 |  | Gottardo Segantini, Piz Lagrev am Silser See, 1919 | |
Als Gottardo Segantini am 25. Mai 1882 in Pusiano bei Como das Licht der Welt erblickte, war ihm die Liebe zu den Alpen nicht allein durch seinen Geburtsort in die Wiege gelegt. Er erhielt seinen Vornamen nach dem drei Tage vor seiner Geburt eröffneten Gotthardtunnel, sein Vater, der Maler Giovanni Segantini, galt als Meister der Hochgebirgslandschaft, und die Familie zog in die rätoromanische Bergwelt nach Savognin, als der kleine Gottardo vier Jahre alt war. Obwohl er zunächst ein Ingenieurstudium in Zürich aufnahm, entschloss sich Gottardo Segantini dann doch, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Maler zu werden. Er ließ sich in Maloja nieder, wo er das Atelier seines Vaters nutzte, lebte so bescheiden wie ein Bergbauer und schuf über Jahrzehnte ein umfassendes Œuvre, das von einer tief empfundenen Liebe zur Natur, der Verbundenheit mit den schroffen Bergformationen des Engadin und von einer eigenen Art der pointillistischen Malweise geprägt ist. Ein Paradebeispiel seiner Kunst ist der sommerliche menschenfreie Landschaftsausschnitt „Piz Lagrev am Silser See“ von 1919, der mit 50.000 bis 70.000 Euro zu den Höhenpunkten der kommenden Auktion bei Neumeister zählt.
Die Juli-Versteigerung ist mit Kunst der Klassischen Moderne gut besetzt. Das liegt vor allem an einem umfangreichen Konvolut aus der Sammlung der im Dezember verstorbenen Agi Müller-Geissler, einer Großnichte Erich Heckels. Von ihrem Onkel besaß sie unter anderem mehrere charakteristische expressive Aquarelle, darunter die Aktdarstellung „Frauen am Ufer“ von 1927 (Taxe 18.000 bis 24.000 EUR) oder den zwei Jahre jüngeren „Strand“, bei dem Heckel ganz auf Mensch oder Tier verzichtet hat (Taxe 6.000 bis 9.000 EUR). 1926 hielt sich Heckel in Frankreich auf und hielt den „Place Bellecour in Lyon“ wiederum ohne Leute auf einem Temperagemälde fest. Genauso ruhig und ausgeglichen wirkt sein „Blick auf Goslar“ aus dem Jahr 1937 (Taxe je 25.000 bis 30.000 EUR), während seine frühe Grafik den nervösen und kantigen Duktus des Expressionismus verrät, etwa seine Holzschnitte „Hafen Stralsund“ von 1912 (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR), „Landschaft auf Alsen“ von 1913 oder in zweifarbiger Ausführung die gleichaltrige „Kniende am Stein“ (Taxe je 5.000 bis 7.000 EUR). Für Heckels ausdrucksstrake schwarzweiße Kreide- und Pinsellithografie „A Girl“ von 1910 werden 15.000 bis 18.000 Euro erwartet, für das 1914 in gleicher Technik ausgeführte bäuerliche „Ehepaar“ 4.000 bis 6.000 Euro.
Agi Müller-Geissler interessierte sich auch für Heckels Brücke-Kollegen und legte sich unter anderem Otto Muellers Lithografie „Fünf gelbe Akte am Wasser“ aus dem Jahr 1921, die aufgrund ihrer Farbigkeit eine Sonderstellung im Werk des Künstlers einnimmt (Taxe 15.000 bis 18.000 EUR), dessen intimes halbnacktes „Zigeuner Liebespaar 2“ von 1921/22 in Schwarzweiß (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR), Ernst Ludwig Kirchners erotischen Holzschnitt „Frau Schuh zuknöpfend“ von 1912 (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR) und Karl Schmidt-Rottluffs Aquarell- und Tuscheblatt eines Stilllebens mit einem Wasserkessel vor Blumen am Fenster aus dem Jahr 1949 zu (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Auf Müller-Geisslers Erwerbsliste standen ebenfalls der Bauhausmeister Lyonel Feininger, unter anderem mit den grob aufgesplitterten Holzschnittveduten „Dorfkirche“ von 1918 (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR) und „Gelbe Dorfkirche 3“ von 1931 (Taxe 1.800 bis 2.200 EUR), und Max Peiffer Watenphul mit seiner 1948 gemalten südlichen Stimmung „Ischia. Spiaggia degli Inglesi I“ (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Aus ihrer Kollektion haben zudem zwei unaufgeregte weibliche Bronzefiguren von Gerhard Marcks den Weg zu Neumeister gefunden: eine „Amazone“ von 1948 (Taxe 12.000 bis 15.000 EUR) und eine späte „Amphorenträgerin“ von 1978 (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR).
