Losnummer: 255
Lateinisches Stundenbuch. Florenz, um 1470. Illuminiert von Ser Ricciardo di Nanni.
Pergament. 210 Bll. Lagen mit Wortreklamanten (1 Vorsatzblatt, a12, b2, c-i10, k6, l-p10, q2, r-s10, t6, v8, x10, y-z8, aa8-1). 130 x 90 mm, Schriftspiegel 70 x 47 mm. Lateinischer Text, einspaltig zu 13 Zeilen, in Textura mit dunkelbrauner Tinte, Rubriken in Rot.
Mit einzeiligen Initialen alternierend in Rot und Blau mit feinem Filigranbesatz in den Gegenfarben; zweizeilige Initialen alternierend in Gold und Blau mit die Kolumne begleitendem Fleuronnée in Blau bzw. Rot; sieben vier- bis sechszeilige Initialen auf Goldgrund in Grün, Rot, Blau und Ocker mit Akanthusbesatz und die Kolumne begleitenden Fadenranken mit Goldpollen und farbigen Fruchtkörpern, im Binnenfeld jeweils eine männliche oder weibliche Halbfigur, teils mit Spruchbändern mit Gebetstexten, betend oder lesend; sieben Initialen von gleicher Art mit Füllmotiven aus weißen Fadenranken auf blauem, grünen oder rotem Grund; sechs fünfzeilige Goldinitialen mit Binnenfeld und Besatz aus Blattrankenornamenten in blauer Federzeichnung.
Zu Beginn der Hauptabschnitte fünf Zierseiten mit Initialminiaturen auf Goldgrund mit farbigem Besatz und Randausläufern wie oben, mit Figuren und Landschaftsmotiven im Binnenfeld sowie dreiseitigem Bordürenschmuck aus achsensymmetrischem, teils aus Vasen entspringendem Schmuck aus Blatt- und Fadenranken, Blüten, besetzt mit Putti, in den Farben Blau, Grün, Mauve. Zu Beginn des Marienoffiziums eine ganzseitige Miniatur mit ähnlichem allseitigen Bordürenschmuck, darüber hinaus besetzt mit Vögeln und Fabelwesen.
Kastanienbrauner italienischer Maroquineinband, 2. Hälfte des 17. Jhs., auf drei Bünden mit reicher Vergoldung, Fächerornamenten und Pointillée; zwei Metallschließen; Goldschnitt.
Inhalt: Vorsatzblatt, leer (mit neueren Bleistiftnotizen). 2r-13v Kalender. 14 leer. 15v ganzs. Miniatur Verkündigung. 16r-90r Marienoffizium nach röm. Brauch (Bildinitiale am Anfang mit Darstellung von Maria mit Kind). 91 leer. 92r-143r Totenoffizium (Bildinitiale mit Skelett auf Totenköpfen und Knochen, in der Bordüre unten kl. Medaillon mit Totenköpfen auf Steinsockel). 144r-168r Bußpsalmen mit Litanei (Bildinitiale Bezwinger des Bösen mit Schwert [Hl. Georg, Michael?]). 169 leer. 170r-201v Passionsoffizium (Bildinitiale Kreuzigung). 202-203 leer. 204r-210r Kleines Kreuzoffizium (Bildinitiale Christus als Schmerzensmann, halbfigurig über der Öffnung des Sarkophags; in der Bordüre unten das Vera Icon). Der sporadisch besetzte Kalender weist die Namen einiger spezifisch in Mittelitalien verehrter Heiliger auf (1. März Herculani [Translatio]: Perugia, 8. Okt. Repata: Florenz, 3. Nov. Eufrosino ep.: Toskana) und dürfte auf den toskanisch-umbrischen Raum verweisen.
Die Illuminationen unseres Stundenbuchs, die sowohl in den Miniaturen als auch im Bordürenschmuck von hervorragender Qualität sind, stammen von Ser Ricciardo di Nanni, der in Florenz zwischen 1449 und 1480 tätig war. Wahrscheinlich fand er seine Ausbildung in der Werkstatt des Battista Niccolo da Padova, wo er zur Ausschmückung der liturgischen Bücher für den Dom von Florenz beitrug. Von dieser Zeit an dekorierte er auch Handschriften für die Familie Medici und leitete seit Anfang der 1460er Jahre eine eigene Werkstatt. Zusammen mit anderen bedeutenden Florentiner Buchmalern, wie z.B. Francesco d'Antonio del Chierico oder Filippo di Matteo Torelli, hat er an zahlreichen liturgischen Handschriften mitgewirkt. Als Belege für seinen Bordürenschmuck kann der Cicero in Walters W.364 dienen, die Fleuronnée-Initialen stimmen völlig überein mit denen in Genf Comites Latentes 54.
(Wenige oberflächliche Wurmlöcher im Vorderdeckel des Einbandes, sonst von nahezu makelloser Erhaltung.)
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