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Meisterwerke und eine Sensation bei den Winterauktionen von Grisebach

Caspar David Friedrich, Karlsruher Skizzenbuch, 1804

Nichts weniger als eine Sensation: Am 30. November 2023 kommt Caspar David Friedrichs „Karlsruher Skizzenbuch“ von 1804 bei Grisebach zum Aufruf – es ist das erste Mal überhaupt, dass ein gebundenes Skizzenbuch des Künstlers auf dem Auktionsmarkt erscheint. Das letzte bekannte, bis heute in Privatbesitz befindliche gebundene Skizzenbuch-Exemplar Friedrichs ist ein Highlight der diesjährigen Winterauktionen bei Grisebach (Schätzpreis EUR 1.000.000/1.500.000). Von den ehemals insgesamt wohl 20 gebundenen Skizzenbüchern des großen Romantikers haben sich nur sechs erhalten - vier Exemplare bewahrt das Nationalmuseum in Oslo auf, ein weiteres befindet sich im Kupferstichkabinett in Dresden. Das „Karlsruher Skizzenbuch“ ist schon zu Lebzeiten Friedrichs oder kurz danach in die Hände seines engen Künstlerfreundes und bedeutendsten Porträtisten Georg Friedrich Kersting übergegangen, dessen Nachfahren es über gut 200 Jahre bewahrt haben.

Ebenso herausragend tritt uns auch das konzentrierte Meisterwerk „Wolken überm Meer I“ von Lyonel Feininger, dessen erste große Retrospektive seit über 25 Jahren in Deutschland aktuell in der Frankfurter Schirn zu sehen ist, in der Auktion „Ausgewählte Werke“ entgegen. Mit dem 1923 entstandenen Gemälde rückt in radikaler formaler Zuspitzung das atmosphärische Erleben der Weite des Raumes und des Horizonts in das Blickfeld des Künstlers und markiert einen entscheidenden Wendepunkt hin zu einer deutlich abstrakteren Bildfindung, die das Sujet der sich türmenden Wolkenformationen kühn in blockartiger Flächigkeit auflöst (EUR 800.000/1.200.000).

Auch Emil Nolde wendet mit seinem 1950 entstandenen Gemälde „Mohn und blaue Lupinen“ seine Aufmerksamkeit einmal mehr auf die Natur. Besonders der sich gegen die Weiten der Landschaft markant-expressiv abhebende Mohn ist mit seiner auffälligen Form und Farbe eine Pflanze, die der Künstler immer wieder umkreist. Das Blumenbild als Urquelle von Noldes farbstarker Malerei findet in unserem Bild nach einer fast 50-jährigen Auseinandersetzung mit dem Sujet zu einem expressiven Abschluss (EUR 800.000/1.200.000). Mit „In Demut“ von 1946 dürfen wir ein weiteres Meisterwerk des Künstlers anbieten, ein spannungsvoller Kontrast von leuchtend strahlenden Farben und motivischer innerer Einkehr (EUR 700.000/900.000).

Landschaften nehmen in den Jahren vor der Emigration einen vielsagenden Platz im Oeuvre von Max Beckmann ein. Seine Parklandschaften sind „Kunstwelten, die auf eine sehr grundsätzliche Art und Weise Schöpfungs- und Erschöpfungsfantasien zum Thema machen.” Das Gemälde „Springbrunnen in Baden-Baden“ zeigt eine vorgetäuschte Idylle, bei der es um mehr geht als den Blick in den Park um die Mittagszeit an einem Frühlingstag. Ein Gefühl von Enge und Stillstand mischt sich in die Atmosphäre. Die Harmlosigkeit ist eine scheinbare. Wie kein zweites dort inspiriertes Gemälde wird es von differenzierten Grüntönen beherrscht. Beckmann brauchte „die Farbe Grün, die seiner Seele wohltat“ (EUR 700.000/1.000.000).