Europa wurde nicht geraubt
Einen kleinen Schwerpunkt bilden skulpturale Arbeiten auch außerhalb der Sammlung Müller-Geissler. So gibt es Fritz Behns liebevolle Begegnung von „Europa auf dem Stier“, eine elegante schwarzbraune Bronzeplastik aus dem Art Déco von 1919 für 3.000 bis 3.500 Euro, August Gauls kleinen „Liegenden Esel“ von 1911 für 2.000 bis 3.000 Euro oder Renée Sintenis’ „Liegendes Fohlen“ von 1932 für 5.000 bis 7.000 Euro. Die große Berliner Bildhauerin ist zudem mit der Stucco-Maske ihres frontalen stillen Konterfeis von 1933 für 2.000 bis 3.000 Euro vertreten. Günstige Entdeckungen versprechen etwa Stanislaus Stückgolds expressionistisches weihnachtliches „Krippenbild“ in gesteigerter Farbigkeit von 1914 (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR), eines von nur elf bekannten Exemplaren der Strichätzung „Segler und Rauch“ aus der Hand Emil Noldes (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR) oder mehrere Gemälde von Hans Feibusch. Der 1898 in Frankfurt am Main geborene Künstler emigrierte als Jude bereits 1933 nach Großbritannien, wo er zahlreiche Kunstwerke für christliche Kirchen schuf und wenige Wochen vor seinem hundertsten Geburtstag 1998 in London starb. In München sind unter anderem seine ausgelassene Faschingsszene um 1927 (Taxe 2.500 bis 3.000 EUR), die etwa gleichaltrigen „Zwei schlafenden Jünglinge“ (Taxe 2.000 bis 2.500 EUR) oder die Gouache einer mythologischen Figurenkonstellation von 1950 zu haben, die Feibusch als Vorlage für ein Wandgemälde gedient haben dürfte (Taxe 800 bis 1.200 EUR).
Nachdem Neumeister schon in der März-Auktion mehrere Werke Fritz Klemms erfolgreich an den Sammler gebracht hat, kommt nun eine weitere Suite des Karlsruher Akademieprofessors zum Aufruf, der als Meister der Reduktion gilt. Das erkennt man schon an seinem meditativen Stillleben „Alter Sessel“, bei dem Klemm 1952 die körnige Konsistenz der Caparolfarbe in reduziertem Kolorit dick auf den Karton auftrug (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR), noch mehr an seinem auf das Wesentliche konzentrierten „Wandbild“ von 1985 (Taxe 5.000 bis 7.000 EUR) oder seinem „Fenster“ von 1990 (Taxe 1.800 bis 2.000 EUR). Ein heute weitgehend vergessener Künstler ist der gebürtige Portugiese António Costa Pinheiro, der unter anderem an der Münchner Kunstakademie ausgebildet wurde und 2015 in der bayrischen Landeshauptstadt starb. Für sein Schaffen stehen die lustige Gouache „Akrobaten“ von 1955 (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR) und die noch abstrakter ausgestalte, abenteuerlustige und bunte „Femme Aventurière“ von 1967/69 (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). In diese Zeit datieren auch zwei Blätter aus Andy Warhols früher Schaffensphase als Modezeichner, die jeweils für 16.000 bis 20.000 Euro zu haben sind. Mit Sylvie Fleurys Glasmalereidruck „My life on the Road (Chrysler)“ von 2017, eine Edition zum 170jährigen Jubiläum der Mayer’schen Hofkunstanstalt (Taxe 30.000 bis 32.000 EUR), und Vik Muniz’ zum selben Anlass herausgegebenem rotem Mosaikglasluftballon „Perfect Strangers“ streift die Neumeister-Offerte auch die Gegenwartskunst (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR).
