Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit von Yotta Kippe ist das Porträt. Ein wesentliches Merkmal ihrer Fotografie ist die extreme Nahaufnahme mit zumeist angeschnittenen en face Ansichten. Dass Yotta Kippe ihre realen Modelle nicht aus primär spielerischem oder experimentellem Antrieb in einen medialen Bild-Raum überführt, wird in der Osnabrücker Ausstellung schnell deutlich. Denn beim näheren Hinsehen entpuppen sich die dargebotenen Porträts als ausgeklügelte assoziationsreiche Bildsimulationen. Zwar arbeitet die Künstlerin auch mit der Ästhetik der Werbe- oder Modefotografie, jedoch gelingt es ihr gerade aufgrund dieser Bezugnahme, die Zusammenhänge zwischen existentiellen und gesellschaftlichen Strukturen sowie den Einflussfaktoren medialer Produktwerbung und medialer Kommunikation kritisch zu visualisieren. Das Gedankengerüst hinter den Bildern der Berliner Künstlerin steht den Oberflächeninszenierungen der Medienwelt konträr gegenüber. In der Serie "yottak!" führt Yotta Kippe ihr künstlerisches Prinzip anschaulich vor Augen. In diesem Zyklus nimmt sie sich selbst zum Modell. Die Künstlerin arbeitet mit minimalen Verschiebungen der Körperpräsenz. Ihr überdimensionales Porträt wechselt zwischen Hell und Dunkel, zwischen Camouflage, Traumzustand und hart-nüchterner kritischer Selbstwahrnehmung. Ob Yotta Kippe ihr Antlitz in erschreckend-desillusionistischer Plastizität "formt" oder digital ikonisiert und verrätselt, immer entstehen Bilder, deren Suggestivität sich der Betrachter kaum zu entziehen vermag. Selbst ein Foto, auf dem das Gesicht der Künstlerin kaum mehr erkennbar ist - ein Motiv, das äußerst schemenhaft nur die Augenpartie zeigt - scheint Energie zu speichern. Jedenfalls vermag es das zwiespältige Gefühl im Betrachter auszulösen, vom Bild an der Wand fixiert zu werden. Die Paradoxie innerhalb der ästhetischen Strategie der Kunst von Yotta Kippe besteht darin, dass die Künstlerin sich die Illusion der fotografischen Authentizität und der schimmernden Oberflächen zu Nutze gemacht hat, um Zwischen-Räume zu betrachten. Zwischen-Räume zwischen dem, was sich der Mensch erträumt, ersehnt und erhofft und dem, was das Leben schließlich aus ihm gemacht hat. Unter diesem Aspekt betrachtet, gehört das 2001 entstandene großformatige Digiprint "Alte Frau" - sicher zu den ergreifendsten Arbeiten der jungen Berliner Künstlerin: Im Abbild der alten Frau, die ihren illusionslosen Blick auf den Betrachter richtet, ist die ganze Fragwürdigkeit gesellschaftlicher Realität eingeschrieben. Über das junge Medium der digitalen Bildkultur tun sich in Yotta Kippes Werk Wirklichkeitsebenen auf, die auf ungewohnte Weise Themen unserer Zeit fokussieren. Die digitale Bildkultur verändert zwangsläufig unseren Realitätsbegriff, aber sie verhilft auch zu kreativen Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozessen, die über die tradierten Mittel der Bildenden Kunst in dieser Form, Intensität und Zeitbezogenheit nicht erreichbar wären.
André Lindhorst, Leiter der Kunsthalle Dominikanerkirche, Osnabrück
Biographie
Yotta Kippe
1971 geboren in Hamburg
1992 –1998 Studium der Bildenden Kunst an der HdK Berlin
Scholarships
1994 – 1998 Künstlerförderung des Cusanuswerks
1998 Meisterschülerpreis der HdK Berlin
1995 Toyama City, Galerie "NOW"
1995 Tokyo, Sa Mocca Foundation
1997 Belgien, "Effort Particulare", Dinant
1998 Melbourne, "The Bridge",
Construction in Progress
1999 Münster, "Grüne Neune", Westfälischer Kunstverein
Galerie Blickensdorff / Berlin,
„Meisterschülerpreis“, Florenz,
„Fabbrica Europa 999“, Stazione Leopolda, Brüssel,
„TenT“, V. Z. V. Piccardi
1999/ 2000 Galerie Blickensdorff / Berlin, „Zeit“,
2000 Galerie Blickensdorff / Berlin „Kunst Kontra Werbung“, und „Dornröschens Rastlosigkeit“,
2001 Galerie Blickensdorff,/ Berlin, Art Frankfurt, und "yottak!",
2002 Die neue Kunststadt Berlin, Opera Paese, / Rom (with Birgit Brenner, Via Lewandowski, Martin Dörbaum u.a.) Sammlung Lohmann / Hamburg / Foto Triennale Hamburg
2003 Galerie Blickensdorff / Berlin, Kunst Zürich, Art Frankfurt, Art Cologne.
2004 Kunsthalle Osnabrück, Musée de Elysée/ Lausanne, Culturgest / Lissabon, ARCO / Madrid, Städtische Galerie,/ Speyer, Hayward Gallery / London, Art Cologne/Köln. Goetheinstitut Bratislava
2005 Villa Oppenheim/Berlin,
Galerie Blickensdorff/ Berlin
Berliner Zeitung, Feuilleton, 5.09.2000: “Unter Klarsichtfolie, hinter Dornen, Carmen Böker
Berliner Zeitung, 22.07.2001:”Das Haschen nach optischen Happen”, Carmen Böker;
Neues Deutschland, 5.08 2001:”Wie das Leben seine Spuren hinterlässt”, Tom Mustroph;
Tip, 14/2001 kunst Highlights, “yottak!”;
Berliner Morgenpost, 20.08.2001:”Digitale Wirklichkeit”
Westfälische Nachrichten, 28.11.2003:”Kontrast zum Verweilen”, Karin C. Punghorst; 29.11.2003:”Leichtigkeit wird zum Traum”, Tom Bullmann;
Stadtblatt, 12.2003:”Digital”, Harff-Peter Schönherr;
Ultimo, 22.12.2003: “Identitätsfragen”
Frankfurter Rundschau, 12.02.2004:””Gebet mir Materie...ich will eine Welt daraus bauen” Und noch mehr:
Immanuel Kant war der erste Transzendentalastronaut”, Christian Schlüter, “der klassische Philpsoph der Moderne”
Herbert Schändelbach, dazu: Drei abbildungen der Serie “yottak!”
Speyerer Morgenpost, 19.03.2004: ”Zeit der Reife"