Die sengende Hitze der Sonne war in dem entlegenen Fischerdorf Jershöft an der Küste Ostpommerns des Öfteren Karl Schmidt-Rottluffs Bildthema, doch selten hat einer der führenden Vertreter des deutschen Expressionismus die besondere Atmosphäre eines solchen Hochsommertages so treffend einzufangen vermocht wie in unserem farbstarken Bild „Bootshaus in Jershöft (Rettungshaus am Strand)“ von 1920 (EUR 600.000/800.000).

Gleich mehrere hochkarätige Meisterwerke von Ernst Wilhelm Nay kommen in der Auktion Ausgewählte Werke am 30. November zum Aufruf: Das repräsentative Scheibenbild „Alpha“ von 1957 mit einem kraftvollem Farbakkord von höchster kompositorischer Dichte (EUR 400.000/600.000), das leuchtende Gemälde „Gelb-Orange-Kobalt I“ von 1967 (EUR 200.000/300.000), das heitere, meisterlich ausgeführte Bild „Angelika“ von 1946 (EUR 120.000/150.000) und die bedeutungsvolle Komposition „Fischer“ von 1936 (EUR 120.000/150.000).

Weitere Highlights aus dem Bereich Post-War sind etwa die charakteristische, gelb dominierte Komposition „21.07.50-Saint-Jeoire - Montagne jaune“ aus dem Jahre 1950 von Zao Wou-Ki, dem französischen Maler chinesischer Herkunft (EUR 400.000/600.000), ebenso wie René Magrittes berühmtes kleinformatiges Gemälde „La Malédiction“ von 1963, mit den für ihn so typischen Wolkenformationen, die objekthaft über dem Himmel zu schweben scheinen (EUR 300.000/400.000).

Besonders hervorzuheben sind auch die Werke aus der Sammlung von Johanna und Leslie Garfield, dem New Yorker Sammlerpaar, dessen Schwerpunkt vor allem auf dem deutschen Expressionismus liegt. Spektakuläres Highlight sind hier George Grosz’ großformatiges Aquarell „Nächtliche Szene, Berlin“ von 1925 (69,3 x 98, 5 cm, EUR 300.000–400.000) sowie zwei umfangreiche Mappenwerke von Max Beckmann, die „Gesichter“ von 1919 (EUR 40.000/60.000) und die „Berliner Reise“ von 1922 (EUR 50.000/70.000). Weitere Werke aus der Leslie & Johanna Garfield Collection kommen in unserer Auktion „Moderne Kunst“ am 1. Dezember 2023 zum Aufruf – darüber hinaus wird es bei Grisebach im Februar 2024 eine Sonderauktion mit über 80 Werken aus dieser bedeutenden Grafiksammlung des deutschen Expressionismus geben.

Die kuratierte Abendauktion wartet auch mit einem stringenten und vielseitigen Angebot aus dem Bereich der Zeitgenössischen Kunst auf. In das imposante Ölgemälde „Ohne Titel“ von 2011 des dänischen Malers Per Kirkeby würde man am liebsten direkt hineinsteigen und sich auf ausführliche Expeditionen begeben in eine monumental abstrahierte Landschaft, die erkennen lässt, wie stark Kirkeby ein Leben lang von seinen grönländischen Erfahrungen geprägt worden ist (EUR 350.000/550.000). Ein geradezu ozeanisches Gefühl der Auflösung in der Weite des Horizonts stellt sich dagegen ein bei der Betrachtung von Günther Förgs eindrucksvollem Bleibild „Ohne Titel“ von 1990 (EUR 250.000/350.000). „Die schöne Hausfrau“ (1967) des im Juli diesen Jahres verstorbenen Konrad Klapheck zählt zu jener bedeutenden Werkgruppe der Wasserhähne und Duschen, in der der Künstler in der für ihn typischen narrativen Überhöhung der Szenerie ein persönliches, familiäres Verhältnis der Objekte untereinander imaginiert, das nicht nur von Sympathie und Antipathie geprägt ist, sondern in diesem Falle auch explizit sexuell aufgeladen ist (EUR 180.000/240.000).

