Duisburg vereint Eva Aeppli und Jean Tinguely  |  | Eva Aeppli und Jean Tinguely, Erste Hexe, 1990/91 | |
Unter dem Titel „Mechanik und Menschlichkeit. Eva Aeppli und Jean Tinguely“ führt das Lehmbruck Museum in Duisburg aktuell 76 Werke des Künstlerpaares zu einer Retrospektive zusammen. Anlass der nach Museumsangaben weltweit ersten umfassenden Präsentation, in der beide Schweizer Künstler gleichrangig vereint sind, ist jeweils der 100. Geburtstag: Eva Aeppli wurde am 2. Mai 1925 im Zofingen, Jean Tinguely am 22. Mai 1925 in Freiburg geboren. Beiden hat das Rheinland stets eine Bühne geboten. Jean Tinguely konnte im Jahr 1959 in der Düsseldorfer Galerie Schmela seine erste Soloschau in Deutschland ausrichten und erhielt 1979 den renommierten Wilhelm-Lehmbruck-Preis. Eva Aeppli, die mit Tinguely zwischen 1951 bis zur Trennung 1960 verheiratet und auch danach privat wie künstlerisch eng verbunden war, wurde 1994 in der Bonner Bundeskunsthalle mit einer Ausstellung geehrt.
Die von Anne Groh kuratierte Schau beleuchtet in fünf Kapiteln, wie das Werk der beiden ineinandergreift und trotz betont individueller Positionen gegenseitige Inspiration erfährt. Nach ersten künstlerischen Anfängen in Basel, wo sie sich an der Kunstgewerbeschule kennenlernten, zogen Aeppli und Tinguely 1953 nach Paris. 1954 bestritten sie hier ihre erste Ausstellung. Tinguely definierte die Regeln der Kunst neu. Heitere Drahtplastiken entwickelte er zu Maschinen aus Schrott und vorgefundenen Teilen, versah sie mit einem Motor und überführte sie ins Monumentale. Mit ironischer Vitalität und Verrücktheit befreite er zwar die Kunst aus ihrem elitären Dasein, doch erweist sich der Hintergrund, wie bei der Malmaschine „Méta-Matic“ von 1959, als ernsthaft: die Maschine übernimmt nun menschliche Tätigkeiten. Um den Lebensunterhalt zu sichern, verkaufte Eva Aeppli selbst genähte Handpuppen. Sie entdeckte dieses Medium dann für sich und fertigte alsbald lebensgroße Stofffiguren mit ausgemergelten Körpern und in Winkeln ausschlagende Arme samt langen dünnen Fingern. Sie strahlen auch jetzt in Duisburg eine düstere verstörende Stille aus. Zudem wartet das Lehmbruck Museum mit Aepplis monumentaler Installation „Groupe de 48“ von 1969/70 auf: in schwarze Gewänder gehüllte Figuren haben weit geöffnete Münder, so als wollte ein Chor zum Schrei ausholen. In dieser Arbeit interpretiert Aeppli das kollektive Schicksal des Menschen und verweist zugleich auf die Aufbruchsstimmung der Zeit.
Jean Tinguely wurde 1960 Gründungsmitglied der losen Künstlergruppierung „Nouveaux Réalistes“. Zentrale Akteurin in diesem Kreis war Niki de Saint Phalle, die Tinguely 1971 heiratete. Nicht nur mit ihr, sondern auch mit seiner ersten Ehefrau blieb er weiter eng verbunden. In den späten Jahrzehnten rückten Themen wie Tod, göttliche Macht und Vergänglichkeit in den Fokus. Tinguely verwendete Tierschädel oder kitschige Madonnenfiguren in makabren Maschinen, und Aeppli stellte in einer Abendmahlszene den Tod in den Mittelpunkt. Im Jahr vor Tinguelys Ableben 1991 in Basel kamen beide noch einmal künstlerisch zusammen. Davon zeugen dreizehn großformatige Installationen, die 1991 in der Baseler Galerie Littmann unter dem Titel „Collaboration“ präsentiert wurden, heute aber kaum bekannt sind. Lärmende bewegte Maschinen und ausdrucksstarke Figuren gehen eine Verbindung ein, tanzende wirbelnde Gestalten versprühen noch einmal Freiheit und Lebensfreude. Der Sinn für das Groteske und Makabre, ein Hang zum Komisch-Schaurigen, zugleich aber auch etwas Fragiles, Leichtes und Amüsantes in Opposition zu bürgerlichen Konventionen waren grundlegende Gemeinsamkeiten in beider Werkschaffen.
Die Ausstellung „Mechanik und Menschlichkeit. Eva Aeppli und Jean Tinguely“ ist bis zum 24. August zu besichtigen. Das Lehmbruck Museum hat täglich außer montags von 12 bis 17 Uhr, samstags und sonntags ab 11 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 9 Euro, ermäßigt 5 Euro. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der an der Museumskasse 24 Euro kostet.
Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum
Friedrich-Wilhelm-Straße 40
D-47051 Duisburg
Telefon: +49 (0)203 – 283 32 94 |