Galerist John Sailer gestorben  |  | Der Wiener Galerist John Sailer ist gestorben | |
Österreichs Kunstwelt trauert um John Sailer. Der Grandseigneur der Wiener Galerienszene und Kunstexperte starb am Mittwoch im Alter von 87 Jahren. Als Gründer und Leiter der Galerie Ulysses hat er Geschichte geschrieben und über fünfzig Jahre das Kunstleben in der österreichischen Hauptstadt mitbestimmt. Das betonte auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig: „John Sailer war eine Kultfigur im Kunstbereich. Die von ihm 1974 gegründete Galerie Ulysses war als Plattform und Sprungbrett für Österreichs Nachkriegs-Avantgarde – von Bruno Gironcoli über Hans Hollein, Walter Pichler, Maria Lassnig und Fritz Wotruba bis hin zu Arnulf Rainer – geradezu unersetzlich.“ Mit John Sailer verliere die Kunstbranche in Wien und weltweit einen großen Kenner und Förderer, so Ludwig.
Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler sprach ebenso von einem „Ausnahme-Galeristen“ und einer „prägenden Gestalt der Wiener Kulturlandschaft“. „Literatur und Kunst, Bücher und Bilder, waren für ihn Lebensmittel, mit und für sie lebte John Sailer. Und so suchte er für die Künstler der österreichischen Avantgarde – von Wolfgang Hollegha über Walter Pichler bis Arnulf Rainer – nach Menschen, die echte Beziehung zur Kunst aufbauen konnten“, erinnert sich Kaup-Hasler. „Sein unermüdlicher Einsatz für die zeitgenössische Kunst, seine visionäre Haltung und sein feines Gespür für das Verbindende zwischen Kunst, Gesellschaft und Raum haben die Entstehung des MQ entscheidend mitgeprägt“, ergänzte Bettina Leidl, Direktorin des Museumsquartiers (MQ) in Wien. „John Sailer hat nicht nur Räume für Kunst geöffnet, sondern auch Türen – in Köpfen und Herzen. Er war jemand, der verstanden hat, dass Kultur ein öffentliches Gut ist, das allen zugänglich sein muss.“
John Sailer kam am 30. November 1937 in Wien als Hans Sailer zur Welt. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland waren seine Eltern Erna und Karl Hans Sailer gezwungen, als engagierte Sozialisten jüdischer Abstammung aus Österreich zu emigrieren. Ihren Sohn mussten sie zunächst in Wien zurücklassen. Im Alter von sechs Monaten gelangte Hans Sailer auf abenteuerliche Weise zu seinen Eltern. Seine frühe Kindheit verbrachte er in Paris und New York, bevor er 1947 im Alter von neun Jahren mit seiner Familie nach Wien zurückkehrte. Sailer studierte Jura, ohne ein Examen abzulegen, und soll eher zufällig zum Kunsthandel gekommen sein, als er den Wert von Thonet-Sessel erkannte, die gemeinsam mit Sperrmüll zur Entsorgung auf Wiener Gehsteigen deponiert waren.
Im November 1974 eröffnete John Sailer in den ehemaligen Garagenräumen im Hof der Bundestheaterverwaltung, wo heute die Heidi Horten Collection residiert, die Galerie Ulysses, benannt nach seinem Lieblingsroman von James Joyce. Seine erste Ausstellung war eine Hommage an Monsignore Otto Mauer und jenen Künstlern gewidmet, die der Geistliche in seiner berühmten Galerie nächst St. Stephan über ein Jahrzehnt betreut hatte. Auch Sailer nahm sich dieser österreichischen Avantgarde der 1950er und 1960er Jahre an. Bereits ein Jahr nach der Galerieeröffnung kam Gabriele Wimmer als Geschäftspartnerin zu Sailer. Im Jahr 1977 bezog die Galerie neue Räume im Dachgeschoss des Opernrings 21, wo sie mit einer Schau zu Paul Klee, Wassily Kandinsky, František Kupka an den Start ging. Von da an richtete John Sailer sein Programm zunehmend internationaler aus und organisierte Ausstellungen zur Klassischen Moderne, etwa zu Julio González und Hans Arp, oder mit Serge Poliakoff, Hans Hartung und Pierre Soulages zu Malern der École de Paris. 1992 eröffnete Sailer zusätzliche Galerieräume im ersten Stock des Gebäudes am Opernring mit einer Schau von Roy Lichtenstein.
Während John Sailer seinen Fokus auf die amerikanische Malerei, insbesondere den Abstrakten Expressionismus und das Color Field Painting legte, kümmerte sich Gabriele Wimmer mehr um die Zeitgenossen aus Europa. Zudem wurde die Zusammenarbeit mit internationalen Galerien in Europa und Amerika intensiviert, darunter mit Ernst Beyeler in Basel, Michael Werner in Köln, der Galerie de France in Paris sowie mit André Emmerich und Leo Castelli in New York. Mit Teilnahmen an der Art Cologne, der Art Basel und Kunstmessen in Brüssel, Chicago und Paris erweiterte John Sailer den Radius seiner Galerie und holte damit auch Künstler*innen wie Kenneth Noland, Helen Frankenthaler, Jules Olitski, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Anselm Kiefer, Eduardo Chillida oder Cy Twombly nach Wien. Neben seinem Engagement bei Gründung des Museumsquartiers tat sich John Sailer noch häufiger öffentlich in Kunstwelt Österreichs hervor, erstellte im Regierungsauftrag mehrere Studien, etwa zur Reorganisation der österreichischen Bundesmuseen oder zum Umwidmung des ehemaligen Museums des 20. Jahrhunderts im Schweizergarten, und übernahm auch das Amt als Präsident des Verbands österreichischer Galerien. |