Kunsthandwerk und Antiquitäten
Eröffnet wird die Auktion am 1. Juli wie üblich vom alten Kunsthandwerk und dabei von den keramischen Arbeiten. Nach einem schönen Westerwälder Enghalskrug mit grauen Reliefauflagen in Form von einem senkrechten Friesband, Rhombenfeldern und einem Stern auf blauem Grund aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für 900 bis 1.200 Euro schwingt sich das Angebot bei Porzellan schnell zu höheren Preisen auf. Die Kaiserliche Porzellanmanufaktur Wien verlangt für das Solitaire eines sechsteiligen Mokkaservice im originalen Reisekasten, das um 1765/70 mit spielenden Putti auf Wolkenbündeln en grisaille bemalt wurde, 9.000 bis 12.000 Euro, die Meißner Manufaktur für ein etwa gleichaltriges Vasenpaar, verziert mit galanten Watteau-Szenen, Streublumen und plastisch aufgelegten Blüten mit grünen Stängeln sowie eingefasst von einer schwungvollen französischen Bronzemontierung, 25.0000 bis 35.000 Euro.
Der 1708 geborene Reichsgraf Sigmund von Haimhausen machte sich als Förderer der frühen Industrie in Bayern einen Namen. Als Kurfürst Max III. Joseph wegen anhaltender Misserfolge die finanzielle Unterstützung der Porzellanmanufaktur Nymphenburg einstellte, investierte Haimhausen zwischen 1751 und 1755 in das Unternehmen knapp 10.000 Gulden aus eigener Tasche. Schon bald darauf gelang der Manufaktur, die ihm bis 1793 unterstellt war, die Produktion von hochwertigem Porzellan. Der Modelleure Franz Anton Bustelli und Dominikus Auliczek verewigten ihren Dienstherren um 1763 in einer fast lebensgroßen bewegten Büste, die in einer Neuausformung von 1910 mit 4.500 bis 6.500 Euro bewertet ist. Wer für gehobene Tischkultur zu haben ist, wird etwa mit dem 35teiligen Teeservice „Toucans“, das Hermès Paris 1986 mit den titelgebenden lebhaften Tukanen entworfen und die Manufaktur Limoges ausgeführt hat (Taxe 2.300 bis 2.500 EUR), oder dem von Ludwig Zepner und Heinz Werner in Meißen gestalten Service „1001 Nacht“ belohnt. 42 Teile für die Speisetafel sind nicht allzu hoch mit 3.600 bis 4.200 Euro, 23 Teile für die Kaffeetafel mit 1.800 bis 2.300 Euro veranschlagt.
Silbernes Krustentier
Beim Silber gibt es gleichfalls einige Pretiosen. Aus Lüneburg stammt eine hohe sechseckige Deckelkanne um 1550/60, die wohl Jochim Gripswold in Renaissance-Formen mit Früchten und Blumen im Rankenwerk ziseliert und mit historischen Figuren in Rüstungen vor Stadtansichten in spitzbogigen Kartuschen graviert hat (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR). Rund hundert Jahre jünger ist ein hochbarocker Deckelhumpen des Augsburger Meisters Paul Höschel mit einem umlaufenden Landschaftsprospekt auf der Wandung, in dem sich Amoretten vergnügend tummeln (Taxe 4.200 bis 4.500 EUR). Sein Augsburger Kollege Johann Wagner gestaltete seinen Kugelfußbecher um 1690 mit antiken Imperatorenportraits zwischen Kriegstrophäen (Taxe 3.500 bis 4.000 EUR), während Paul Solanier um 1720 bei seiner Schauplatte auf die Mythologie zurückgriff und Ceres, die römische Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit, mit Ährenbündel als Attribut vor einem Baum platzierte (Taxe 2.000 bis 2.500 EUR). Als ausgefallenes Objekt preist Neumeister eine eineinhalb Kilogramm schwere skulpturale Languste an, die in den 1970er Jahren im Züricher Traditionshaus „Meister 1881“ aus Silber gefertigt wurde (Taxe 1.800 bis 2.200 EUR).
