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Unverbrüchliche Schönheit in unvergänglichem Licht. Das sommererfüllte Aquarell „Garten am Thunersee“ enthält alles, was die Größe eines Frühvollendeten erkennen lässt. Kurz nach der legendären Tunisreise schuf August Macke mehrere Aquarelle im Garten des Domizils in Hilterfingen. Es ist der Sommer 1914. Wenige Wochen noch, und es ist Krieg, und der 27-jährige Maler stirbt einen sinnlosen Heldentod an der Westfront. Aus der Reihe der Gartenaquarelle ist nun eines der schönsten (Los 8037, 120.000 €) am 10. Juni in der Auktion Moderne und Zeitgenössische Kunst zu erwerben. Ein weiteres, früheres Aquarell aus seinen Skizzenbüchern des Jahres 1912 variiert ein Motiv, das Macke immer wieder beschäftigte: Badende, ganz in ihrem Element, lebenslustig, fröhlich, munter (8036, 30.000 €). Karl Hagemeisters nun ins Werkverzeichnis aufgenommene, gleichfalls im Jahr 1914 entstandene „Küstenlandschaft“ könnte in kaum einem größeren Kontrast dazu stehen. Tosender Wind, flackerndes Licht, dräuender Himmel – Steilküste auf Rügen eben (8045, 30.000 €).
Ein Fels in der Brandung – so erscheint uns der „Lesende Mann im Wind“ (8098, 40.000 €), eine Bronze, mit der Ernst Barlach unfreiwillig einer aussterbenden Spezies ein Denkmal gesetzt hat. Ihm folgt im Katalog die bekannteste Plastik der kongenialen Käthe Kollwitz: Der Abguss „Die Klage – Zum Gedenken Ernst Barlachs“ ist einer der wenigen posthum autorisierten Güsse für die Londoner Marlborough Gallery und auf 20.000 € taxiert (8099). Weitere herausragende Stücke im Katalog sind die äußerst seltene Luxusausgabe von Jahrgang I (1919) des Mappenwerkes „Die Schaffenden“ mit 40 Radierungen von Feininger, Mueller, Pechstein, Rohlfs, Schmitt-Rottluff u.v.a., das Ölgemälde „Mädchen mit Katze“ der im Konzentrationslager Theresienstadt 1944 umgekommenen Julie Wolfthorn (8071, 18.000 €), der farbige Linolschnitt „Portrait de Jacqueline“ von Picasso (8137, 50.000 €) sowie als Werke der Nachkriegskunst eine vierteilige Folge von Collagen von Imi Knoebel (8242, 20.000 €) und Georg Baselitz’ „Schlafender Hund“ (8238, 15.000 €), ein der Kontemplation förderliches Aquarell für Kynophile.
Neben diesem im Druck vorhandenen Part wird als Online-Katalog Wendezeit. Eine Berliner Privatsammlung sowie eine Donation zugunsten der Ukraine-Nothilfe versteigert.
Die Druckgraphik ist am ersten Tag, am 7. Juni, Auftakt der Auktion. Zwei Rembrandt-Radierungen sind hier die Spitzenlose: In dieser Druckqualität äußerst selten das Blatt „Gelehrter in seiner Stube, genannt Faust“ (5174, 40.000 €) und der ebenfalls seltene Frühdruck der Kaltnadelradierung „Christus am Kreuz zwischen den Schächern“ (5162, 30.000 €). Dürers Holzschnitt „Das babylonische Weib“ in einem der frühesten Abzüge steht mit 18.000 € zu Gebot. Die „Sammlung Architektonischer Entwürfe“, Schinkels bedeutendstes Mappenwerk in der umfangreichsten Fassung von 1858, ist in einem nahezu vollständigen Exemplar in der Rubrik 19. Jahrhundert greifbar (5367, 4.500 €).
