Europäischer Realismus in Chemnitz  |  | Milada Marešová, Wohltätigkeitsbasar, 1927 | |
Im Rahmen der Kulturhauptstadtjahres Chemnitz 2025 stellt das Museum Gunzenhauser aktuell die europäischen Realismusbewegungen der 1920er und 1930er Jahre vor. Rund 300 Werke aus zwanzig Ländern haben die beiden Kuratorinnen Anja Richter und Sina Tonn ausgewählt, vermitteln die realistischen Kunstströmungen in einer ungewöhnlichen Breite und Tiefe und zeigen die Neue Sachlichkeit als von gegenseitigem Austausch bedingtes Phänomen. Dabei machen sie deutlich, wie sich gesellschaftliche Umbrüche auf die Kunst der 1920er Jahre auswirkten, und rücken die Rolle von Frauen und den Sport in den Fokus. Während in der berühmten Initialschau „Die Neue Sachlichkeit. Deutsche Malerei seit dem Expressionismus“, die 1925 als dritte Station im damaligen Chemnitzer König Albert Museum Halt machte, Frauen nur als Motive präsent waren, nimmt die aktuelle Ausstellung „European Realities“ explizit auch Werke von Künstlerinnen in den Blick, etwa von der Tschechin Milada Marešová, der Spanierin María Blanchard, der Bulgarin Ekaterina Savova-Nenova, der Dänin Gerda Wegener oder der Ungarin Ilona Singer.
Die Kunst ab den 1920er Jahren ist von einem großen gesellschaftlichen Wandel geprägt. „Der Aufbruch in der Kunst zeigt sich in einer Abkehr von dem Althergebrachten“, so Anja Richter. Nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs entstehen überall in Europa neue Demokratien, neben der Weimarer Republik auch in Polen, in den baltischen Staaten oder in Jugoslawien. Diese großen Umbrüche spiegeln sich auch in der Kunst wider. So radikal wie noch nie zuvor setzt sie sich mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit und den veränderten Situationen auseinander. Deutlich wird das in den vielen Gesellschaftsporträts, häufig mit sozialkritischem und politischem Einschlag etwa bei Otto Dix oder George Grosz. Auch Aufbruch, Neubeginn und Lebenslust werden in den Werken dieser Jahre deutlich.
Die Emanzipation der Frau ist ein Thema, das zu dieser Zeit in ganz Europa auftaucht. Dieses neue Selbstbewusstsein zeigt beispielsweise das „Selbstporträt mit rotem Schal“ der kroatische Malerin Cata Dujšin-Ribar aus dem Jahr 1930. Eine ganze Etage im Museum Gunzenhauser widmet sich den Frauenporträts dieser Epoche. Aber auch Armut und Hunger, sozialer Wohnungsbau oder die Arbeit in Fabriken werden zentrale Bildgegenstände. Ein weiterer wichtiger Themenkreis in der Kunst der 1920er ist der Sport, den unter anderem William Roberts um 1931 in seinen Radrennfahrern „Les Routiers“ behandelte. In den Zwischenkriegsjahren sind Sportereignisse wie Radrennen, Fußballspiele oder Tennis-Matches ein Massenphänomen, Boxkämpfe von Max Schmeling werden von Zehntausenden vor dem Radiogerät verfolgt.
Die Ausstellung „European Realities. Realismusbewegungen der 1920er und 1930er Jahre in Europa“ läuft bis zum 10. August. Das Museum Gunzenhauser hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs von 14 bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 14 Euro, ermäßigt 9,50 Euro. Für Kinder und Jugendliche ist der Besuch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres kostenlos. Der Ausstellungskatalog aus dem Hirmer Verlag ist an der Museumskasse für 48 Euro erhältlich.
Kunstsammlungen Chemnitz – Museum Gunzenhauser
Falkeplatz
D-09119 Chemnitz
Telefon: +49 (0)371 – 488 70 24 |