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Im Zentrum des Interesses der Juni-Versteigerung bei NEUMEISTER standen die Kunstwerke aus der legendären Sammlung von Dr. Albert Figdor. Der Wiener Bankier hatte mit 33 Jahren ein großes Vermögen geerbt und zwischen 1869 und 1927 eine der bedeutendsten Privatsammlungen seiner Zeit zusammen getragen. Die Kollektion umfasste mehrere tausend Objekte, die 1930 zum Großteil bei aufsehenden Auktionen in Wien und Berlin angeboten wurden. Darunter auch 21 einzigartige Kunstwerke, die damals von Verwandten des Sammlers erworben wurden, und sich seitdem kontinuierlich im Besitz der Familie befanden. Alle 21 Stücke wurden nun versteigert, teilweise mit erheblichen Steigerungsraten.
Als äußerst begehrt erwies sich eine „Schnabelkanne“ aus Messing, die ins 14. Jahrhundert datiert wird (LOT 112, Schätzpreis € 800-1.000). Mehrere Interessenten lieferten sich ein Gefecht, aus dem ein Bieter im Saal als Sieger hervorging. Das seltene Sammlerstück war ihm € 13.000 wert. Auch der „Grapen“ aus Bronze mit einer Darstellung des „Hortus conclusus“ (LOT 113) konnte seinen Schätzpreis von € 1.200-1.500 vervielfachen und erzielte ein Resultat von € 10.400. Zu den reizvollsten Stücken im Bereich der Skulpturen zählte die um 1480/90 in Utrecht geschnitzte Figur einer „Madonna mit Nähkorb“ (LOT 115, Schätzpreis € 8.000-12.000). Das originelle Bildwerk ging für € 28.600 nach Belgien. Die um 1510/20 entstandene „Hl. Dorothea“ des sog. Meisters von Osnabrück (LOT 116, Schätzpreis € 4.000-6.000) erhielt ein Telefonbieter für € 27.300, während ein Museum sich über den Zuschlag für das „Segnende Christuskind“ (LOT 117, Ergebnis € 16.900) freuen konnte. Bei den Möbeln machte der schöne, um 1457 in einer Möbelwerkstatt der Bodenseeregion gefertigte „Sakristeischrank“ (LOT 119, Schätzpreis € 20.000-30.000) Furore. Ein süddeutscher Privatsammler ist der neue Besitzer, er musste tief in die Tasche greifen und € 101.400 zahlen. Die Aufnahme des Möbels in die Liste „Nationales Kulturgut“ tat einem guten Ergebnis offenbar keinen Abbruch, sondern hat es möglicherweise in den Augen mancher Sammler sogar aufgewertet.
Auch die Gemälde aus der Sammlung Figdor waren sehr gefragt. Ein Händler aus New York übertrumpfte mehrere Online- und Telefonbieter und erhielt den „Segnenden Christus“ eines oberitalienischen Künstlers (LOT 125, Schätzpreis € 15.000-20.000) für € 46.800. Der Preis für die wohl als Predella für ein Retabel gemalte „Heilige Sippe“ des Münchner Malers Jan Polack und seiner Werkstatt (LOT 126, Schätzpreis € 25.000-30.000) kletterte auf € 84.5000. Die „Übergabe einer befestigten Stadt an Kaiser Maximilian I.“ (LOT 127, Schätzpreis € 12.000-15.000) sicherte sich ein Bieter aus London für € 54.600.
Albert Figdor wurde von seinen Zeitgenossen als Grandseigneur beschrieben, als gebildeter, interessierter und humorvoller Gesprächspartner, der Sammlern und Kunsthistorikern gern seine Schätze zeigte und sie an seinen Kenntnissen teilhaben ließ. 1898 hat Franz von Lenbach diese eindrucksvolle Sammlerpersönlichkeit porträtiert (LOT 131, Schätzpreis € 3.000-4.000). Das Bildnis, das zum Abschluss der Versteigerung der Kunstwerke aus seinem Besitz aufgerufen wurde, verzehnfachte seine Taxe auf € 33.800 und wurde nach London verkauft.
