In Salzburg trifft NS-Beutekunst auf junge Positionen  |  | in der Ausstellung „The Museum of (Non)Restitution“ | |
Für ihre aktuelle Ausstellung „The Museum of (Non)Restitution“ haben sich das Salzburg Museum und der Salzburger Kunstverein zusammengetan und verbinden die hauseigene Provenienzforschung mit drei zeitgenössischen Positionen zu den Themen Restitution und Erinnerungskultur. Die Kuratorinnen Mirela Baciak, Katja Mittendorfer-Oppolzer und Susanne Rolinek beziehen sich auf bereits restituierte Werke aus den Sammlungen des Salzburg Museums wie auch auf noch nicht zurückgegebene Objekte und haben Thomas Geiger, Tatiana Lecomte und Sophie Thun eingeladen, sich mit diesen, ihren früheren Eigentümern, dem Raub in der NS-Zeit und auch der Rückgabe zu beschäftigen. Unter dem Begriff der „Provenienzforschung“ verbirgt sich die Untersuchung der Besitzgeschichte eines Kunstwerks. Krieg, Unruhen oder politisch motivierte ‚Umlagerungen‘ führen oft zu bewegten Geschichten. Dies wird gerade im Fall der NS-Beutekunst und ihren „arisierten“ Werken greifbar.
Diese erbeuteten Arbeiten fielen oftmals unter den sogenannten „Führervorbehalt“: Gemeint waren alle Werke, die Adolf Hitler 1938 in den verschiedenen Kunstsammlungen Österreichs, aber auch in anderen von der Wehrmacht besetzten Gebieten beschlagnahmen ließ. Hitler wollte damit die Eigeninteressen verschiedener NS-Stellen unterbinden und Kunstwerke für sein in Linz geplantes „Führermuseum“ im Rahmen des „Sonderauftrags Linz“ akquirieren oder an Museen im Deutschen Reich verteilen. Mit der Entziehung der Kunst- und Kulturgüter ging immer auch die Verfolgung der Eigentümer*innen einher. Von den ehemals im Salzburg Museum befindlichen und unrechtmäßig erhaltenen Werken waren bis Mitte der 1950er Jahre rund 80 Prozent restituiert worden. Jene Objekte, die damals nicht rückübertragen wurden, sind seit 2011 Gegenstand der Provenienzforschung, werden laufend identifiziert und restituiert.
Thomas Geiger geht in seiner Videoperformance „Dunkelheit“ auf das ehemalige Salzbergwerk Altaussee und damit jenen geschichtsträchtigen Ort ein, an dem das NS-Regime in den letzten Kriegsmonaten über 6.500 geraubte Kunstwerke lagerte. Er führt ein imaginäres Gespräch mit der Dunkelheit selbst: „Ist sie bloße Komplizin der Verbrechen, eine passive Mitwisserin oder birgt sie das Potenzial, Erinnerungen zu bewahren, indem sie Abwesenheit sichtbar macht? Zwischen Gegenwart und Geschichte“, so Geiger, „entfaltet sich ein vielschichtiger Dialog über das Verbergen, das Vergessen und die Frage nach Verantwortung.“ In seiner Wandzeichnung „A Cartography of Theft“ untersucht Geiger visuell den systematischen Kunstraub der Nationalsozialisten. In Form eines Soziogramms rückt er Salzburg und das Salzkammergut ins Zentrum seiner Recherche. Diese Region diente der NS-Elite nicht nur als Rückzugsort, sondern fungierte auch als Knotenpunkt weitreichender Enteignungsnetzwerke.
Im großen Saal des Salzburger Kunstvereins hat die Fotokünstlerin Sophie Tun die Depotsituation des Salzburg Museums nachgestellt und an ihren Aufbauten großformatige Fotoarbeiten der Depotregale befestigt, die einerseits die Restitutionsgegenstände der Sammlung Oscar Bondy, die im Februar 2025 zurückgegeben wurden, andererseits die Objekte noch kommender Restitutionen aus den Sammlungen Louis Rothschild sowie Alphonse und Clarice Rothschild zeigen. Zudem hat Thum einen Kleiderschrank aus dem Museum aufgestellt, der ursprünglich zum Sammeln von Spielzeug genutzt wurde, und darin Bilder der Plattform lootedart.com verborgen, die nur durch ein Guckloch entdeckt werden können. Die Künstlerin interessiert sich dabei besonders für den transitorischen Zwischenraum der Objekte: von einem ursprünglich privaten Gegenstand aus einer Familiensammlung wurden sie nach der Entziehung zum musealen Stück und gehen nun wieder in private Hände über.
Tatiana Lecomte geht in ihrem Projekt „Gott segne das Jahr 1942“ auf das Schicksal der Künstlerin Helene von Taussig und deren Haus in Anif bei Salzburg ein. Dafür hat Lecomte eine Zeichnung des 1934 in einem modernen Stil errichteten Atelierhauses auf eine Wand des Kunstvereins übertragen und sie um ein bereits restituiertes, jedoch zurückerworbenes Gemälde der Künstlerin aus dem Salzburg Museum erweitert. Die Geschichte des Hauses erzählt exemplarisch die Enteignung durch eine verbrecherische Verwaltung, angetrieben von Menschen, die alles daransetzten, Objekte für sich schamlos zu nutzen: In diesem Fall Kajetan Mühlmann, Kunsthändler und „Ariseur“ im Dienst des NS-Regimes, und seine Frau Leopoldine Wojtek, Gestalterin des heute immer noch verwendeten Logos der Salzburger Festspiele. Die Keramikkünstlerin verweigerte nach Ende des NS-Regimes den Auszug und die Rückgabe des „arisierten“ Hauses. Erst nach einem gerichtlichen Vergleich 1953 konnte das vollständige Eigentumsrecht der Erbinnen Taussigs in das Grundbuch eingetragen werden.
Die Ausstellung „The Museum of (Non)Restitution“ läuft bis zum 16. November. Der Salzburger Kunstverein hat dienstags bis sonntags von 12 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Salzburger Kunstverein
Hellbrunner Straße 3
A-5020 Salzburg
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