Losnummer: 7
Die „Große Liegende“ von 1951 zählt zu den bedeutendsten Werken Karl Hartungs, sie entsteht in der Hochzeit seiner künstlerischen Entwicklung. Seit den 1920er Jahren verfolgte Karl Hartung das Thema der liegenden Akte, anfangs noch inspiriert von Maillol, im Verlauf der folgenden Jahre in immer stärkerer Abstrahierung. In den 1940er Jahren, einer Zeit, in der sich Hartung in einem regelrechten Schaffensrausch befand, erarbeitete er eine große Werkgruppe von Akten, in denen er mit verschiedensten formalen Ausdrucksformen experimentierte. Diese anthropomorphen Figuren, die sich teils deutlich vom Naturvorbild entfernen, sind zweifellos inspiriert von den Plastiken Henry Moores. Dessen Werk übte in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges über Publikationen einen großen Einfluss auf die Bildhauerei aus. "Zum oft genannten und nie untersuchten Vergleich der Plastiken Karl Hartungs mit jenen Henry Moores muss auf den simplen Unterschied hingewiesen werden, dass insbesondere die liegenden Akte Hartungs ein mehr an sinnlicher und damit auch sexueller Präsenz wagen. Mit anderen Worten: Moores 'Reclining Figures' nähern sich Idolen, was am Frühwerk im Vergleich mit präkolumbianischen Skulpturen nachweisbar ist; in seinen späteren Archaismen sind Moores Riesinnen landschaftsbezogene Formen. Bei Hartung bleibt die skulptierte Frau ein Weib", führte Erwin Heizmann in seinem Begleittext zu der großen Retrospektivausstellung der Galerie Pels-Leusden 1988 treffend aus, bei der auch die „Große Liegende“ gezeigt wurde (Karl Hartung 1908-1967. Eine Werkübersicht zum 80. Geburtstag, Ausst. Kat. Galerie Pels-Leusden, Berlin 1988, S. 14 f.). Als „Summe und Höhepunkt zugleich“ bildet die monumentale, über zwei Meter lange „Große Liegende“ in ihrer unübertroffen harmonischen Ausgewogenheit und sinnlichen Ausstrahlung den Abschluss dieser Werkgruppe. Die additiv zusammengesetzten Körperformen verbinden sich zu einer lang hingestreckten wellenförmigen Bewegung aus aufgestützten und ruhenden Gliedmaßen, die weichen üppigen Volumina des Körpers erfahren eine Akzentuierung durch das gen Himmel gereckte, zackenförmig ausgebildete Profil. Trotz ihrer Statik und Abstrahierung ist die träumerisch-selbstvergessene Frauenfigur angefüllt mit Leben. „Plastik ist Form, nichts als das“, so äußerte sich Karl Hartung, dessen künstlerisches Streben ganz darauf ausgerichtet war, nach dem Vorbild der schöpferischen Kraft der Natur eine Form von zeitlos gültiger, ganzheitlicher Harmonie zu schaffen.
Gegossen wurde die Bronze in der renommierten italienischen Gießerei Fonderia Artistica Mariani in Pietrasanta, der auch Fernando Botero den Guss seiner Plastiken anvertraute. Ein weiteres Exemplar befindet sich als Dauerleihgabe in der Norddeutschen Galerie des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf in Schleswig.
Werkverzeichnis
Krause 472
Zertifikat
Wir danken dem Nachlass Karl Hartung für freundliche ergänzende Auskünfte.
Provenienz
Galerie Pels-Leusden, Berlin/Nachlass Karl Hartung; Dr. Carl-Wilhelm Busse, Bielefeld; Westfalen-Blatt Vereinigte Zeitungsverlage GmbH & Co. KG, Bielefeld
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