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Lempertz versteigert am 17. November Herausragendes aus mehreren Jahrhunderten mit gefragten Provenienzen. Der Vormittag ist Silber, Porzellan und Fayence gewidmet, der Nachmittag gehört Kunstkammerobjekten mit Objets de Vertu, Skulptur, Möbeln und vielen weitere Kostbarkeiten.
Silber
Die außerordentlich umfangreiche Silberofferte vereint qualitätvolle Objekte aus fünf Jahrhunderten. Zu den Höhepunkten zählt ein musealer Renaissance-Deckelhumpen des Augsburger Meisters Hans Reiser, um 1560. Seine Wandung zieren Darstellungen der Göttinnen Venus, Diana und Pallas Athene nach Stichvorlagen von Virgil Solis (Lot 1000, Schätzpreis € 70/80.000).
Der große vergoldete Ratspokal des Marktgerichts Pyrbaum in der Oberpfalz trägt sowohl das gravierte Stadtwappen Pyrbaums als auch das Wappen der Reichsfreiherren von Wolfstein, einst eines der bedeutendsten oberpfälzischen Herrengeschlechter. Im Deckelinneren findet sich eine geätzte Auflistung der Pyrbaumer Richter, Kämmerer und Schöffen. Der Pokal, ehemals in der Sammlung Bulgari, entstand in den 1660er Jahren in der Nürnberger Werkstatt des Reinhold Rühl (Lot 1010, Schätzpreis € 40/50.000).
Eine um 1680 entstandene und mit einem Durchmesser von fast 70 Zentimetern schon monumental zu nennende Schauplatte des Augsburger Reliefspezialisten Heinrich Mannlich zeigt die vielfigurige Darstellung des Gastmahls des Belsazar zwischen Allegorien des Genusses und des Müßiggangs (Lot 1011, Schätzpreis € 25/30.000). Ähnliche Arbeiten des Meisters befinden sich heute in bedeutenden Sammlungen wie der Schatzkammer in Wien und dem Moskauer Kremlmuseum.
Einen großen Teil des Kunstkammersortiments im Nachmittags-Katalog macht eine italienische Sammlung aus, die auch interessante Silberobjekte enthält. Hierzu zählt ein großes Weihwasserbecken des römischen Meisters Antonio Politi, das um 1730 in prächtigstem Barock entstand (Lot 1039, Schätzpreis € 13/15.000).
Porzellan
Ein Höhepunkt beim Porzellan ist die äußerst seltene frühe Meissener Böttger-Steinzeug Kaffeekanne mit dem bemerkenswert gut erhaltenen Lackdekor von Martin Schnell, die zwischen 1710 und 1715 datiert ist (Lot 1320, Schätzpreis € 30/40.000). Aus dem Tafelservice für Heinrich Graf Brühl stammt eine Meissener Deckelterrine mit Blumenkohl, Spargel- und Erbsenknauf (Lot 1377, Schätzpreis € 14/16.000). Ein beeindruckendes, museales Meissener Pilgerpaar wurde 1741 von Johann Joachim Kaendler modelliert und ausgeformt (Lot 1381, Schätzpreis € 25/30.000).
Ein Tee- und Kaffeeservice für zwei (tête à tête) aus der kurmainzischen Manufaktur Höchst wurde von dem bekannten Porzellanmaler Andreas Philipp Oettner (um 1735 - 92) dekoriert. Er war einer der wenigen Porzellanmaler mit einem so deutlich individuell geprägten Duktus und eigenen Sujets, dass die von ihm gestalteten Stücke leicht zu erkennen sind. Er spezialisierte sich u.a. auf "Watteau-Szenen", in denen er die Figuren durch kindliche Personen mit einem ganz bestimmten Gesichtsausdruck ersetzte (Lot 1404, Schätzpreis € 15/20.000).
Ebenfalls angeboten wird eines der seltenen, von Joseph Nigg signierten Gemälden auf Wiener Porzellan (Lot 1446, Schätzpreis € 15/20.000), das vor vielen Jahren bei Röbbig in München erworben wurde. Außerdem werden Porzellane aus einer westfälischen Privatsammlung, aus der Sammlung Gisela Eustergerling und der zweite Teil der Fayencen aus der Sammlung Dr. Jürgen Baur angeboten. Der Kölner Sammler hat in fünf Jahrzehnten eine der größten Fayencesammlungen des Rheinlands aufgebaut. Sein Schwerpunkt lag bei Fayencen aus der schlesischen Manufaktur Proskau, heute Prószków in Polen.
