Günther Uecker gestorben  |  | Günther Uecker 2011 vor einer seiner Nagelspiralen | |
Günther Uecker ist tot. Der Maler und Objektkünstler starb gestern in der Düsseldorfer Uniklinik im Alter von 95 Jahren. Das gab seine Familie bekannt. Bis zuletzt war er künstlerisch tätig und arbeitete weiterhin in seinem Atelier in Düsseldorf. Seine letzte große öffentliche Aktivität war im vergangenen Dezember der Festakt im Schweriner Dom, bei dem sein Werk „Lichtbogen“ eingeweiht wurde. Damit hatte Uecker die letzten zwei von insgesamt vier blauen Glasfenstern vollendet, die er für den Dom gestaltet hat. Würdigungen trafen von vielen Seiten ein. „Uecker gehörte zu den bedeutendsten Nachkriegskünstlern Deutschlands und wurde weltweit verehrt“, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Kondolenzbrief an dessen Ehefrau. Mit seinen Werken sei der Ausnahmekünstler radikale Wege gegangen und habe vor allem mit seinen Nagelreliefs eine Entgrenzung unserer Bildvorstellung geschaffen. „Immer wieder nahm er in seinen Werken Bezug auf politische Ereignisse und schuf damit bleibende Mahnungen, für Freiheit und Demokratie einzustehen“, so Steinmeier.
Dem stimmte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst bei: „Er war ein herausragender Kulturschaffender, der mit seinen Werken zu einer offenen und dynamischen Gesellschaft beigetragen hat. Mit seinem Lebenswerk hat er Generationen von jungen Künstlerinnen und Künstlern beeinflusst. Ueckers künstlerisches Schaffen hat in großem Maß dazu beigetragen, das internationale Ansehen des Kulturlandes Nordrhein-Westfalen zu steigern.“ Für diesen prägenden Einfluss hat Nordrhein-Westfalen Uecker 2015 den Staatspreis des Landes verliehen. Marion Ackermann, Präsidentin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, würdigte Uecker als „großartigen Menschen“ und als „Künstler voller Vitalität und Zugewandtheit“. „Seine ungebrochene schöpferische Kraft hat mich tief beeindruckt. Mit dem Nagel als künstlerischem Instrument hat er ein höchst komplexes Werk hervorgebracht. Stets ging es bei ihm um die Frage, was den Mensch zum Menschen macht. Geprägt von den Verwerfungen des 20. Jahrhunderts war er durch seinen tiefen Humanismus einer der wichtigsten Kulturbotschafter Deutschlands – und zwar in Ost wie in West“, so Ackermann.
Internationale Bekanntheit erlangte Günther Uecker durch seine Nagelkunst. Jahrzehntelang hämmerte Uecker Zimmermannsnägel in Stühle, Klaviere, Zeitungen, Nähmaschinen und natürlich Leinwände. Er selbst bezeichnete seine großformatigen Nagelreliefs als „Empfindungswerte aus der Zeit“. Aus Angst vor der heranrückenden Sowjetarmee habe er am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 das elterliche Haus verbarrikadiert und von innen zugenagelt, um seine Mutter und die Schwestern zu schützen, sagte Uecker einmal. Künstlerischer Auslöser für den Einsatz des Nagels war für ihn jedoch die Revolutionslosung des sowjetischen futuristischen Dichters Wladimir Majakowski, der sagte, Poesie werde „mit dem Hammer gemacht“. Im Jahr 1957, als Uecker schon im Westen war, griff er erstmals zum Nagel. Mit dem aggressiven Akt des Nagelns machte er fortan auch auf die Gewalttätigkeit des Menschen aufmerksam.
Uecker wurde 1930 in der Gemeinde Wendorf in Mecklenburg als Sohn eines Bauern geboren. Nach dem Krieg studierte er zunächst in Wismar und kam Mitte der 1950er Jahre an die Kunstakademie Düsseldorf. Anfangs fühlte er sich vom Stil des Sozialistischen Realismus angezogen, entwickelte sich jedoch hin zu einer puristischen Ästhetik, die einen Neuanfang in der Kunst nach dem Krieg suchte. 1961 wurde Uecker Mitglied der drei Jahre zuvor von Heinz Mack und Otto Piene gegründeten Düsseldorfer Avantgardegruppe ZERO. Gemeinsam mit Gerhard Richter inszenierte er die Demonstration „Museen können bewohnbare Orte sein“ und „besetzte“ mit ihm 1968 die Kunsthalle Baden-Baden, um sich von konventionellen und autoritären Kunstwelten zu lösen und für künstlerisches Spiel und Freiheit einzutreten. Von 1974 bis 1995 lehrte Uecker als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Ende der 1990er Jahre gestaltete er unter anderem den Andachtsraum im Berliner Reichstagsgebäude. Im Dezember 2008 war Uecker Mitbegründer der Stiftung ZERO-Foundation.
Ueckers Werke hatten oftmals eine politische Aussage. Im Werk „Verletzende Worte“ visualisierte Er beispielsweise die durch Sprache verursachten Verletzungen, indem er Wörter des Krieges, der Gewalt, der Folter und des Tötens in vielen Sprachen und Schriften auf große Leinwände schrieb. Er kämpfte außerdem für Navajo-Indianer und malte nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 Aschebilder. 1994 wurde eine Einzelausstellung von ihm in Peking von den Behörden abgesagt. Im Jahr 2007 durfte er seine Werkserie „Brief an Peking“, in der er die Sätze der UN-Menschenrechtserklärung auf Stoff gemalt hatte, dann doch in der chinesischen Hauptstadt präsentieren. War es in der Kunstwelt längere Zeit um die ZERO-Künstler recht ruhig, setzte ab den 2000er Jahren eine rege Ausstellungstätigkeit mit ihren Werken ein, was sich auch auf die Preise im Kunstmarkt niederschlug. So zählte Günther Uecker mit Spitzenwerten bis zu einigen Millionen Euro für seine Nagelbilder zu den bestbezahlten lebenden deutschen Künstlern. |