Georg Baselitz gehört zu den großen „peintres-graveurs“ der zeitgenössischen Kunst. Zum Jahresanfang widmet ihm die Galerie Boisserée eine umfangreiche Ausstellung mit über 50 graphischen Arbeiten aus den letzten 25 Jahren, ergänzt durch einige Arbeiten auf Papier.
Georg Baselitz, am 23.1.1938 in Deutschbaselitz geboren (eigentlich Hans-Georg Kern, seit 1961 Georg Baselitz), lebt heute am Ammersee und in Salzburg. Sein Studium in der DDR muss wegen „gesellschaftlicher Unreife“ bereits nach zwei Semestern abgebrochen werden. 1957 setzt er es in Westberlin, wohin er 1958 auch endgültig umzieht, bei Hann Trier fort.
Schon früh sucht Baselitz nach einem eigenen Auftritt. Er gilt als eigenwilliger und radikaler Künstler, als unbequemer Zeitgenosse von großer Singularität, der Disharmonie liebt und mit Konventionen bricht – ein Rebell, der provozieren will. Bereits im Jahr 1972 kennzeichnet ihn Herbert Peé als „eigensinnigen, zu Zeiten schwerflüssigen Mann, der mit ungeheurer Intensität seine Aussagen hervorbringt und aus einer extremen Außenseiterposition auf den ihm zukommenden Platz in der neueren deutschen Kunst vorrückt“(1).
Bereits im Jahr 1962/63 führt sein Bild „Die große Nacht im Eimer“, welches einen masturbierenden Jungen darstellt, im Museum Ludwig in Köln zu einem Eklat. 1969 entsteht sein erstes Bild in der Motivumkehr „Der Wald auf dem Kopf“. Ab den 1970er Jahren wird er mit seinen „umgekehrten Bildern“ weltweit bekannt. Seine Arbeiten befinden sich heute in zahlreichen internationalen Sammlungen.
Durch die Inversion seiner Motive befreit er den Gegenstand von seiner ursprünglichen Wertigkeit und nimmt dem Bild den konventionell gedachten Inhalt. Zudem befreit er sich von der Abhängigkeit des Motivs, um sich auf das Erarbeiten autonomer bildnerischer Systeme einer gegenstandslosen Malerei konzentrieren zu können. Baselitz erklärt mit seiner Kunst seine „Haltung gegenüber seiner Zeit, der Gesellschaft und der übrigen ihn umgebenden zeitgenössischen Kunst“(2). Seine Kunst entspringt einer intellektuellen Analyse, sie ist energiegeladen, aber weder expressiv noch illustrativ. Seine Motive haben meist biographische Bezüge.
Baselitz gilt als leidenschaftlicher Graphiker, dem es fern liegt, bereits formulierte Bildideen graphisch zu reproduzieren. Vielmehr will er in seinem graphischen Œuvre mit den verschiedenen Techniken des Hoch- und Tiefdrucks schöpferisch experimentieren. Mit seinen Radierungen, Kaltnadelarbeiten sowie den Holz- und Linolschnitten auf Papier erreicht er eine ganz eigene Materialität und Oberflächenpräsenz, die sein graphisches Œuvre auszeichnen.
Museale Einzelausstellungen widmen sich nur selten ausschließlich dem druckgraphischen Werk eines zeitgenössischen Künstlers. Bereits 1979 zeigte Siegfried Gohr in der Kölner Kunsthalle die zwischen 1977 und 1979 entstandenen großformatigen Linolschnitte. Im Jahr 2008 zeigte die Pinakothek der Moderne, München, die Druckgraphiken von Baselitz aus den Jahren 1964 bis 1983.
Gerade die Radierungen von Georg Baselitz sind vergleichbar mit Selbstbeschreibungen oder Selbstreflexion – wie Tagebuchblätter, aber nicht geschrieben, sondern direkt in die Kupferplatte oder in den Wachsgrund gezeichnet. Bei der Graphik wird die Bildfindung durch den graphischen Prozess, das Einbringen der Zeichnung in die Druckplatte, bedingt durch den Widerstand des Druckträgers (Holz, Kupfer oder Linoleum) verlangsamt. Das führt dazu, dass der Prozess des Malens als Erfahrung lesbar wird. Das Ergebnis der Arbeit kann erst nach dem Druck begutachtet werden.
(1) (2): Siegfried Gohr: „Georg Baselitz, Druckgraphik, Prints, Estampes 1963 – 1983“, erschienen 1984 im Prestel-Verlag München
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit meist ganzseitigen farbigen Abbildungen aller Exponate und einem Text von Heinrich Heil. Er wird zu Euro 10 im Inland versandfrei zugeschickt.
Ausstellung vom 30. Januar – 19. März 2016
Eröffnung am Samstag, den 30. Januar 2015 um 11 Uhr.
Es spricht: Dr. Fritz Emslander, stellv. Direktor und Leiter Grafische Sammlung Museum Morsbroich Leverkusen
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