Kunsthandwerk und Antiquitäten
Bei den NEUMEISTER-Auktionen ist die Begeisterung für Objekte, die mit der Haushaltung von Adelshäusern in Zusammenhang stehen, immer besonders groß. Dabei stoßen vor allem diejenigen Stücke auf Interesse, die mit dem bayerischen Königshaus in Verbindung gebracht werden können. Kein Wunder also, dass bei den Porzellanen drei Nymphenburger Sets des „Bayerischen Königsservices“ nach Modell von Dominikus Auliczek im Mittelpunkt standen, denn solche Ensembles bieten die Möglichkeit, allerfeinsten höfischen Glanz auf die heimische Festtafel zu bringen. LOT 56 umfasste 143 Teile des Speiseservices mit Tellern in allen Größen, Terrinen, Saucieren, Schüsseln, Platten und einem Kaviarkühler. Geschätzt auf € 12.000-14.000 brachte es einen Erlös von € 28.600. Das aus 160 Teilen bestehende Kaffee- und Teeservice (LOT 57, Schätzpreis € 13.000-15.000), zu dem neben diversen Tellern, Tassen und Kannen für verschiedene heiße Getränke auch Dosen, Konfektschalen und Tortenplatten zählten, konnte seine Taxe vervierfachen und erzielte € 52.000. Auch das vergleichsweise kleine Ensemble von 25 Teilen des „Bayerischen Königsservices“ (LOT 58, Schätzpreis € 2.200-2.400) war äußerst umworben. Mehrere Bieter hoben online und an drei Telefonen den Preis auf € 14.300.
Als perfekte Ausstattung für eine Einladung zum herbstlichen Hirschrücken, einem Reh- oder Hasenbraten eignet sich das aus 103 Teilen bestehende und ebenfalls aus der Nymphenburger Manufaktur stammende Service „Bunte Jagd“ (LOT 59 Schätzpreis € 6.000-7.000). Die nach Motiven von Hans Kratzer mit originellen Szenen bemalten Porzellane ließ sich ein Liebhaber € 20.800 kosten.
Mehrere Händler und Sammler bemühten sich um den geschichtsträchtigen Silberteller aus dem Besitz von Maximilian I. (LOT 62, Schätzpreis € 7.000-8.000), der bei der Flucht der kurfürstlichen Familie 1648 bei Mühldorf im Inn versank, nachdem das "Kuchen-Schiff" mit dem kurfürstlichen Gebrauchssilber einen Brückenpfeiler gerammt hatte. Die umgehend eingeleiteten Bergungsversuche des kostbaren Tafelgeräts scheiterten, nur einzelne Teile wurden wieder aufgefunden. Zu diesen gehört auch der jetzt angebotene Teller, auf dem die turbulente Geschichte deutliche Spuren hinterlassen hat, die allerdings den besonderen Reiz des Stückes ausmachen. Wir freuen uns sehr, dass trotz der scharfen Konkurrenz für € 11.700 eine öffentliche Sammlung die seltene Kostbarkeit ergattern konnte.
Auch andere Silberobjekte waren sehr gefragt, allen voran ein Humpen (LOT 63, Schätzpreis € 5.000-6.000), der in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts in einer Danziger Werkstatt entstand. Der getriebene umlaufende Dekor zeigt Szenen aus dem Leben des Propheten Elias. Das in den Deckel eingelassene Medaillon mit dem Porträt des polnischen Königs Johann III. Sobieski rief diverse Interessenten auf den Plan, die die Taxe vervierfachten. Ein polnischer Bieter erhielt das Stück für € 22.100. Ein Paar 1847 in Wien entstandene silberne Weinkühler und ein aus zwei Etageren, einer Terrine, einem Tablett und einer Zuckerdose (LOT 64, Schätzpreis € 3.200-3.500) bestehendes Silberensemble (LOT 65, Schätzpreis € 1.800-2.000) aus dem Besitz des Markgrafen Alfons sen. Pallavicini wechselten für € 6.500 bzw. für € 3.640 den Besitzer.
