Der Maler Gerhard Sauter
Gerhard Sauters Bilder führen in die Welt der Farben. Seine abstrakte Bildsprache kennzeichnet die Beschränkung auf bestirnmte Farbakkorde. Bildträger ist das klassische Rechteck. Lebendigkeit gründet sich zum einen auf die Spannung von gegensätzlichen Farbtönen, zum anderen auf die Vielfalt der Ausdrucksformen, die Farbe irn Raum, als Fläche, als Körper, als Linie und als Bewegung zur Wirkung bringt.
Den unverwechselbaren Charakter eines jeden einzelnen, auf Papier gemalten Bildes bestimmt die Wahl der verschiedenen Farbarten, deren gestalterische Möglichkeiten mit großem Erfindungsreichtum eingesetzt sind. Die nuancenreichen, oft lasierend aufgetragenen Aquarell- und Gouachefarben vermitteln meist durchscheinende, zu lichter Offenheit führende oder aufleuchtende Eindrücke. Ihnen stehen pastose Farbkomplexe gegenüber, die halbdeckend bis opak gemalt sind und den scheinbar tiefen Bildraum eher versch1ießen. Den Linien, in entschiedenen Strichen mit dem Pinsel, Bleistift und Kreiden eingezeichnet, kommt in den neueren Arbeiten Gerhard Sauters eine immer größere Bedeutung zu. Einerseits werden malerische Modellierungen hervorgehoben und in ihrer Richtung verstärkt. Andererseits sind durch netzartige Linien auch Farbstrukturen aufgebrochen oder verstellt. Sch!ießlich findet man oft die Tiefe der Farbräume um eine weitere Dirnension bereichert - durch Collagen, ausgeschnittene Papierschnitzel verworfener Bilder.
Ebenso wie die form-, flächen- und raumbildenden Eigenschaften des Farbauftrags, der sich einer gegenständlichen Beschreibung verschließt, ist die Ausstrahlungskraft der Farben selbst verwendet als immaterieller, bildhafter Aussagewert. Für die Wirkung im Bildganzen sind Lage, Umriß und Dichte eines Farbkomplexes maßgeblich. So kann z. B. ein Rot, Schwarz oder Blau dominierend, verdeckend oder aufleuchtend eingesetzt sein. Immer sind es wenige, kräftige Farben - meist nur ein Farbton, manchmal auch ein Farbpaar (etwa Blau, Grün) -, die den Charakter des Bildgefüges festlegen. Sehr selten sind starke Farbkontraste von konstituierender Wirkung. Die Intensivierung ergibt sich aus den wenigen, kleinflächiger verwendeten Farben, die ähnlich wie Kontrapunkte immer zum Ganzen gegensätzlich sind. Warme Töne beleben kalte Farbräume, Buntes leuchtet im Monochromen auf. Das Entdecken eines Farbtones, dessen eigenste Wirkung sich aus darüber- und darunterliegenden Farbschichten und -bahnen zusammenfügt, macht einen wesentlichen Reiz beim Betrachten dieser Bilder aus.
Da Gerhard Sauter nicht die sichtbare Wirklichkeit abbildet, sondern allein der eigenen künstlerischen Eingebung von bildhaften Ausdruckswerten folgt, ergibt sich für den Betrachter die Möglichkeit, ähnlich wie es beim Hören von Musik vertraut ist, eigene assoziative Wahrnehmungen darin zu entdecken. Die unterschiedlichsten sinnlichen Erlebnisse eines Menschen in einem gegenstandslosen Bild wirksam werden zu lassen, einen Weg zum individuellen inneren Ausdruck zu finden, in dieser schöpferischen Ausrichtung ist Gerhard Sauters Malerei in der Tradition zu verstehen, die mit dem Werk Wassilij Kandinskys ihren Anfang nahm. Der Verzicht auf eine festgelegte, verbindliche Bildsprache heißt aber auch, daß die Bilder nicht eindeutig zu enträtseln sind. Darin eingeschlossen ist der Zauber des Geheimnisses. Die Möglichkeit, sich diesem durch reines Sehen zu nähern, darin besteht die Faszination seiner Bilder. Ist dies nicht das Verständnis, welches Willem de Kooning 1971 meinte, als er zu H. Rosenberg sagte: "Etwas zu machen, dessen Du Dir niemals sicher sein kannst, und kein anderer wird es sein. Du wirst es niemals wissen, und kein anderer wird es jemals wissen... Das ist das Wesen von Kunst."?
UlrikeGrimm
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