Kunstkammerobjekte
Am Nachmittag folgt die Auktion der Kunstkammerobjekte. Schon das erste Lot des zweiten Katalogs ist spektakulär: ein früher italienischer Majolika-Krug, ein boccale, Emilia Romagna, der ehemals zur Sammlung von Prinz Luitpold von Bayern gehörte, 1959 von Rackham publiziert (Lot 1600, Schätzpreis € 10/15.000). Drei hochbedeutende Stücke aus Limoges mit Maleremail en grisaille folgen – davon sei hier nur die Kanne mit dem biblischen Motiv „Moses und die eherne Schlange“ erwähnt, die Pierre Reymond, zugeschrieben ist (Lot 1610, Schätzpreis € 45/50.000). Für den aus Elfenbein und Wurzelholz gedrehten beeindruckenden skandinavischen Pokal für eine Kunstkammer (Lot 1614, Schätzpreis € 40/50.000) liegt selbstverständlich eine Vermarktungsgenehmigung vor – wie übrigens für alle angebotenen Elfenbeine. Sie erlaubt den Verkehr des Objekts innerhalb der EU. Der Pokal gehörte ehemals zur Sammlung Lily & Edmond J. Safra, wurde 2011 in New York versteigert.
Mit der im Katalog gesondert markierten italienischen Sammlung kommen zahlreiche bedeutende und außergewöhnliche Objekte zum Aufruf. Drei Bezoare mit ihren fein aus Silber bzw. vergoldeter Bronze gearbeiteten Montierungen (Lot 1624 – 1626, Schätzpreise jeweils € 6/10.000) zeugen von der Begeisterung des europäischen Adels für diese Kunstkammerobjekte. Im 17. Jahrhundert spezialisierten sich jesuitische Priester im westindischen Goa auf die Produktion. Sie schufen synthetische Bezoare aus Gallensteinen und Haaren, die sie in kunstvollen Behältnissen nach Europa exportierten.
Einem Mailänder Steinschneider des 17. Jahrhunderts wird ein Pokal aus Bergkristall zugeschrieben (Lot 1645, Schätzpreis € 30/50.000), der mit feinstem Jagddekor und mythologischen Szenen in Tiefschnitt dekoriert ist. Eine ebenfalls museale Augsburger Säulenuhr von David Buschmann, um 1660 - 64 (Lot 1670), ist mit € 50/60.000 bewertet. Die doppelte Stundenindikation, die sich hier als kleiner fliegender Putto um die Säule windet und oben auf der Säule angezeigt wird, gilt als Erfindung der Buschmanns.
Aus der italienischen Sammlung kommen feinste Mikromosaikbilder zum Aufruf: Ein Blick auf die Wasserfälle des Tivoli, wohl nach einem Motiv von Hackert, stammt vermutlich aus dem Atelier von Giacomo Raffaelli (Lot 1726, Schätzpreis € 50/60.000), dem Erfinder der Mikromosaiktechnik und ihr bekanntester Vertreter. Ein zweites Mikromosaik zeigt die Engelsburg und den Vatikan bei Sonnenaufgang (Lot 1727, Schätzpreis € 30/40.000), wohl nach einem Gemälde von Ippolito Caffi (1809 - 1866). Das Wappen im Rahmen deutet auf eine Order des Papstes Pius IX., der 1846 in sein Amt berufen wurde.
Das am höchsten bewertete Lot der Auktion ist die große skulpturale Tischuhr mit dem massiv in Silber getriebenen Gehäuse Atlas mit Himmelsglobus von Alexis Falize, Paris, um 1860 (Lot 1733, Schätzpreis € 110/130.000). Falize war der Gründer eines der bedeutendsten Pariser Ateliers für Goldschmiedearbeiten und hochwertigen Schmuck. Das Motiv der beeindruckenden Tischuhr ist der 1556 ausgegrabene römische Atlas aus Marmor, der sich heute den Sammlungen des Museo Archeologico Nazionale in Neapel befindet. |