Losnummer: 3461
„Nur offene Geheimnisse sind wirksam.“ Richard Paul Lohse
Die intensive Auseinandersetzung mit den russischen Konstruktivisten und der niederländische De Stijl-Bewegung, sowie die detaillierte Analyse der künstlerischen Aussagen und Vorgehensweisen der einzelnen Künstler, dabei hauptsächlich Kazimir Malewitsch, El Lissitzky und Wladmir Tatlin sowie Piet Mondriaan und Theo von Doesburg, führen den Schweizer Richard Paul Lohse zu seiner eigenen künstlerischen Lösung der abstrakten, konstruktiven Kunst. „Lohse hat Gedanken des frühen russischen Konstruktivismus und der de Stijl-Bewegung aufgenommen und weiter entwickelt. Er hat die Kunst um neue Begriffe bereichert, die er als erster verwendet hat: um die Prinzipien der Variabilität, Standardisierung, Objektivierung, Anonymisierung, Flexibilität der organisatorischen Prinzipien, Kontinuität der Strukturen, Kongruenz der Aktion, Identität von Form und Farbe, Menschengleichheit, wachsende Farbordnungen, Erweiterbarkeit, dialektische Bildfomulierung.“ (zit. John Matheson, in: Ausst.Kat. Richard Paul Lohse. Modulare und serielle Ordnungen, Kunsthaus Zürich 19. August – 26. September 1976, S. 12).
Lohses Werke bergen keine Geheimnisse oder Überraschungen. Sein Oeuvre unterteilt sich in die sogenannten seriellen und modularen Ordnungen. Erstere basieren auf kontinuierlichen Reihen und einer ebenso kontinuierlichen Abfolge von Farben, die durch Kombination in Bewegung geraten. Die Systeme bieten dem Künstler unbegrenzte Möglichkeiten und heben somit die Bildbegrenzung auf.
Letzere dagegen haben ein festes Zentrum, von dem sich alle weitere Bewegung aus entwickelt, wodurch es definitiv eine Bildbegrenzung gibt. Seit 1943 arbeitet er ausschliesslich mit Quadraten und Rechtecken, die ein Koordinatennetz entstehen lassen, mit dem der Künstler frei arbeiten kann. Gleichzeitig verbannt er damit Natur, Symbolik und Dynamik aus seiner Formsprache. Die verwendeten Farben werden systematisch innerhalb eines Farbspektrums ausgewählt, so dass auch den Farben jegliche Symbolik oder Expressivität entzogen wird. Er verzichtet auf Perspektive oder Tiefenwirkung und schafft somit explizit zweidimensionale Gemälde. Farbe und Form stehen weder kompositiorisch noch symbolisch zueinander in Konkurrenz, sondern sind vollkommen gleichwertig.
Natürlich unterliegen seine Bildkonstruktionen einem strengen Plan, teils sicher strikter als bei seinen Kollegen, aber auch dieser Plan ist dem Betrachter sofort klar, liest er aufmerksam den Werktitel.
Das zur Auktion stehende Gemälde „Zweimal zwei gleiche Farbryhthmen mit 4 weissen Feldern“ gehört zu Lohses sogenannten modularen Ordnungen. Den Kern bilden vier gleichgrosse Quadrate in Blau, Gelb, Rot und Grün, aus denen jeweils zwei gleiche Farbrhythmen von 4 Quadraten erwachsen – die Farbryhthmen sind gelb-grün-blau-rot und grün-rot-gelb-blau. Ergänzt werden die Reihen durch das sie umgebende Weiss – ebenfalls vier identisch grosse Felder. Die Erfassung eines Lohse Gemäldes teilt Harald Szeemann in drei Phasen ein: „das Auge wird vorerst durch den Reichtum der Farbformen angezogen; dann erfolgt das Blosslegen der Gestaltungsprinzipien, der Voraussetzungen der Bildwerdung, und schliesslich die um die Bildmechanik wissenden Wiederherstellung der visuellen Einheit.“ (zit. ebenda, S. 9).
Richard Paul Lohse gehört mit Max Bill zu den bedeutendsten und einflussreichsten Künstlern seiner Zeit in der Schweiz. Kaum ein anderer Künstler hat in der Auseindersetzung mit der Geschichte einen vergleichbar eigenständigen und konsequenten Weg eingeschlagen, dabei aber auch nie seine gesellschaftliche Verantwortung vergessen.
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