Weitere Infos: Text zur Ausstellung von Peter T. Lenhart:
"Streng genommen haben Kunst und Gold eine wesentliche Gemeinsamkeit: ihr hoher Wert verdankt sich keiner inhärenten Qualität (gemeinhin nicht einmal einem Gebrauchswert), sondern vor allem einer gesellschaftlichen Übereinkunft, einer kollektiven Zuschreibung, die jeweils auf einem zwar hochkomplexen, aber dennoch manifesten Aushandlungsprozess zwischen einer Vielzahl von individuellen und institutionellen Akteuren beruht. Beider Werte sind daher tendenziell volatil und manipulierbar (und werden auch oft genug nach Kräften manipuliert), und der häufig als spekulativ gescholtene Kunstmarkt wäre so gesehen nur der Ort, wo ein Symbolsystem in ein anderes übersetzt wird. In ihrer Ausstellung in der Galerie Nusser und Baumgart Contemporary zur Open Art 2008 umkreisen Tom Früchtl, Michael Hofstetter und Stefan Schessl das Thema Gold, surfend auf der glänzenden Oberfläche des Edelmetalls. Dabei unterscheidet sich die Ausstellung nicht nur in ihrer inhaltlichen Stringenz von herkömmlichen Gruppenschauen, sondern auch ihrer Ortsspezifität nach: implizit wird in den Räumen der Galerie auch ihr Außerhalb mitthematisiert, ihre Lage mitten in einem quartier dorée, einem goldgesättigten Stadtteil, der durch die glanzvollen Boutiquen der Maximilianstrasse ebenso definiert ist wie durch die Prunkbauten der Residenz und der Oper – gewissermaßen die orogene Zone der Stadt…
Tom Früchtl (*1966) nimmt die Kontrastierung von Kunst und Gold am wörtlichsten. In seiner Arbeit "hybrid" präsentiert er einen tatsächlichen Goldbarren, den er mit Goldfarbe übermalt hat, und der somit dem Augenschein nach genauso (oder viel eher) ein lediglich vorgetäuschter Goldbarren sein könnte. Eine Strategie des Understatement also und der Dissimulation, zugleich ein perfides Verwirrspiel um verschiedene Wertsysteme und die leichte Manipulierbarkeit von Preisen. Dabei setzt er jedoch nicht nur Falsch auf (und gegen) Echt, sondern auch Oberfläche auf Oberfläche, und versöhnt für einen Moment die vormoderne Malerei, der es um möglichst genaue Nachahmung der äußeren Wirklichkeit ging, mit der modernen, deren zentrales Merkmal, zumindest wenn man Clement Greenberg Glauben schenken will, die Vermeidung jeden räumlichen Eindrucks, also ihre Flachheit (flatness) ist. Auch in den monochrom goldfarbenen Bildern kommt eine derartige – moderne – Selbstreflexion der Malerei über ihre eigenen Mittel zum Tragen, die jedoch einhergeht mit einer postmodernen bzw. popistischen Feier der reinen Oberfläche.
Auch Stefan Schessl (*1967) ist sich dessen bewusst (und schon das Bewusstsein ist, wie Nietzsche wusste, eine Oberfläche), dass Oberfläche kein Mangel an Tiefe ist, genauso wie alles Gold ist, was glänzt (und dass unter dem Pflaster – wie wir schmerzhaft lernen mussten – keinesfalls der Strand liegt). Der Glaube an eine notwendige und prinzipiell höherwertige Tiefe ist hoffnungslos romantisch und letztlich ähnlich reaktionär wie die Vorstellung einer zwangsläufigen Bildhaftigkeit von Malerei, die Schessl seit Jahren mit vielfältigen Strategien widerlegt. Ob es bei den Papierarbeiten ein goldenes Gesprengsel auf schwarz-blauem Grund ist, oder der Goldgrund seiner großen ovalen Bilder (die jede Ähnlichkeit zum traditionellen Tafelbild schon durch ihre Form negieren), der lediglich von irritierenden Aussprengungen, Flecken und Bearbeitungsspuren durchbrochen wird: in der Schessl´schen malerischen Unschärferelation überlagern sich Assoziationsmöglichkeiten und deren Auslöschung im Moment ihres Aufblitzens, und an die Stelle von Formen oder Figuren treten schlicht farbige Sensationen ohne Ziel – ein prunkvolles Nichts (aber nichtsdestoweniger Nichts).
Schessls unterschwellige, formal-materielle Verweise auf barocke, insbesondere sakrale Kunst berühren bereits den Themenkreis von Michael Hofstetters (* 1961) Arbeiten, die Kunst und Gold genau da kurzschließen, wo beide zuerst aus dem Urgrund der Menschheitsgeschichte emportauchen: im Zusammenhang des Kultischen. Zentrales Referenzsystem ist ihm vordergründig die an Goldmythen (vom goldenen Zeitalter zum goldenen Vlies, vom goldenen Kalb zu Goldfinger Midas) überaus reiche Antike: in "Faute de l´architecture sauvée" thront auf einem übertrieben edlen, von einer Goldplatte gekrönten Sockel (ein Objekt von geradezu niederträchtiger Perfektion) eine überaus liebevolle Miniaturnachbildung des berühmten Tholos im Athene-Heligtum von Delphi. Allerdings kippt die pathetische Zurichtung des Schauplatzes sogleich durch die Materialität des Tempelmodells hintenüber ins Groteske: die Steine des Rundbaus sind Papiertaschentücher, in Form gekleistert mit Rotz und Sperma. An antike Kulte und die Objektivation von Wünschen im Opfer könnten auch Hofstetters Fotografien von Rauch erinnern, der vor einem goldenen Vorhang in den Himmel steigt – wäre man nicht derart versucht, die schöne Oberfläche des Ephemeren einfach für sich selbst zu nehmen. In "Kybeles Hauch" schließlich verweben sich auf mythologischer Grundierung Fragen nach Gold und Mode, Wunsch und Begehren, Selbstentwurf und Fremdwahrnehmung sowie nach der Kunst und ihren Produktions- und Rezeptionsbedingungen: ein kostbares goldglänzendes Designerkleid wird durch eine Reihe von bunten Plastikblockflöten durchstochen. Die Öffnung des überdeterminierten "vestimentären Zeichens" (Roland Barthes) für andere Melodien nimmt zugleich Mode als Versprechen der Möglichkeit eines (Selbst-) Entwurfs von Persönlichkeit ernst, welche hier auf den historische Ursprung des Begriffs zurückgeworfen wird ("Person" leitet sich bekanntermaßen von "per-sonare", dem Hindurchtönen des Schauspielers durch die Maske im antiken Schauspiel ab). Nicht zuletzt klingt hier auch die Erfindung der Flöte durch Athene, die Flöte als Medium der ekstatischen Selbstentäußerung im Kybele-Kult und der musikalische Wettstreit zwischen Apollo und dem flötenden Satyr Marsyas herüber. Letzterer wurde als Verlierer von dem grausamen Gott mit Schindung bestraft – wenn man so will mit dem Verlust der Oberfläche.
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