Blickachsen in Bad Homburg angelaufen  |  | Maria Loboda, The Year of Living Dangerously, 2020-2022 | |
Am vergangenen Sonntag ist in Bad Homburg die Biennale „Blickachsen“ mit zeitgenössischer Skulptur und Installationskunst von 26 internationalen Künstler*innen aus acht Nationen gestartet. Bis in den Oktober hinein laden 35 Werke im Dialog mit der Natur, die den Lénneschen Kurpark, den Schlosspark und erstmals auch den Gustavgarten bespielen, zum Besuch der Kurstadt ein. Für 14. Ausgabe der „Blickachsen“ konnten das Sprengel Museum Hannover und die dort tätige Kuratorin Carina Plath als Partner gewonnen werden. Sie hat zusammen mit Co-Kurator Christian K. Scheffel unter anderem Arbeiten von Pawel Althamer, Joscha Bender, Alexandra Bircken, Julius von Bismarck, Monica Bonvicini, Olaf Holzapfel, Maria Loboda und Manolo Valdés ausgewählt. Ein Anliegen von Plath war es, die immer noch unterrepräsentierten künstlerischen Leistungen von Bildhauerinnen würdigen. In diesem Zusammenhang macht sie sich bei der Skulpturenschau für das Schaffen von Simone Fattal, Elizabeth Jaeger und Thea Moeller stark. Zum siebten Mal sind auch die „Kinder-Blickachsen“ der Kinderkunstschule Bad Homburg ab Mitte Juni zu sehen.
Heuer fokussieren sich die Veranstalter auf Parks in Bad Homburg, da dies bereits in der letzten Blickachsen-Schau zu positiven Rückmeldungen führte. Galerist Christian K. Scheffel, Gründer der Blickachsen, erklärt den erstmaligen Einbezug des Gustavsgarten damit, dass er wie der Schlosspark einst zur bemerkenswerten landgräflichen Gartenlandschaft Bad Homburg gehörte. Auf den Grünflächen neben der Villa Wertheimber bietet der Gustavgarten ein kleines Refugium für drei Arbeiten von Richard Deacon. Seine zwei Edelstahl-Skulpturen „Cut and Fold #5“ von 2022 und „Cut and Fold #3“ von 2023 sind für den Waliser typische Werke durchlässiger Konstrukte. Türmt sich das eine wagemutig in silbrigem Glanz aus asymmetrischen durchbrochenen Vierrecken etwas in die Höhe, verweilt das andere eng am Boden. Letzteres variiert „Cut and Fold #5“ in kleiner Form und betont die inneren Stahlverstrebungen durch eine Farbgebung in warmem Orange. Im Zusammenspiel mit dem Garten und der Villa dienen die Skulpturen wie ad hoc Rahmungen für Sichtachsen, die der Betrachter nach Belieben auswählen kann.
Im Kurpark wartet die Bronze „Door“ auf Interessierte. Simone Fattals Werk von 2024 thematisiert die Geschichte des Nahen Ostens und ihre anhaltende Wirkmacht. Die 1942 in Damaskus geborene Künstlerin verbindet in ihrer Skulptur Gewalt, Entbehrung und Verletzlichkeit: Die beiden Segmente des patinierten Bronzegusses erinnern an brüchige Wände. Zusammengehalten werden sie von langen Nägeln, die wie mit brachialer Gewalt durch sie gerammt sind. Zeitgleich scheint die Oberfläche von „Door“ in ihrer Weichheit und Fältelung aber auch wie menschliche Haut organisch zu sein. Thomas Schütte knüpft in seinen 2024 entstandenen Skulpturen „Tribute to Moondog“ an die Tradition der Gedenkbüste an. Er zeichnet jedoch weniger die physiognomische Ähnlichkeit, als die psychologisch-emotionale Bindung an den Namen des 1999 verstorbenen exzentrischen Musiker und Komponisten: Schütte hat zwei Bronzen als Hundebüsten mit fremdartigem Schuppenfell geschaffen.
Christiane Möbus verweist in ihrer Eisenschale „Regen und Traufe“ von 1987 mit konzeptueller Strenge und ästhetischer Prägnanz auf die geläufige Redewendung und benennt hier zum einen konkret den Vorgang des herabfallenden Regenwassers, das sich in der Schale sammelt, zum anderen auch die inhaltliche Leere; denn das Regenwasser läuft durch kleine Löcher in der Schalenwand wieder ab. Bei der „Arched Figure“ geht es der Britin Grace Schwindt darum, wie menschliche Körper im Wechselspiel mit Sprache und Objekten Geschichtsnarrative und Erinnerungsstrukturen prägen und im Gegenzug von diesen geprägt werden. So sind bei dem Bronze- und Steinguss von 2022 die Füße und Beine klar konturiert ausgearbeitet, während sich der zurückgebeugte Oberkörper einer Frauenfigur ab der Hüfte zunehmend von anatomischer Genauigkeit entfernt. Schwindt zitiert damit auch den „hysterischen Bogen“, der in der Medizingeschichte als Krampfform beschrieben wurde: Der Torso löst sich in eine amorphe Masse auf, die scheinbar schwerelos rücklings zu Boden stürzt und erzeugt das Bild einer fragilen Balance zwischen kontrollierter Verrenkung und drohendem Kontrollverlust. |