke Wandleuchter des 17. Jahrhundert und zehn Ansichten von Ägypten und Bulgarien, die Luigi Mayer für den britischen Gesandten Sir Robert Ainslie 1792 als Gouachen und als Reiseandenken von dessen Grand Tour ausführte und jetzt circa 150.000 Euro einbrachten.
Das Besondere an der TEFAF sind auch die individuell gestalteten Stände, die gerade bei Antiquitäten und der Alten Kunst versuchen, die Zeit nachzustellen, in der die Möbel, Gemälde oder Gebrauchsgegenstände in Nutzung waren. Somit werden Räume lebendig, die durch ihre besondere Atmosphäre vergessen lassen, dass man sich in einer schnöden Messehalle befindet, und mancher Interessent wird sich auch davon bei Kaufentscheidungen beeinflussen lassen. So gesehen bei Daniel Crouch Rare Books aus London, dessen Stand die Bibliothek des berühmten Kartographen Lucas Janszoon Waghenaer eindrucksvoll nachbildete. Daniel Crouch meldet drei Verkäufe: die beiden aufwändig gestalteten Karten „Lugdunum Batavorum“ des Amsterdamer Kupferstechers Christiaan van der Hagen und „Rotterodamum Rotterdam“ von Johannes de Vou und Romeyn de Hooghe, außerdem ein Taschenglobus von „Ms West“ nach Nicholas Lane. Die Preisvorstellungen lagen bei bis zu 60.000 Euro.
Im Bereich der zeitgenössischen Kunst zeigte sich die Galerie Beck & Eggeling aus Düsseldorf schon am ersten Tag mehr als zufrieden, hatte sie doch eine große kinetische Skulptur von George Rickey sowie Werke von Heinz Mack verkauft, wobei die Preise von 30.000 Euro bis 130.000 Euro gingen. Geht man über die Messe, dann weiß man durch die Sprachenvielfalt, dass man inmitten von Europa ist. Englisch, teils mit amerikanische Akzenten, Französisch, Niederländisch, Deutsch – das fällt auf. Und dass bei den Neuzugängen nicht nur die bekannte Galerie Lelong & Co. aus Paris dabei ist oder Lebreton aus Monaco sondern auch D’Lan Contemporary aus Australien beweist, dass sich der Ruf der Messe über die Welt ausgebreitet hat. Auch wenn die TEFAF durch die BRAFA in Brüssel eine starke Konkurrenz im direkt angrenzenden Nachbarland Belgien erhalten hat, bleibt sie doch einzigartig.
Die TEFAF hat noch bis zum 20. März täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis entspricht der Exklusivität der Veranstaltung: eine Person zahlt 50 Euro, Studenten 22,50 Euro, Jugendliche von 12 bis 18 Jahren 20 Euro.
Maastricht Exhibition & Congress Centre
Forum 100
NL-6229 GV Maastricht
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