Als nächstes stehen bei Neumeister die Designstücke und plastischen Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert auf dem Programm. Der Katalog versammelt etwa einen markanten schweren fünfarmiger Kandelaber, der um 1910/20 in den Neuen Münchner Kunstwerkstätten aus Messing gegossen, gehämmert und punziert wurde (Taxe 2.000 bis 2.200 EUR), die Chryselephantine-Figur des dynamischen Tänzers „Astra“ aus Demetre Chiparus’ Gruppe „Finale“ um 1925 (Taxe 12.000 bis 13.000 EUR) oder den klassischen Bugholzstuhl Modell Nr. 27 der Firma Thonet von 1870/75 mit der originalen Palisanderoberfläche (Taxe 2.200 bis 2.400 EUR). Als deutsche Spielart der Postmoderne gestaltete das Frankfurter Architektentrio Norbert Berghof, Michael Landes und Wolfgang Rang Mitte der 1980er Jahre sein Möbelprogramm „Frankfurter Serie“, das sich nur eine geometrische Formgebung und die fast durchgängige Verwendung von Vogelaugenahornfurnier auszeichnet, so auch bei ihrem ovalen Tisch „F4“ (Taxe 4.600 bis 4.900 EUR) und ihrem 6er-Set Stühle „F5“ (Taxe 6.500 bis 7.200 EUR).
Unhaltbare Beziehung
Bei den Skulpturen überwiegt die religiöse Kunst. Nach Niederbayern weist das spätgotische Lindenholzrelief mit „Trauernden Frauen“ aus einem Kalvarienberg mit der zusammengesunkenen Muttergottes im Zentrum (Taxe 2.400 bis 2.600 EUR). Der „Heilige Wandel“ ist ein Bildmotiv aus den Apokryphen, in denen der kleine Jesus von seinen Eltern an der Hand geführt wird. Vor allem in der Gegenreformation fand dieser Typus vor allem durch die Jesuiten weite Verbreitung. Auch der Weilheimer Bildhauer David Degler soll um 1660 dieses Sujet aufgegriffen und in einer trauten Dreiergruppe aus Elfenbein umgesetzt haben (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Auch ein aufwendig in der Tiroler Werkstatt von Andreas Thamasch um 1700 geschnitzter Zirbenholzrahmen gehört zur religiösen Kunst; sitzen doch in den Akanthusranken die vier Evangelistensymbole, und obenauf präsentieren zwei Engelchen das Lamm Gottes auf dem Buch mit den sieben Siegeln (Taxe 2.000 bis 2.200 EUR).
Ein Kaiserpaar aus der Werkstatt von Bonaventura Joseph Mutschele soll aus dem oberfränkischen, 1803 säkularisierten Zisterzienserkloster Langheim stammen. Da liegt es nahe, dass es sich um die Heiligen Heinrich II. und seine Frau Kunigunde handelt (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR). Als Joseph Victor von Scheffels Roman „Ekkehard“ 1855 erschien, wurde er zu einem Kultbuch. Kein Wunder, denn die im zehnten Jahrhundert spielende fiktive tragische Liebesgeschichte des Mönchs Ekkehard und der Herzogin Hadwig ist einfach zu herzzerreißend. In der Schlüsselszene des Romans, in der Ekkehard Hadwig über die Schwelle des Klosters St. Gallen trägt, die kein weiblicher Fuß betreten darf, ist es um die beiden geschehen. Genau diesen Moment hat der Münchner Bildhauer Johann Christian Hirt in einer Marmorskulptur verewigt (Taxe 2.500 bis 3.000 EUR).
Neben einigen Schränken, Aufsatzschreibkommoden oder Stollensekretären für das gehobene deutsche Bürgertum des 18. Jahrhunderts im niedrigen vierstelligen Eurobereich tun sich in der Möbelabteilung diesmal französische Erzeugnisse hervor, darunter ein Damensekretär des Rokoko, den der Pariser Ebenisten Joseph Schmitz um 1765 mit einem qualitätvollen floralen Marketeriedekor geschmückt hat (Taxe 12.000 bis 14.000 EUR). Schon eine Stilstufe weiter geht es mit einem beruhigten Bonheur du jour um 1770 von Pierre Pioniez, der mit Schreibzeug, Blumenvasen oder Briefpapier eine frühklassizistische Motivwahl bedient (Taxe 16.000 bis 18.000 EUR). Joseph Gengenbach hat rund zehn Jahre später sein Paar Rafraîchissoirs zum Kühlen von Gläsern und Getränken noch mehr auf die Funktion reduziert und die fahrbaren Mahagonibeistelltische kaum mit Zierrat versehen (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR). Zur Zimmerausstattung des Rokoko passen dann noch die beiden dreiflammigen Wandappliken aus vergoldeter Bronze nach einem Modell von François-Thomas Germain (Taxe 3.000 bis 3.500 EUR), zum Klassizismus das Girandolenpaar mit geflügelten Amoretten und Pfeilen als Halter für die Leuchterarme, das André-Antoine Ravrio um 1809 zugeschrieben wird (Taxe 3.000 bis 5.000 EUR).