Historische Waffen haben in den vergangenen Jahren mehrfach bei NEUMEISTER gute Preise erzielt. Sehr umworben war die im 16./17. Jahrhundert vermutlich in Deutschland hergestellte schwere Armbrust (LOT 91, Schätzpreis € 4.000-4.500). Das außergewöhnliche Objekt besteht aus Eisen, Horn und mit Beineinlagen verziertem Nussbaumholz und erforderte die enge Zusammenarbeit mehrerer auf die verschiedenen Materialien spezialisiertem Handwerker. Der neue Besitzer in Polen muss für das seltene Sammlerstück € 15.600 zahlen. Auch die beiden eleganten langen „Radschlosspuffer“, die 1685 wohl in der Werkstatt eines dänischen Büchsenmachers entstanden (LOT 92, Schätzpreis € 10.000-15.000), ließen die Herzen einiger Experten höher schlagen. Für die mit Fabelwesen und Jagdszenen reich dekorierten Kostbarkeiten wurden € 20.800 bewilligt.
Gemälde des 15.-20. Jahrhunderts, Moderne und Contemporary Art
Das Porträt des im Alter von sechs Jahren verstorbenen „Erbprinz Karl Ludwig Damian von Baden-Baden“ (LOT 169, Schätzpreis 3.000-4.000) wird dem marktgräflichen Hofmaler Heinrich Lihl zugeschrieben. Das begehrte Gemälde erzielte ein Ergebnis von € 9.100. Nicolaus Treus kleines Bildnis des Fürstbischofs von Speyer, Franz Christoph Reichsfreiherr von Hutten zum Stolzenberg, umgreift ein aufwendig gestalteter Rokokorahmen, der mit dem Kardinalswappen und den Initialen des Dargestellten versehen ist (LOT 172, Schätzpreis € 1.500-2.000). Für das prachtvolle Stück wurden € 4.950 fällig. Das stimmungsvolle Gemälde „Fischfang bei Mondlicht“ von Joseph Carl Cogels (LOT 177) aus einer Süddeutschen Privatsammlung begeistert durch seine raffinierte Lichtführung. Die Fischer spielen hier eine Nebenrolle, im Mittelpunkt des Bildes stehen die mondbeschienene Brücke und die geheimnisvollen Bauten, die sich im Fluss spiegeln. Die auf € 2.000-2.500 taxierte Holztafel brachte ein Resultat von € 3.900.
In der Kategorie Moderne stieß vor allem Julius Exters „Seestraße am Bach“ (LOT 302, Schätzpreis € 4.000 bis € 6.000) auf Interesse. Die rötlichen Töne des Himmels, die Spiegelung im Wasser und der pastose Farbauftrag vermitteln atmosphärische Tiefe. Das Gemälde ist ein eindrucksvolles Beispiel für Exners Fähigkeit, Stimmungen und Lichtverhältnisse einzufangen. Mehrere Online- und Telefonbieter verdreifachten die Taxe auf € 12.350.
Die faszinierende österreichische Künstlerin Maria Lassnig, die heute zu den bedeutendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts gerechnet wird, war in der Auktion mit zwei Arbeiten auf Papier vertreten. Bereits als Sechsjährige fiel sie wegen ihres außergewöhnlichen Zeichentalents auf. Als Begründerin der informellen Malerei in Österreich war sie ihrer Zeit voraus, doch gelang ihr erst in den 1980er Jahren der internationale Durchbruch. 1968 bezog sie in New York ein Atelier im East Village. Dort entstanden der Farbsiebdruck „Selbstporträt in NYC 1969“ (LOT 334, Schätzpreis € 2.000-3.000), der € 4.940 einbrachte, sowie Ihre zarte Bleistiftzeichnung „Sie webt mit göttlichen Händen“ aus dem Jahr 1975 (LOT 333, Schätzpreis € 4.000-6.000), die für € 8.450 in den Besitz eines Maria-Lassnig-Fans in Wien überging. |