Aus dem Jahr der Wiedervereinigung schließlich stammt A.R. Pencks „Soldato convenzionale“, mit dem er in seiner symbolträchtigen Bildsprache ein eindrucksvoll verdichtetes Werk realisiert, das nachdrücklich bezeugt, wie sehr es ihm wie kaum einem Zweiten gelang, die deutsch-deutsche Geschichte in eine bildliche Erzählung zu übersetzen (EUR 160.000/200.000).

Great Women Artists bei Grisebach – hochkarätige Werke etablierter internationaler Künstlerinnen sorgen vor allem im Bereich der Zeitgenössischen Kunst für Aufsehen: Das Gemälde „Ladder Rising“ der amerikanischen Malerin Alice Baber von 1965 war Teil ihrer ersten Einzelausstellung in Deutschland (EUR 20.000/30.000). Christa Dichgans Bilder „Puppe“ (EUR 15.000/20.000) und „Clown“ - beide aus dem Jahr 1969 - zeigen ein für die Künstlerin charakteristisches Sujet: Spielzeug. Die Installation „Andere Bedingung (Aggregatzustand 1)“ (EUR 40.000/60.000) und die Skulptur „Watch (Münz)“ (EUR 12.000/15.000), zwei für Alicja Kwade typische Arbeiten, formulieren Denkmodelle zu Fragen der physikalischen Gesetze von Raum und Zeit. Die Bronze der französischen Künstlerin Camille Henrot „Self Effacing Management Politics“ von 2016 stammt aus der Serie der “Desktop Series“ (EUR 35.000/45.000), während Rebecca Horns großformatige Papierarbeit „Himmelswurzeln“ von 2013 auf 30.000 bis 40.000 EUR geschätzt ist. Zwei Österreicherinnen und eine Schweizerin runden das vielseitige Angebot der zeitgenössischen Künstlerinnen ab: Martha Jungwirths großformatiges Aquarell „Ohne Titel“ von 2007 (EUR 30.000/40.000), Maria Lassnigs „Denkerin“ von 1981, ein typisches Selbstporträt (EUR 60.000/80.000), und schließlich Verena Loewensbergs virtuoses Gemälde „Ohne Titel“ von 1972 (EUR 40.000/60.000).

An der Spitze des Angebots der Auktion Kunst des 19. Jahrhunderts steht Philipp Otto Runges „Bildnis des Bruders Jakob Runge“ von April/Mai 1801, eine der letzten großformatigen Zeichnungen des Künstlers in Privatbesitz. Für den an Heimweh leidenden Runge ist vorliegendes Porträt ein besonders intimes und bedeutendes Bildmotiv - es ist das Bildnis seines Bruders Jakob (EUR 250.000/350.000). Mit „Alte Elbbrücke bei Meißen“ dürfen wir eine weitere Rarität von Caspar David Friedrich aus dem Künstlernachlass von Georg Friedrich Kersting anbieten: Es handelt sich hierbei um die einzig farbig gearbeitete Aquarellstudie dieses Bildmotivs und um ein besonders frühes Beispiel von Friedrichs Konzeptgedanken reduzierter Durchblicke (EUR 200.000/300.000). Ein weiteres Highlight ist Friedrich Nerlys frühe, spektakuläre Ölstudie auf Papier „Blick auf Venedig im Abendlicht“, eine ikonische Ansicht der charakteristischen venezianischen Silhouette (EUR 100.000/150.000).

Insgesamt werden bei den Winterauktionen vom 30. November und 1. Dezember 549 Kunstwerke mit einem unteren Schätzpreis von insgesamt EUR 22 Millionen in vier Auktionen versteigert.

Die Vorbesichtigung aller Werke in Berlin an zwei Standorten in der Fasanenstraße (25 und 27) findet vom 22. bis 29. November statt. Caspar David Friedrichs „Karlsruher Skizzenbuch“ wird noch bis zum 8. November in Zürich sowie vom 11. bis 15. November in New York und vom 22. bis 29. November in Berlin gezeigt.

Quelle: © Villa Grisebach Auktionen GmbH

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