Die Bibel der Botaniker
Mit fast 240 Jahren Produktionsgeschichte und über 250 Bänden ist das „Curtis’s Botanical Magazine“ die älteste, immer noch erscheinende botanische Fachzeitschrift der Welt. Gegründet wurde sie 1787 von dem englischen Botaniker und Apotheker William Curtis, der bis zu seinem Tod dreizehn Bände herausgab. Schon von Beginn an versorgte das Gartenjournal seine Leserschaft mit außergewöhnlichen Dokumentationen der Blumentrends und botanischen Neuzugänge in Großbritannien. Neben den Beschreibungen der Pflanzen, zeichnet sich die Publikation vornehmlich durch die einzigartigen Abbildungen aus, in frühen Ausgaben noch mit handkolorierten Kupferstichen. Bei Neumeister liegen nun zwanzig Bände der Jahre 1793 bis 1813 für 5.000 bis 6.000 Euro vor. In der Grafikabteilung gesellen sich dazu noch eine frivole, Hans Rottenhammer zugewiesene Zeichnung der Göttin Venus, die sich auf Wolken mit ihren Amoretten einem lüsternen Liebespaar aus Satyr und Nymphe nähert (Taxe 5.000 bis 6.000 EUR), die beiden Gouachen mit Ansichten der Pagoden- und der Badenburg in Vogelperspektive aus dem weitläufigen Nymphenburger Schlosspark, hinter denen um 1730 der Truchsess am Münchner Hof, Maximilian de Geer, stecken soll (Taxe 4.000 bis 5.000 EUR), Adolph von Menzels flotte Bleistiftzeichnung einer auf dem Sofa liegenden Dame (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR) oder der gutmütige Prinzregent Luitpold von Bayern, wie ihn Friedrich August von Kaulbach im hohen Alter mit Rauschbart auf einem Pastell gesehen hat (Taxe 1.800 bis 2.000 EUR).
Gemälde des 16. bis 20. Jahrhunderts
Im November 2023 bei Lempertz in Köln noch als „Zug der Seligen“ von Hans Ostendorfer I für 70.000 bis 90.000 Euro angeboten, ist das Fragment eines frühneuzeitlichen Altarretabels mit Papst, Kardinal und Betenden nun zu einem Werk des Künstlers mutiert, der für die Gemälde des Hochaltarretabels von St. Jakobus im oberbayrischen Rabenden zuständig ist. Darauf würden vergleichbare Gesichtszüge hinweisen. Nun stehen nur noch 30.000 bis 40.000 Euro auf dem Preisschild. Bei der dichten vielfigurigen Komposition „Salomo und die Königin von Saba“ ist der Urheber ebenfalls nicht gesichert, wird aber im Umkreis des Antwerpener Barockmalers Peter van Lint verortet (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). Noch näher kommt man dem Schöpfer einer Allegorie mit einem alten Philosophen und zwei jungen Schülern, die dem um 1600 in Rom geborenen Francesco Ruschi zugeschrieben wird: einer der beiden Jungen hält dem anderen einen Spiegel vor, was die Grundmaxime der antiken Philosophie „Erkenne dich selbst“ symbolisiert (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Eine dramatische Schlachtenszene weist dann ins Œuvre von Jacques Courtois (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR). Für den Erfurter Maler Jacob Samuel Beck ist dann ein 1746 datiertes Jagdstillleben mit Fasanen, Rebhühnern und Ente in einer Parklandschaft gesichert. Es war 2015 in der Ausstellung zu seinem Schaffen im Angermuseum Erfurt zu sehen (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR).