Als einer der Lieblingsmaler zur Zeit des – versteht sich: bayerischen – Prinzregenten Luitpold kam er zu Ruhm und Reichtum: Max von Gabriel, der sich mit Affen und Schädeln umgab, spiritistische Anwandlungen hatte und bei Theosophen logierte, schuf mit „Der Tod und das Mädchen“ eine anmutige Variation dieses immer aktuellen Sujets. Das ahnungslos dreinblickende Mädchen lässt sich vom Sensenmann umgarnen und ein Vogel krächzt sich vergebens die Seele aus dem Leib. Bis 2022 in bayerischem Privatbesitz kommt das fulminante Bild nun mit einer Schätzung von 50.000 € wieder in Umlauf (6169). Eingeleitet wird der Katalog Gemälde alter und neuerer Meister von einem „Verliebten Alten“ aus der Cranach-Schule. Greis trifft Deern – das ungleiche Paar ist ein jung gebliebenes, der Abschreckung und Unterhaltung gleichermaßen dienliches Sujet und kann hier mit 30.000 € einer Mitgift zugeschlagen werden (6003). Zwei weitere Lose im fünfstelligen Preissegment sind eine um 1680 zu datierende Darstellung des „Hl. Franziskus in Meditation“ von dem Neapolitaner Solimena (6018, 18.000 €) und ein das Desaster der napoleonischen Armee vergegenwärtigendes Gemälde des Schlachtenmalers Albrecht Adam: „Der Rückzug der Grand Armée aus Moskau im Herbst 1812“ (6040, 25.000 €).
Der im vorigen Jahr mit größtem Erfolg abgeschlossenen Versteigerung von Werken des Wieners Alexander Rothaug folgt nun im Frühjahr ein zweiter, knapp über einhundert Lose umfassender Schlussteil unter dem Titel „Mythos und Eros“. Erneut kommen Werke aus der Rothaug-Sammlung von Ernst Fuchs zum Aufruf, um Glanzstücke ergänzt aus der Sammlung Friedrich Feiersinger. Die markantesten Werke daraus sind zum einen das „Die Früchte des Meeres“ betitelte Ölgemälde mit Fischern, deren Körper eine geheimnisvolle Mischung eingehen mit dem Fang, den sie schweißtreibend an Land ziehen (6352, 60.000 €). Zum anderen „Der Triumph der Amphitrite“ (6337, 30.000 €), die vom Meeresgott Poseidon nach mühsamen Anfängen endlich heimgeführt wird. Das Wasser, man will es gern nach Betrachtung dieser Szene glauben, ist Urelement allen Lebens, so heiter, sinnlich und bewegt bringt uns Rothaug dies zu Bewusstsein. Und erzählt uns dann malerisch von „Heros Warten auf Leander am stürmischen Gestade“ (6310, 12.000 €) und damit auch von der Tatsache, dass das tosende, todbringende Meer die Orte der Sehnsucht in unüberwindlicher Ferne hält.
Ein aparter Katalog unter dem Titel Phantastische Welten versammelt die vielfältigen Aspekte einer aus Phantasmagorien geschöpften, die Realität ins Phantastische steigernden Kunst. Wohin führt diese kleine Expedition ins Ungefähre? Unter den 130 Losen sind Goyas Ungeheuer (7500, 6.000 €), Triers Begegnung mit „Licht und Dunkel“ (7515, 16.000 €), Schwimbecks Visionen (u.a. 7522, 1.800 €), die Halluzination „Turtel’s Dream“ des polnischen Malers Ziólkowski (7523, 16.000 €), das „Urteil des Paris“ von Mac Zimmermann (7539, 7.000 €), eine Bronze von Michael Schwarze (7553, 5.000 €), reizende französische Kupferstich-Collagen aus dem 18. Jahrhundert (7614 und 7615, je 800 €), ein grandioses „Triptychon“ von Fritz Kreidt (7605, 12.000 €), die „Surreale Landschaft“ von Brent Wong (7571, 7.000 €) und ein der sündhaften Phantasie Pieter Bruegels d. Ä. entsprungener Kupferstich (7590, 1.200 €). Zu entdecken: die „irrealistischen“ Werke der 2013 gestorbenen Malerin Aliute Mecys (u.a. 7554, 7.000 €) und die 1947 entstandenen „Transparenten Gefilde“ von Hans Thiemann, der im Jahr zuvor an der aufsehenerregenden „Fantasten-Ausstellung“ der Galerie Rosen in Berlin beteiligt gewesen war (7573, 2.800 €).
