Losnummer: 6169
Carl Holsøe studierte an der Königlich Dänischen Kunstakademie von 1882 bis 1884, wo er mit Peter Ilsted und Vilhelm Hammershøi eine folgenreiche Künstlerfreundschaft schloss. Sie etablierten in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts eine völlig neue Interieurmalerei in der dänischen Kunst, die ihre Wurzeln in den Werken Jan Vermeers und Pieter de Hooch, also in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts hat. Zählen heute die abgegrenzten und verschlossenen Darstellungen bürgerlicher Kopenhagener Wohnräume mit einzelnen Frauenfiguren zu den unverwechselbaren und berühmten Markenzeichen von Vilhelm Hammershøi, so beschreibt erst neulich in dem 2012 erschienen Ausstellungskatalog „Hammershøi und Europa“ Kasper Monrad die Rolle Holsøes folgendermaßen: „Obgleich der Maler Carl Holsøe später tief in Hammershøis Schuld stehen sollte, gibt es Anzeichen dafür, dass es anfangs umgekehrt war“. Vorliegendes Gemälde von Holsøe zeigt eine Frauenfigur in einem Interieur, in dem jedes einzelne Bildelement mit besonderer Sorgfalt wiedergegeben ist. Die in gedämpften Farben wiedergegebene häusliche Szene schildert in diesem Fall keine Frau in einem von der Umwelt isolierten Dasein, wie in zahlreichen Werken Hammershøis. Vielmehr erscheint in unserer Interieurdarstellung die stillende Mutter geschützt in ihrem eigenen, sich auf das Kind konzentrierenden Universum. Die Zeit scheint still zu stehen und das durch das Fenster einfallende Licht weist einen beinahe übernatürlichen und friedlichen Charakter auf.
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