Bei den Gemälden des 19. Jahrhunderts geht es mit Darstellungen der oberbayrischen Landschaft los: Simon Warnberger blickt 1813 gemütlich über den Staffelsee und hat die Senke mit Hirten und Kühen angereichert (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR), Johann Georg von Dillis’ bergige Gegend mit See und zwei Wanderern ist fantasievoll ohne greifbaren Ortsbezug gemalt, aber von Gegenden in den Voralpen inspiriert (Taxe 4.000 bis 5.000 EUR), sein jüngerer Bruder Cantius Dillis schaute sich 1832 bei seinem Bauernhaus mit Wehr laut Aufschrift auf der Rückseite dagegen konkret „in der Walch bey Ruhpolding“ um (Taxe 5.000 bis 6.000 EUR). Josef Wenglein entdeckte später dann einen Bauern samt Ochsenfuhrwerk in einer trostlosen Moorlandschaft aus der Münchner Gegend (Taxe 3.000 bis 5.000 EUR), und Josef Wopfner hielt sich dicht am Ufer des Chiemsees auf, an dem eben eine junge Bäuerin mit ihrer Wäsche zugange ist (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR).
Bayrische Zutaten
Viele Genreszenen spielen wiederum in süddeutschen Gefilden, so Ludwig Vollmars Bauernjunge in der Stube, dessen Zitherspiel die Geschwister und die Großmutter aufmerksam lauschen (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR), oder Johann Sperls älterer Bursche, der eben seine Angebetete zum Maitanz auffordert (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Warum Carl Friedrich Moritz Müller den Beinamen „Feuermüller“ erhielt, lässt sich gut an der effektvollen Beleuchtung durch Kerzen in seiner „Musikalischen Abendunterhaltung in einem bayerischen Wirtshaus“ ablesen (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR). Bei Adolf Eberle überbringt ein älterer Jäger seinem jungen Kollegen und einer Magd am Esstisch die „Die gute Nachricht“ und liest ihnen aus der Zeitung vor (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR). Genrekunst aus einem anderen Milieu gibt es von Anton Seitz, der in seinem „Kranken Kind“ von 1878 eine betriebsame Wirtsstube mit einer Musikantenfamilie zur Linken zeigt, bei der die Mutter der siechende Kleine besorgt in ihrem Schoß hält (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR).
Eduard von Grützner stellt uns dann wieder einmal einen Klosterbruder vor, der als Kellermeister seiner Arbeit nachgeht und genüsslich ein Gläschen Wein schlürft (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR), Alexander Koester einen „Bauernbub in Festtagstracht“ aus seinem frühen Schaffen (Taxe 4.000 bis 6.000 EUR), Augustin Théodule Ribot eine einfache Magd beim Blumenbinden (Taxe 1.200 bis 2.200 EUR) und der aus Griechenland nach München eingewanderte Nikolaus Gysis ein bezwingendes kleines Mädchen mit großen Augen in ärmlicher Kleidung, das mit einem Anklang von Traurigkeit und Anklage aus dem Bild schaut (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Aus einer Privatsammlung offeriert Neumeister dreizehn Werke des Tiermalers Carl Jutz d.Ä., der mit seinen Hühnern und Hähnen samt Küken, Pfauen, Puten und Enten mehrere Bauernhöfe füllen könnte. Seine Gemälde rangieren zwischen 1.800 bis 8.000 Euro. Die Farm der Tiere vervollständigen etwa noch Anton Braith mit seinen „Kühen am Wasser“ (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR), Ernst Adolph Meißner mit dem „Pfarrers Spitz“, der eine Schafherde scheucht (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), Heinrich von Zügel mit seinem Hütejungen samt Jungrindern am Gatter (Taxe 3.000 bis 5.000 EUR), Alexander Koester mit seinen obligatorischen impressionistischen Entenbildern für bis zu 15.000 Euro oder Hugo Degenhard mit einer sonderbaren „Idylle“: Da begegnen sich auf einer grünen Wiese eine junge Frau im feinen weißen Kleid und ein schwarzes Pferd, nehmen Kontakt miteinander auf und stehen symbolistisch für eine intime Vertrautheit von Mensch und Tier (Taxe 2.000 bis 3.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 2. Juli um 14 Uhr. Die Besichtigung der Objekte ist bis zum 30. Juni täglich von 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 15 Uhr möglich. Der Internetkatalog listet die Kunstwerke unter www.neumeister.com. |