Lygia Clark in der Berliner Nationalgalerie  |  | in der Ausstellung „Lygia Clark. Retrospektive“ | |
Mit der ersten Retrospektive in Deutschland macht die Neue Nationalgalerie ab heute auf die südamerikanische Künstlerin Lygia Clark aufmerksam. Nachdem schon Franz Erhard Walther 2023 die seinem Schaffen wesensverwandten, partizipativ angelegten Skulpturen der 1920 geborenen Brasilianerin in seiner Villa in Fulda präsentierte, geben die beiden Kuratorinnen Irina Hiebert Grun und Maike Steinkamp nun einen Überblick über ihr gesamtes künstlerisches Schaffen von den späten 1940er bis in die 1980er Jahre und stellen als zentralen Aspekt den interaktiven Ansatz in Clarks Werk heraus. Die Auswahl der rund 120 Kunstwerke reicht von ihren geometrisch-abstrakten Gemälden im Sinne der Konkreten Kunst bis zu den späten performativen Arbeiten, in denen Clark das Publikum in ihre Werke integriert hat. Daher laden auch rund 50 Ausstellungskopien die Besucher*innen zur Interaktion mit ihrer Kunst ein.
Nachdem sie schon früh geheiratet und drei Kinder zur Welt gebracht hatte, entschied sich Lygia Clark mit 27 Jahren, Künstlerin zu werden, und studierte bei dem Landschaftsarchitekten und Maler Roberto Burle Marx sowie der Bildhauerin und Malerin Zélia Ferreira Salgado in Rio de Janeiro. 1950 ging sie nach Paris, nahm Unterricht bei Árpád Szenes, Isaac Dobrinsky und Fernand Léger und kehrte 1952 nach Brasilien zurück. Am Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn stehen geometrisch-konstruktive Gemälde, wie die „Escada“ von 1951 oder die noch strenger nur durch Horizontale und Vertikale gegliederte „Composição“ von 1953, und reliefartige Bildtafeln, die eine Verbindung zum Raum eingehen. Als eine Hauptvertreterin der 1959 in Rio de Janeiro initiierten Bewegung des „Neoconcretismo“ verstand Clark von da ab das Kunstwerk als ein organisches Phänomen. Sie forderte eine subjektive, körperbezogene und sinnliche Kunsterfahrung und machte die aktive Beteiligung der Betrachtenden zum elementaren Bestandteil ihrer Kunst. In der Folge schuf sie die „Bichos“, geometrische, bewegliche Skulpturen, die von den Betrachtenden in immer neue Positionen gefaltet werden können.
Clarks Ansatz, Kunst als partizipatives, sinnliches, mitunter heilendes Erlebnis zu begreifen, machte sie zu einer international wegweisenden Künstler*innen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Primat des Visuellen in der bildenden Kunst erweiterte sie um andere Sinneswahrnehmungen, wie Hören, Fühlen, Riechen und Tasten, und machte das Publikum zum aktiven Teil ihrer Kunst, etwa in den „Objetos Sensoriais“ mit Brillen, Masken oder Anzügen, die die sinnliche Erfahrung der Rezipient*innen auf den ganzen Körper ausdehnten. Ende der 1960er Jahre entwickelte Lygia Clark ihr Konzept des „Corpo Coletivo“, des Kollektivkörpers, und führte dazu gemeinschaftsstiftende performative Aktionen auf. Diesen Ansatz ließ sie schließlich in eine körperbezogene Therapieform münden, bei dem ihre Kunstobjekte zur Anwendung kamen.
Die Ausstellung „Lygia Clark. Retrospektive“ läuft vom 23. Mai bis zum 12. Oktober. Die Neue Nationalgalerie hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr sowie donnerstags bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 16 Euro, ermäßigt 8 Euro. Der Ausstellungskatalog aus dem E. A. Seemann Verlag ist die erste deutschsprachige Publikation zu Lygia Clark und kostet im Museum 42 Euro.
Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
D-10785 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 266 26 51 |