Schlingensief-Werk für Berliner Nationalgalerie  |  | Christoph Schlingensief vor der Freiheitsstatue, 9. November 1999 | |
Die Neue Nationalgalerie erhält mit „Deutschlandsuche ´99“ ein bedeutendes Werk von Christoph Schlingensief. Aino Laberenz, die Witwe und Nachlassverwalterin des 2010 jung verstorbenen Künstlers, Autors, Filmemachers, Theater- und Opernregisseurs, schenkt die Rauminstallation dem Berliner Museum. Sie soll in die aktuelle Sammlungspräsentation „Zerreißprobe. Kunst zwischen Politik und Gesellschaft“ integriert werden und erhält einen eigenen Raum. Die mehrteilige Arbeit aus dem Jahr 1999, in deren Zentrum das Video „Deutschland versenken“ steht, wird zum Start des diesjährigen Gallery Weekend ab dem ersten Mai-Wochenende zu sehen sein.
Das MoMA PS1 lud Christoph Schlingensief 1999 nach New York ein, wo er an der Freiheitsstatue die Aktion „Deutschland versenken“ inszenierte. Das mit Absicht gewählte Datum für die Aktion, der 9. November 1999, war als Verweis auf bedeutende historische Ereignisse in Deutschland gedacht, etwa die Pogromnacht von 1938 und den Fall der Berliner Mauer von 1989. Schlingensief führte eine rituelle Performance oder in seinen Worten „Aktion“ durch, bei der er vor der Freiheitsstatue niederkniete und damit an den historischen Kniefall des ehemaligen deutschen Kanzlers Willy Brandt in Warschau erinnerte. Im Anschluss warf er eine Urne mit der symbolischen „Asche Deutschlands“ sowie einen mit 99 deutschen Alltagsgegenständen gefüllten Koffer in den Hudson River und markierte damit kurz vor Beginn der Jahrtausendwende sinnbildlich das Ende Deutschlands.
Das Video „Deutschland versenken“, das mit einer Laufzeit von 1 Minute 28 Sekunden ursprünglich auf 35mm gedreht wurde, zeigt Christoph Schlingensief in den Straßen von New York mit einem Schild in der Hand; damit steht er mal vor der Treppe des Metropolitan Museum of Art, mal auf dem Times Square oder vor dem New Yorker Goethe-Institut. Das Video wird im Kontext von drei weiteren Filmen gezeigt, in denen Schlingensief die Performance aufführt und das Projekt näher erläutert, unter anderem in einem Interview mit Alexander Kluge. Hinzu kommen Bildmaterial und Kolumnen aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in denen Schlingensief über seine „Deutschlandsuche“ berichtete.
Angesichts der Zunahme rechter Tendenzen in Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts wollte Christoph Schlingensief die nationale Identität im Kontext der faschistischen Vergangenheit des Landes hinterfragen und initiierte dazu das Projekt „Deutschlandsuche ´99“, dessen erste Teile aus einer Theatertour durch kleinere und größere Städte in Deutschland bestanden. Mit dieser von der Wagner-Oper „Der Ring des Nibelungen“ inspirierten Arbeit strebte er nach einer modernen Version des Siegfried, einem Helden für ein wiedervereintes, globalisiertes Deutschland. Zum Ende seiner „Deutschlandsuche ´99“ in der namibischen Wüste erklärte Schlingensief: „Die kolonialen Überreste des ehemaligen Deutsch-Südwestafrika werden ein letztes Mal mit Wagnermusik beschallt, der Nibelungenring nicht im Rhein versenkt, sondern in den Sand gesetzt.“ |