Losnummer: 202
Ernst Barlachs „Singender Mann“ entsteht zunächst als Gipsplastik. Deren Umsetzung in den zu vervielfältigenden Bronzeguss wird in größerem Umfang erst mit Alfred Flechtheim ab 1930 angeregt. Barlach selbst ist zuerst zurückhaltend, liegt ihm doch sehr an der ursprünglichen Wirkung besonders der Holzskulpturen. An Flechtheim schreibt der Künstler im Oktober 1930: „Die erste größere Arbeit in Bronze, der Domengel in Güstrow, wollte mir gleich als Bestätigung der Eignung meiner Arbeit für Metall erscheinen. […] Lust und Überzeugung waren angeregt, und der Wechsel des Materials machte sich immer wünschenswerter. Freilich habe ich Entwürfe, die mir nur in Holz ausführbar scheinen, aber es unterlaufen mir doch immer wieder Dinge von einer gewissen Gewagtheit, wo nicht Leichtigkeit auch im Stofflichen, bei denen die momentane Geglücktheit so entscheidend ist, daß ihr Gelingen bei langsamer und mühevoller Ausführung in Holz unmöglich wäre. Diese Stücke vor allem verlangen nach Bronze, in der die ganze Frische des augenblicklichen Gefühls erhalten bleibt, hier vermag sie allein getreu zu sein und das Erlebnis der Minuten zu erhalten.“ (zit. nach Friedrich Schult, Ernst Barlach. Das plastische Werk, Hamburg 1959, S. 26). Den Moment, in dem der alles um sich herum vergessende, in sich Versunkene sich weit nach hinten lehnt, um seinen Brustkorb zu öffnen, sein Lied anstimmt, hat Barlach in seiner prachtvollen Plastik in einem geglückten Moment eingefangen.
Werkliste
Laur 432; Schult I 343
Provenienz
Wohl bei Roman Norbert Ketterer, Campione d'Italia, erworben (1972); seitdem bedeutende Privatsammlung Norddeutschland, Familienbesitz Rheinland
Literaturhinweise
U.a. Alfred H. Barr, Omnibus, German Sculpture, Berlin/Düsseldorf 1932, S. 38-42; Marguerite Devigne, Ernst Barlach, in: Les Beaux-Arts, Brüssel 1935, S. 14; Carl Dietrich Carls, Ernst Barlach, Das plastische, graphische und dichterische Werk, 5. Aufl., Flensburg/Hamburg 1950, S. 58; Paul Fechter, Ernst Barlach, Gütersloh 1957, S. 35; Franz Fühmann (Hg.), Ernst Barlach, Das Wirkliche und Wahrhaftige, Wiesbaden 1970, S. 159; Kunstblätter der Galerie Nierendorf, Ernst Barlach. Plastik, Zeichnungen, Graphik, 13.9.-5.12.1978, Berlin, September 1978, Kat. Nr. 41 mit Abb. Nr. 21 ; Anita Beloubek-Hammer, Ernst Barlach, Plastische Meisterwerke, Leipzig 1996, S. 116 f.; Helga Thieme, Ernst Barlachs Skulptur "Der singende Mann" in der Ausstellung "Neue deutsche Kunst", Oslo 1932, in: Ausst. Kat. Rostock 1998, S. 310 ff.
Ausstellung
U.a. Berlin/Düsseldorf 1930 (Galerie Alfred Flechtheim), November/Dezember, Kat. Nr. 19; New York 1931 (Museum of Modern Art), Art in Our Time; Berlin 1951/1952 (Deutsche Akademie der Künste), Ernst Barlach, Kat. Nr. 54, S. 124; Bremen 1959 (Kunsthalle), Ernst Barlach, Kat. Nr. 34, S. 13 mit Abb.
Güsse befinden sich nach Laur in folgenden musealen Sammlungen: Neue Nationalgalerie, Berlin; The Cleveland Museum of Art, Cleveland/Ohio, USA; Museum am Ostwall, Dortmund; Ernst Barlach Haus, Hamburg; Sprengel Museum, Hannover; Kunsthalle Kiel; Museum Ludwig, Köln; Kunsthalle Mannheim; Pinakothek der Moderne, München; Lyman Allyn Museum, New London/Connecticut, USA; Museum of Modern Art, New York, USA; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Schloss Gottorf, Schleswig; Staatliches Museum Schwerin; Rathaus Wedel, Privatbesitz (ein nummerierter Guss 4/10); Ernst Barlach Stiftung, Güstrow; Hamburger Kunsthalle; Von der Heydt-Museum, Wuppertal
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