Christoph Tannert
Hinweise auf das Nichtoffenkundige
Kann hier jemand seine Linse nicht scharfstellen? Der Farbnebel, der in den Fotografien von Stefan Heyne herrscht und Räume und Gegenstandsfragmente in das Ungefähre der Impression versinken läßt, wirft Fragen auf. Fragen nach dem Verhältnis von Optik und Wahrnehmungspsychologie, dem Erlernen von Lesbarkeit, dem Dialog von Fotografie und Malerei – kurz: nach der Wahrnehmung des Bildes.
Bei Stefan Heyne kommt es mir vor, als werde das Auge dazu genötigt, sich selbst beim Sehen zuzusehen. Von einem doppelten Wahrnehmen könnte man reden, von dem, was man (regenverhangen) vor Augen hat, und von dem, was die Vorstellung zustande bringen soll. Die Wirkung ist auf diesen Assimilationsprozeß angewiesen. Dahinter steckt die Suche nach einer Kunst, für die Kommentar und konzeptuelle Überlegungen ebenso wichtig erscheinen wie das, was vor Augen tritt. Eine derartige Nötigung von Perzeption und Bildlektüre setzt Akzente in Richtung des Unerwarteten.
Überschneidungen zwischen Fotografie und Malerei im Regelwerk der Moderne sind so alt wie das Medium selbst. Überraschend ist, wie Heyne mit malerischen Weichzeichnereffekten auf die kühle, geradezu minzefrische Pop-Produktion der glatten Oberflächen reagiert, mit dem die aktuelle gegenständliche Malerei ihren eingängigen Ton und ihre Kompatibilität mit der Amüsierkultur zu halten sucht.
Stefan Heyne steht eher auf der anderen Seite, in den Reihen des Anti-Pop, denn er entwickelt und animiert nicht die schmutzfreie Oberflächenproduktion, er experimentiert mit ihr. Er simuliert Glätte, um mit distanzierenden Wolkigkeiten die Gelecktheit zu durchbrechen. Sein Abpufferungsimpuls ist mit nichts als dem ausgeschalteten Autofokus seiner Kamera verbunden. Es sind Konturen aufweichende, zunehmend abstrakte Kommentare zur Entlarvung des Zynismus und der Spaßbewaffnung.
Eine solche Strategie läßt Bilder entstehen, die dem einen Wohlbehagen bereiten, dem anderen nichts weiter sind als eine Illusionsproduktion. Deswegen ist der Grad schmal, auf dem Stefan Heyne balanciert. Wobei klargestellt sei: Heyne ist kein Vertreter eines fotografischen Impressionismus. Er beruft sich so wenig auf die Wiedergabe bloßer Stimmungen wie ihn der Bezug zum Dokumentarischen oder der Aktualität des Fernsehbildes interessiert.
Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, nach Möglichkeiten der Visualisierung von Raumwahrnehmung zu suchen, Bildräume über die Komposition von Licht- und Flächenverhältnissen entstehen zu lassen. Dem neuerlichen „bonjour tristesse“ im Sinne subjektiver Weltdeutung setzt er die Verwischung von Motiv und Gegenstand und eine Absage an die Erwartung, das Motiv könnte versteckte Bedeutungen enthalten, entgegen.
Heyne nutzt das Kameraobjektiv seiner CANON 10D Spiegelreflex, um Unschärfen einzustellen. Digitale Retuschen nimmt er lediglich vor, wenn es an‘s „Ausflecken“ geht. Auf bildnerische Ergänzungen oder Interventionen verzichtet er gänzlich. Wenn er, wie in „Painting“ (2004) Farbe aus dem Bild eliminiert, dann lediglich, um der Umkehrung bzw, Klärung vom Positiv zum Negativ wegen.
In der Unschärfe verbildlicht sich Heynes Sicht auf die Wirklichkeit, in der mit der Relativierung des Sichtbaren das eigene Tasten im Raum nach dem Nichtoffenkundigen, Geheimnisvollen, Flüchtigen zum Anlass der Bildproduktion wird.
Außerdem stellt Heyne erneut klar, daß die Fotografie, allem Anschein zum Trotz, völlig ungeeignet ist, präzise Informationen zu übermitteln. Die einzige klare Aussage, derer sie fähig sein sollte, wäre die, zu sagen: Ich bin eine Fotografie – und kein Gemälde… Freilich schlägt Heyne sie an dieser Stelle gleich wieder mit ihren eigenen Waffen auf seiner kompositorischen Bühne der Ambivalenzen.
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1987-1992 Studium der Szenografie an der Kunsthochschule Berlin bei Prof. Volker Pfüller
1992-1993 Meisterschüler bei Prof. Volker Pfüller
1990-1995 Bühnenbildner der Freien Kammerspiele Magdeburg
seit 1995 Freischaffender Bühnenbildner
Arbeiten für Oper und Schauspiel, davon zahlreiche Ur- und Erstaufführungen u.a. für Hamburgische Staatsoper, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Volksbühne Berlin, Staatstheater Wiesbaden, Staatstheater Mainz, Freiburger Theater, Schauspiel Leipzig, Bremer Theater
Seit 1995 Fotografische Arbeiten
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