Thomas Schindler, geb. 1959 in Braunschweig, wird erstmalig wieder seit 2001 in der Galerie Brockstedt mit einer Einzelausstellung gewürdigt.
Unter den Bildern und Zeichnungen befinden sich zwei großformatige Ölbilder, die die Titel „Der Morgen“ und „Der Mittag“ tragen.
Im Mittelpunkt der Figurengruppen steht jeweils ein kleiner Junge im Matrosenanzug, einsam und unbeteiligt, der distanziert und melancholisch das Geschehen um sich herum betrachtet. Sein Ball liegt abseits und dem Federballschläger in seiner Hand fehlt die Bespannung; Er ist zum Spielen ungeeignet.
Ähnlich surreale Sachverhalte verwirren bei näherer Betrachtung. Die Zeitung, die der Erwachsene in den Händen hält oder fein säuberlich mit anderen Exemplaren am Kiosk aufgereiht wurde, verfügt über keinen Text. Die Seiten sind weiß. Die übergroße Gitarre besitzt keine Saiten und eine blinde Katze trinkt aus einem Schälchen, wo nicht ganz klar zu erkennen ist, ob es tatsächlich Milch oder Wasser enthält.
Die einzigen Figuren, die auf dem Bild „Der Morgen“ einen gewissen Bezug zur Realität haben, sind der äußerst steif und marionettenhaft wirkende Hotelboy, der ein Paket austrägt sowie der Metzger, der ein totes Schweins auf dem Rücken trägt.
Die in realistischer Manier gemalten figurativen Darstellungen ergeben daher auf den ersten Blick keinen inhaltlichen Zusammenhang. Alles scheint wahr zu sein – oder auch nicht -, und hinterlässt einen magischen, surrealen, metaphysischen Nachgeschmack, der - wie sooft - nach dem „Dahinter“ fragen lässt. Bewegen wir uns bei der Betrachtung der Bilder direkt in die Matrix? Führt uns Morpheus, der Gott des Traumes, zurück in paradiesische, kindliche Bewusstseinszustände? Ein Leben ohne Gefühl für Zeit und Raum? Ein Leben voller Urvertrauen in die Eltern? Zeigt Schindler Erinnerungen oder wage bildhafte Klänge aus dem Unterbewusstsein, die uns in Traumsequenzen wieder begegnen oder einen Streich spielen?
Auf dem Bild „Der Mittag“ führt der Vater den Jungen behutsam in die Welt der Erwachsenen. Vorsichtig berührt er ihn von hinten an der Schulter. Aber auch das bleibt für den Betrachter beinahe unsichtbar. Auf individuelle Züge der Personen wird verzichtet.
Die „pittura metafisica“ versucht die Grenzen des Sichtbaren und Unsichtbaren zu überwinden. Sie fragt nach der Wirklichkeit des Wirklichen und nach dem Sein des Seienden. Objekte und Figuren werden in ungewöhnlichen Arrangements präsentiert. Es entsteht ein magisches, suggestives und geheimnisvollen Umfeld. Bildinhalte liegen oft jenseits des sinnlich Erfahrbaren und eine zweite geistige, transzendente Wirklichkeit verbirgt sich hinter den sichtbaren Dingen.
Auf Schindlers Bildern zeigt sich das übergeordnete Lebensprinzip: das Prinzip des Werdens und des Vergehens. Die Sehnsucht des Malers nach Ruhe und Stillstand lässt ihn am Leben leiden. Ironie und Melancholie sind die beiden Grundstimmungen, in denen er eine kontemplative Distanz zur Wirklichkeit erreichen kann. Hier steht Thomas Schindler ganz in der Tradition von Arnold Böcklin, Salvadore Dali, Max Ernst, Giorgio de Chirico, Max Klinger, Schopenhauer und Nietzsche.
Wir sind gespannt auf den „Abend“ und „Die Nacht“.
Uta Schnell
im August 2007
Biographie
1959 in Braunschweig geboren
1966/78 Schulbesuch
1978 Studium der Malerei an der HBK Braunschweig
bei Prof. Hermann Albert und Prof. Peter Voigt