Über 300 Lose umfasst dieses Mal der Katalog Zeichnungen des 16. bis 19. Jahrhunderts. Die „Studie eines zweirädrigen Planwagens“, die erst 1975 als Werk Isaac von Ostades identifiziert wurde, ist eines der Spitzenlose des Kataloges (6649, 18.000 €). Schüler von dessen Bruder Adriaen war Cornelis Dusart, dessen kolorierte Zeichnung von einem „Ruhenden, jungen Mann, eine Pfeife rauchend“, 15.000 € einspielen soll (6656). Zwei Blätter aus einem römischen Skizzenbuch von Hubert Robert sind jeweils mit 15.000 € geschätzt (6685, 6690). Es sind Studien nach dem Leben: ein Zeichner mit Begleiter im Park der Villa Ludovisi und zwei Wäscherinnen an einem Tritonenbrunnen. Ganz außergewöhnlich sind die Kompositionen des vor wenigen Jahren wiederentdeckten Universalkünstlers Emil Pirchan: Zwei Beispiele für seine experimentellen Tunkpapiere, die man getrost als visuell revolutionär charakterisieren kann (6873, 6874, je 4.500 €).
Am letzten Tag der Auktionssaison steht traditionell die Fotografie auf dem Programm, präludiert vom 19. Jahrhundert – unter anderem mit einer Sammlung historischer Fotografien aus der peruanischen Ursprungsregion des Amazonas (4057, 6.000 €) – und bis zur jüngsten Gegenwart reichend. Als Stationen zu nennen: Die Fotodokumente von der ersten Internationalen Dada-Messe (4117 und 4118, je 4.500 €), 100 Vintage-Silbergelatineabzüge von Martin Höhlig, der 1928 Berliner Fassaden und Gebäude für das Projekt „Berlin im Licht“ (4097, 30.000 €) festhielt, die glamouröse Reklamewelt der Berliner zwanziger Jahre, avantgardistisch klar konturiert in eine Zukunft weisend, die es nicht gab. Dann Hans Bellmers verstörende Puppenarrangements aus den Dreißigern (4098, 8.000 €), eine Reihe von DDR-Fotografien, darunter „Lothar“ aus der Serie „Berlin in einer Hundenacht“ (4185, 500 €), die Studien von Heinrich Kühn (4225 ff., 1.800-3.000 €) und Will McBrides „Russischer Panzer“ am Checkpoint Charlie (4245, 1.000 €). Beispiele nur aus einem wunderbar anregenden Angebot, in dem sich fast am Schluss der Auktion ein Foto Josef Sudeks (4316, 900 €) verbirgt: Ein „Zaubergarten“ im Herbst. Was mit Macke im Lichte begann, endet im Geheimnis.
Termine
7. Juni
Druckgraphik des 15. bis 18. Jahrhunderts
Druckgraphik des 19. Jahrhunderts und des Fin de Siècle
8. Juni
Gemälde Alter und Neuerer Meister
Alexander Rothaug – Mythos und Eros, Teil II
Phantastische Welten
9. Juni
Zeichnungen des 16. bis 19. Jahrhundert
Moderne Kunst II (nur online)
Wendezeit. Eine Berliner Privatsammlung (nur online)
Zeitgenössische Kunst (nur online)
10. Juni
Moderne und Zeitgenössische Kunst I
14. Juni
Fotografie des 19. – 21. Jahrhunderts
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