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Werkstatt der Gebrüder Spindler, Außergewöhnliche Kommode, Potsdam um 1765/70

Werkstatt der Gebrüder Spindler, Außergewöhnliche Kommode, Potsdam um 1765/70

Mahagoni, Weißbuche und andere Hölzer, teilweise gefärbt, graviert und konturiert, auf Weich- und Hartholz, feuervergoldete Bronzebeschläge, geschmiedetes Eisenschloss. Zweischübig, sans traverse, dreiseitig bombiert, mit geschweiftem Tablier und zugespitzten Ecken auf gebogenen Zargenfüßen. Elegante Marketerie mit zwei großen, noch farbigen Bouquets auf Front und Platte auf gegenständig diagonal furniertem Fond. Auf den Seiten rhombisch gelegtes Furnierholz. In sehr gut restauriertem Zustand. H 80, B 143, T 65 cm.
Potsdam, um 1765 - 70.

Losnummer: 1099


Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges nahm Friedrich II. rasch die Realisierung seiner Pläne für das Neue Palais auf. Der Zuzug Johann Friedrich Spindlers 1763 und seines Halbbruders Heinrich Wilhelm Spindlers 1765 war für ihn eine glückliche Fügung. Die beiden Bayreuther Ebenisten vertraten einen Stil, der seinen persönlichen Vorlieben am nächsten kam. Die eigenen Entwürfe des Königs für die Service der KPM zeigen auf jedem Teller, jeder Terrine, jeder Tasse, Spaliere, Kartuschen und Blumen. Die Spindlerschen Möbeloberflächen nehmen diese Motive auf. Und genauso wie die Porzellane der Königlichen Manufaktur werden sie zum Markenzeichen des preußischen Rokoko. Die feinen naturalistischen Blumenmarketerien, die sich von den eher schematischen ihrer Pariser Konkurrenten deutlich abheben, schreibt Ulrich Leben dem Einfluss der Grafik des französischen Ornamentstechers und Malers Jean Pillement zu. Die Spindlers durften in Potsdam das Arbeitszimmer des Königs ausstatten, ebenso wie das Intarsienkabinett in den Räumen von Prinz Heinrich. Sie bauten zahlreiche fantastische Kommoden, von denen mehrere mit dem letzten Kaiser ins Exil nach Huis Doorn gingen.

Schon ihr erstes Werk im königlichen Auftrag, die um 1765 entstandene Kommode mit dem Papageienmotiv, ist ein beeindruckender Beweis ihrer Talente. Sie stellten sich schnell auf den hohen Anspruch des Siegers Preußen ein und bauten Möbel, die weit über das hinausgingen, was sie für Markgräfin Wilhelmine in Bayreuth produziert hatten. Hier durften sie in den kostbarsten Materialien, Schildpatt und Perlmutt, Ebenholz und Amaranth arbeiten, und es gab eine Infrastruktur, die ihnen eine enge Zusammenarbeit mit anderen hervorragenden Handwerkern, wie z.B. dem Bronzier Johann Melchior Kambly, möglich machte. Hier konnten sie Teil eines bedeutenden kreativen Prozesses werden, an dem zahlreiche der besten Künstler ihrer Zeit beteiligt waren.

Die Laufbahn der Gebrüder Spindler begann in ihrem Heimatort Bayreuth. Der 1726 geborene Johann Heinrich und sein zwölf Jahre jüngerer Halbbruder Heinrich Wilhelm standen bis zum Tod der Markgräfin Wilhelmine 1758 in ihren Diensten. Sigrid Sangl veröffentlichte 1992 das Repertoire der Bayreuther Möbel der beiden jungen Handwerker. Schon hier hatten die Spindlers ihren typischen Stil entwickelt, mit dem sie später am preußischen Hof reüssieren konnten.

Allerfeinste detaillierte Marketerie überzieht die schlichte bombierte Architektur. Das Vorbild, die französische Kommode der Louis XV-Epoche, ist deutlich erkennbar. Heinrich Wilhelm war derjenige der beiden Brüder, den es auf seiner von der Zunft vorgeschriebenen Wanderung 1756 kurz nach Paris verschlug, wo er in der Werkstatt von Pierre II Migeon arbeiten durfte. Migeon produzierte damals schon viele Jahre für das Königshaus und vor allem für Madame Pompadour. Seine Marketerien kennzeichnen sich durch einen lebhaften Furnierwechsel, die Fronten seiner bombierten Kommoden zieren oft große Kartuschen sans travers. Pierre Kjellberg erwähnt außerdem auch ein kleines bureau de pente, das mit einer Landschaft nach Pillement verziert ist. Sehr wahrscheinlich also hat der jüngere Heinrich Wilhelm viele Anregungen für den „Spindler-Stil“ aus Paris mitgebracht, was auch diese Kommode wunderbar belegt. Dennoch gelang es den beiden Schreinern schon um 1760 eine eigene Formsprache zu definieren, die Elemente des mainfränkischen Rokoko mit Pariser Eleganz verband, eine verblüffende, aber beeindruckende Kombination, deren Erfolg in Deutschland nur noch von der Werkstatt Abraham Roentgens erreicht wurde.

Zertifikat
Frau Dr. Sigrid Sangl vom 20.11.2022.

Provenienz
Süddeutscher Privatbesitz.

Literaturhinweise
Vgl. Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels, 2. Bd. Spätbarock und Rokoko, München 1970, Abb. 790 ff.
S.a. Sangl, Spindler?, in: Journal of the Furniture History Society, Leeds 1992, Vol. XXVII, S. 22-66.
S.a. Leben, From Potsdam to Waddesdon Manor, in: Cleveland Studies in the History of Art, 8/2003, S. 156-169.


Veranstaltungshinweise:

Am 15.11.2024 Auktion 1253: Kunstgewerbe


Schätzpreis: 40.000 - 60.000  EURO

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