Losnummer: 3244
Provenienz:
- Atelier des Künstlers.
- Galka Scheyer, Hollywood, CA.
- Pasadena Art Institute, Pasadena, CA.
- Paul Kantor Gallery, Los Angeles, 1968.
- Privatsammlung Schweiz.
Literatur: Jawlensky, Maria/Pieroni-Jawlensky, Lucia/Jawlensky, Angelica: Alexej von Jawlensky. Catalogue Raisonné of the Oil Paintings, London 1992, Bd. II 1914-1933, Kat.Nr. 901, S. 204 (mit Abb.).
"Galka" nennte er sie, Dohle, wegen ihrer schwarzen Haare. Aber vielleicht ist es auch die Frechheit und Unverfrorenheit des Rabenvogels, die Alexej Jawlensky mit ihr in Verbindung bringt. Denn nur wenige Tage nachdem der Maler die damals 27 jährige Emilie Scheyer kennengelernt hat, ist sie in sein bescheidenes Genfer Atelier marschiert, hat seine Werke inspiziert und verkündet, sie wolle nun die eigene Malerei sein lassen und sich ganz der Vermittlung von Jawlenskys Kunst widmen. Das ist im Jahr 1916.
Kurze Zeit darauf wohnt Galka bereits im Haushalt von Jawlensky und dessen langjähriger Gönnerin, Marianne von Werefkin, und sie soll bis 1918 bei ihnen bleiben; doch ganz so selbstlos, wie die russische Baronin Werefkin den Künstler über Jahre hinweg unterstützt, will die weitgereiste, vielsprachige und gebildete Tochter eines jüdischen Braunschweiger Fabrikanten nicht für den Künstler tätig werden. Offenbar besitzt Galka ebenso viel Geschäftssinn wie Selbstbewusstsein, legt sie doch Jawlensky später einen Vertrag vor, nach dem sie Anspruch auf 45 % der Einnahmen der durch sie vermittelten Bilderverkäufe hat.
Ende 1917 ziehen Jawlensky, Werefkin und ihr Dienstpersonal nach Wollishofen um, heute ein Quartier von Zürich; Galka Scheyer folgt ihnen bald nach. Dort beginnt der Künstler seine berühmte Serie der "Mystischen Köpfe", Auftakt seiner farbintensiven Auseinandersetzung mit dem menschlichen Antlitz, die auch von seiner Faszination für russisch-orthodoxe Ikonen zeugt. Die herb-schönen, ausdrucksstarken Gesichtszüge von Galka Scheyer mit ihrer kräftigen Nase und den betonten Augenbrauen inspirieren ihn zu den meisten "Mystischen Köpfen"; darunter auch den "Mystischen Kopf: Frauenkopf auf blauem Grund" (ebenfalls ca. 1917 entstanden), der zeitweilig im Besitz des Kunstmuseums Bern war und später in Privatbesitz überging.
Auf unserem um 1917 entstandenen "Mystischen Kopf (Galka)" begegnet uns die junge Frau im Dreiviertelprofil. Hals und Schultern sind nur angedeutet, die Nase zum Dreieck zugespitzt und der geschlossene Mund bis aufs Kinn heruntergeschoben. Leuchtende Rosa-, Orange- und Rottöne modellieren die breite Wangenpartie und werden an der Stelle der Augenbrauen mit kühlem Hellblau kontrastiert. Galkas Haarschopf ist mit rabenschwarzen Schlangenlinien angedeutet, zwischen die das Licht bunte Reflexe setzt. Die weit aufgerissenen Augen und die Statik ihrer Haltung erinnern an das archaische Abbild einer hellenischen Göttin.
Dieses Idol aus dem alten Europa sollte wenige Jahre später die weite Reise in die Neue Welt antreten. Galka wanderte 1924 in die USA aus und residiert, unterbrochen durch ausgedehnte Weltreisen, in Hollywood. Die Fotomontage auf einer Zeitungsseite des "San Francisco Examiner" vom 1. November 1925 zeigt sie uns unter der Schlagzeile "Prophetin der Blauen Vier" zusammen mit Portraitfotos der Künstler Lyonel Feininger, Wassily Kandinisky, Paul Klee und Alexej Jawlensky. Letzterer hat den Kontakt zwischen ihr und seinen drei Künstlerfreunden hergestellt, und kurz vor ihrer Abreise hatten sich die Künstler zur Künstlergruppe "Die Blauen Vier" zusammengeschlossen, die Galka bis zu ihrem Tod 1945 in den USA vertreten sollte. Zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen beweisen, dass sie dort zur unermüdlichen Vermittlerin der Werke der "blauen vier Könige" wird, wie sie "ihre" Künstler in Briefen häufig nennt. Mit unserer Zürcher Auktion ist der "Mystische Kopf" nun an den Ort seiner Entstehung zurückgekehrt.
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